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[infowar.de] SZ, 22.3.03: Psychologische Kriegsführung
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21.03.2003 17:10
Psychologische Kriegsführung
Die unsichtbare Front
USA sind angeblich im Kontakt mit Gegnern Saddams im irakischen Militär
und ermutigen sie zum Putsch.
Von Daniel Brössler und Heiko Flottau
(SZ vom 22.3.2003) ? In ihrem Krieg gegen den Irak kämpfen die Amerikaner
mit vielen Waffen ? eine davon heißt Verwirrung. Der Angriff begann anders
als von Militärexperten vorhergesagt, die Schock-und-Schreck-Strategie mit
massiven Luftschlägen wich zunächst einem flexibleren Vorgehen.
Dahinter, so suggeriert US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, stecken
Erfolge an einer unsichtbaren Front mitten in Bagdad. ?Wir stehen in
Verbindung zu immer mehr Leuten, die auf verschiedenen Ebenen Posten im
irakischen Militär bekleiden?, sagte Rumsfeld während einer
Pressekonferenz in Washington.
Diesen Leuten werde immer bewusster, dass Saddam bald ?weg sein wird?.
Selbst Männer aus des Diktators treuester Truppe, der Republikanischen
Garde, sollen darunter sein.
Wunderwaffe Putsch
Gleichsam als Wunderwaffe wünscht sich die Bush-Regierung einen Putsch in
Bagdad. Von ihm reden die Amerikaner nach Ansicht professioneller
europäischer Beobachter nicht nur, sie arbeiten auch daran ? wenn auch mit
ungewissem Ausgang.
Die Hoffnung auf einen Militärputsch gegen Saddam Hussein ist jedenfalls
bereits fast zwölf Jahre alt. Nachdem der Krieg um die Befreiung Kuwaits
am 28. Februar 1991 mit einem Waffenstillstand geendet hatte, hofften die
Amerikaner auf einen Staatsstreich, der Saddam Hussein beseitigen würde.
?Enthauptung? der Diktatur
Die verheerende Niederlage und vor allem die andauernden
Wirtschaftssanktionen würde der irakische Despot nicht überleben, so
lautete das amerikanische Kalkül.
Wie stets in seiner Laufbahn hat Saddam Hussein aber jede Opposition
blutig unterdrückt ? 1991 den Aufstand der Kurden im Norden und der
Schiiten im Süden.
Heute ist den Amerikanern bewusst, dass der irakische Kontroll- und
Unterdrückungsapparat immer noch funktioniert.
Die Gegner Saddams im Militär müssten ?das Regime fürchten, weil dieses
Regime jeden Tag Menschen tötet, um Gehorsam und Disziplin zu erzwingen?,
sagte Verteidigungsminister Rumsfeld.
Aus dieser Einsicht heraus sind die Amerikaner offenbar zur Überzeugung
gelangt, dass sie zur ?Enthauptung? der irakischen Diktatur selbst Hand
anlegen müssen.
Folgerichtig galt ihr erster Angriff in der Nacht zum Donnerstag angeblich
Saddam Hussein persönlich. Und fast wäre er auch getroffen worden ?
zumindest behaupten das amerikanische Zeitungen.
Als Bomben und Marschflugkörper eine Anlage im Süden Bagdads trafen,
hätten sich Saddam und womöglich einer oder beide seiner Söhne darin
befunden, berichtete am Freitag die Washington Postunter Berufung auf
amerikanische Geheimdienstkreise.
?Mindestens verletzt?
Ungewissheit herrsche in Washington aber darüber, ob Saddam verletzt oder
gar getötet worden sei. Ein Beamter in der US-Regierung behaupte aber, der
irakische Präsident sei ?mindestens verletzt? worden.
Als kein eindeutiger Beweis für Saddams Unversehrtheit gilt dessen nach
den ersten Angriffen ausgestrahlte Fernsehansprache.
Dabei ranken sich die Spekulationen nicht nur um die Möglichkeit, dass die
Iraker eine Aufzeichnung zu sehen bekamen. Auch die Frage, wer wirklich
auf dem Fernsehschirm zu sehen war, ist zumindest umstritten.
Angeblich bedient sich Saddam mehrerer Doppelgänger. Weltweit haben
Experten die Saddam-Ansprache deshalb mit Techniken wie Stimmen- und
Gesichtsvergleich untersucht. Nach Darstellung der Washington Post sind
die Erkenntnisse der Experten widersprüchlich.
Nach Ansicht des Homburger Rechtsmediziners Dieter Buhmann, einem Experten
für Gesichtsanalyse, hat sich Saddam bei seiner Ansprache hingegen mit
hoher Wahrscheinlichkeit nicht doubeln lassen.
Ohnehin stehen deutsche Sicherheitskreise der Doppelgänger-Theorie ?sehr
skeptisch? gegenüber und halten sie sogar für ?überholt?.
Selbst für den Fall, dass dies zutrifft, bleibt die Jagd auf den richtigen
Saddam extrem schwierig. Angeblich wechselt der irakische Diktator
unentwegt seinen Aufenthaltsort, zudem dringen in seine engste Umgebung
offenbar fast nur Verwandte vor.
Unklar ist ferner, wie nah der US-Geheimdienst CIA mit Hilfe von moderner
Überwachungstechnik oder Spionen an Saddam heran kommt.
Doppelstrategie
Vorläufig jedenfalls setzen die Amerikaner auf eine Doppelstrategie:
Saddam einerseits selbst jagen und andererseits mögliche Gegner ermuntern.
Schon im September hatte US-Präsidentensprecher Ari Fleischer gesagt, ?ein
Schuss? könne einen amerikanischen Einmarsch in den Irak verhindern.
Dafür ist es zwar nun zu spät, aber der von den Amerikanern ersehnte
Schuss könnte den Krieg immer noch deutlich verkürzen.
Für Putschversuche gegen Saddam interessiert sich die CIA schon länger. In
der Zeit zwischen 1995 und 1996 gab es vermutlich zwei größere
Verschwörungen ? beide von der CIA unterstützt.
Einmal wollte der in der jordanischen Hauptstadt Amman ansässige
?Irakische Nationale Zusammenschluss?, eine Vereinigung geflohener
irakischer Offiziere, Saddam Hussein beseitigen.
In guten Händen
Die Verschwörung wurde verraten. Saddams Häscher fanden die Telefone der
Putschisten mit den gespeicherten Nummern der CIA-Kontaktleute in den USA,
wählten und teilten den entsetzten CIA-Führungsoffizieren mit, dass sich
?eure Leute? in guten Händen befänden.
Ein anderes Mal sollte von Kurdistan aus revoltiert werden. Auch dieser
Versuch flog auf.Saddams Armee rückte, das war 1996, bis Erbil vor und
nahm einige der Verschwörer fest. Die anderen wurden von den USA hastig
ausgeflogen.
Seit Beginn der Planungen für den jetzigen Feldzug hofften die Amerikaner,
durch einen Putsch gegen Saddam Hussein den Krieg vermeiden zu können.
Immer wieder etwa wurden aus Washington Meldungen lanciert,
russlandfreundliche irakische Offiziere bereiteten einen Staatsstreich
vor. Nichts davon ist Wirklichkeit geworden. Dennoch hoffen die Amerikaner
bis heute, ein Putsch hoher Offiziere werde ihren Feldzug erleichtern.
Möglich ist es durchaus, dass einige Offiziere den Todeskampf des Regimes
gerne verkürzen würden, um ihre eigene Haut zu retten. Die öffentlichen
amerikanischen Spekulationen dienen dazu, die engere Umgebung Saddam
Husseins zu einem solchen Attentat anzustacheln.
Doch die so Umworbenen haben vermutlich kein so kurzes Gedächtnis.
Schließlich hatten die Amerikaner im Vorfeld ihres Feldzuges angekündigt,
die obersten hundert, vielleicht auch zweihundert Anhänger des Diktators
müssten sich für Kriegsverbrechen verantworten.
So sehen viele Getreue Saddam Husseins womöglich nur die Alternative: Tod
an der Seite Saddam Husseins oder den Weg in eine amerikanische
Todeszelle. Ein wirklicher Anreiz zum Tyrannenmord ist das nicht.
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