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[infowar.de] taz: CNNs chinesische Freunde
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http://www.taz.de/pt/2003/03/31/a0161.nf/text
CNNs chinesische Freunde
GEORG BLUME
taz Nr. 7018 vom 31.3.2003, Seite 17
Die Volksrepublik im Medienrausch: Der Irakkrieg sprengt die Grenzen der
bisherigen parteilichen Propaganda. Die Welt auf den Bildschirmen und in
den Zeitungen ist nicht mehr wiederzuerkennen. China nimmt am globalen
Medienwettkampf teil
aus Peking GEORG BLUME
Die junge Redakteurin des chinesischen Staatsfernsehens CCTV platzt fast
vor Aufregung: "Natürlich finde ich den Krieg nicht gut", sagt die
25-jährige Studiofrau in Jeans und Seidenhemd formhalber. Schon im
nächsten
Moment aber bricht aus der studierten Anglizistin der neu gewonnene
Berufsstolz heraus: "Ich bin glücklich, dass wir das erste Mal schnell
auf
die Weltereignisse reagieren können und nahezu freie Wahl haben, das
Material von CNN und anderen Sendern zu übernehmen."
Daraufhin schwärmt die CCTV-Redakteurin von "siebenstündigen
Live-Sendungen", vom "enormen Zuschauerecho" und einer "Versechsfachung"
der Einschaltquoten. Es klingt, als sei die eben erst aus den parteilich
geschützten Bilderwelten der chinesischen Administration ausgebrochene
Fernsehfrau wohlauf im globalen Medienwettkampf angekommen.
In Wirklichkeit erleben nicht nur Journalisten, sondern die meisten
Chinesen dieser Tage einen doppelten Bilderschock: Zum Schock des
Kriegsgeschehens am Persischen Golf kommt der Schock der ersten
umfassenden
Medienberichterstattung über ein Ereignis fern der chinesischen Grenzen.
Die Welt auf den Bildschirmen der Volksrepublik - und ebenso die auf
ihren
Zeitungsseiten - ist schlicht und ergreifend nicht mehr
wiederzuerkennen.
Wo eben noch die Überschaubarkeit einer pragmatisch-parteilichen
Weltsicht
regierte, herrscht plötzlich das Tohuwabohu des westlich-islamischen
Kultur- und Wüstenkampfes. Noch nie hat man so viel Bilder des
amerikanischen Nachrichtensenders CNN im chinesischen Fernsehen gesehen
wie
seit dem Kriegsausbruch. Ansprachen von George W. Bush, Tony Blair und
anderen Kriegsherren werden live gesendet und simultan übersetzt.
Zugleich
konkurrieren diese Aufnahmen mit denen arabischer Fernsehsender - und
das
mit wahrnehmbaren Erfolg. Nur die eigenen Leute von CCTV erscheinen da
im
internationalen Vergleich noch etwas ungeübt.
Immerhin aber berichten die Reporter des Staatssenders aus allen
Nachbarländern des Irak - ebenso wie die schreibende Zunft. Große
Blätter
wie die in der Hauptstadt führende Pekinger Jugendzeitung setzen den
Dauer-Livesendungen im Fernsehen inzwischen eine tägliche
Sonderberichterstattung über sechs bis acht Seiten entgegen.
Welche Medienrevolution in China im Gang ist, lässt sich besonders gut
im
Rückblick auf den 11. September ermessen. Fünf Stunden brauchten die
staatlichen Medien damals, um die Anschläge auf das World Trade Center
in
New York und das Pentagon in Washington auch nur zu vermelden. CCTV
zeigte
dabei zunächst Standbilder, die das Geschehene kaum vermittelten. Am
nächsten Tag druckten die Zeitungen entsprechend dünne Meldungen - die
Parteizensur hatte, wie bis dahin bei jedem in seinen Folgen
unabschätzbaren Ereignis, Zurückhaltung angemahnt.
Doch schon damals kündigten sich die Umwälzungen von heute an: Das
chinesische Publikum reagierte mit Ärger, Hohn und Spott. Prompt
informierte man sich übers Internet und beim Hongkonger Satellitensender
Phoenix; die Parteizensur wurde der Lächerlichkeit preisgegeben. Die
Medienbranche aber schämte sich - so viel Professionalismus war in ihr
längst gewachsen.
Umso selbstbewusster reagiert sie heute: "Freunde erzählen, sie hätten
von
Phoenix auf CCTV umgeschaltet. Das war früher unvorstellbar", frohlockt
eine andere CCTV-Redakteurin. Man hätte ihr gesagt, dass die
militärischen
Analysen im Staatsfernsehen viel genauer wären - was angesichts der Nähe
zwischen Regierung und Armee nicht wundert.
Doch kommen auch neue Stimmen zu Wort: Etwa außenpolitische Experten wie
Yang Chengxu und Yan Xuetong, die aufgrund ihrer unabhängigen Meinung
für
die taz in Peking seit Jahren wichtige Ansprechpartner sind. Dabei
stehen
ihre Auftritte nun unter dem Motto: viel Information und wenig Meinung.
Zumindest die Kommentierung der Dinge behält sich die Partei noch vor.
Und
da deren neue Führung, wenngleich sie offiziell den Krieg verurteilt,
mit
Washington warm werden will, ist Kommentierung derzeit wenig gefragt.
Derartige Einschränkungen der Meinungsfreiheit führen, auf der Suche
nach
den Ursachen der chinesischen Medienexplosion, zu einer ökonomischen
Deutung. Demnach diktiert die Konkurrenz zwischen den in den letzten
Jahren
neu enstandenen, privatwirtschaftlich geführten Medienkonzernen den
Kriegsrausch der Bilder und Blätter.
Schließlich berechnet sich der Preis für TV-Werbung inzwischen auch in
China anhand der Zuschaltquoten. Zugleich konkurrieren die
traditionellen,
im Dienst der Parteipropaganda entstandenen Medien mit neuen
Internetunternehmen wie www.sina.com, www.sohu.com und www.netease.com,
die
den über 200 Millionen chinesischen Handy-Benutzern heute
Kriegsnachrichten
rund um die Uhr im Sonderabo per SMS bieten.
Und doch erklärt die Ökonomie nicht alles. Es kann kein Zufall sein,
dass
der Selbstbefreiungsschlag der Medien in Sachen Irak nur wenige Tage
nach
Bildung einer neuen Regierung in Peking stattfindet.
Immerhin hat der neue Premier Wen Jiabao den Medien explizit eine
Kontrollfunktion gegenüber seiner Regierung zugestanden. Und der Krieg
wird
lang genug dauern, um die ganze Branche auf den Geschmack zu bringen.
Die
Welt ohne CNN-Bilder ist für die Chinesen ein für allemal untergegangen.
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