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[infowar.de] zur Historie der "embedded Reporters"
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Es ist immer gut, historische Vorläufer zu kennen, um nicht dem "alles
ist neu"-Hype auf den zu Leim zu gehen. (Ein Professor hat uns während
des Studiums mal gesagt: "Wenn man politische Entwicklungen wirklich
verstehen will, muss man einen Zeithorizont von 500 Jahren betrachten.")
Zu folgendem Artikel empfehle ich die Online-Version, wegen der schönen
alten Bilder.
RB
http://www.telepolis.de/deutsch/special/auf/14471/1.html
Fully embedded
Christian Gapp 27.03.2003
Kriegsberichterstattung mit Tradition
Militärische Informationsmanager haben den Typus des "embedded
correspondend" geschaffen, der bei den Einheiten an der Front ist
Live-Bilder vom Krieg liefert. Dies soll die Offenheit des Militärs
gegenüber der Presse demonstrieren. Die verwegenen Reporter sind in den
letzten Tagen selbst oft ins Zentrum des Interesses der Öffentlichkeit
geraten. Dabei ist das Konzept so alt wie die Kriegsfotografie selbst.
Vor einer Woche noch sahen die Prognosen für Tony Blairs politische
Karriere düster aus. Das hat sich geändert. 54 % der Briten
unterstützen laut Umfragen inzwischen den Kriegskurs der Regierung. Das
hat Carsten Schmiester in einem Radiobeitrag des SWR3 am Nachmittag des
sechsten Kriegstages berichtet. Als Hauptursache wurde die
Live-Berichterstattung der "embedded correspondends" ausgemacht. Im
Radiointerview schilderten Jugendliche, wie sie täglich gebannt die
spannenden Bilder im Fernsehen verfolgen. In einer Pressekonferenz am
Dienstag sprach der Premierminister selbst von den direkten Eindrücken
des Krieges, die die Real-Time-Bilder vermittelten. Er scheint sich
demnach, im Gegensatz zum amerikanischen Präsidenten, Nachrichten
selbst anzuschauen. Die Briten hat das TV-Fieber erfasst.
Satellitenschüsseln verkaufen sich derzeit im Vereinigten Königreich
blendend.
Die "embedded correspondends" sind ein genialer Schachzug militärischer
Informationsmanager. Sie scheinen damit eine gänzlich neue Art der
Berichterstattung erfunden zu haben. Dabei markiert genau diese Art der
Bildberichterstattung den Beginn der professionellen
Kriegsphotographie.
1854 tobte auf der Krim der Krieg der britisch-französischen Alliierten
gegen die Russen. Das Jahr sah absurde Schlachten, wie die von
Balaclava, in der die britische "Heavy Cavallery" eine taktische
Meisterleistung vollbrachte, jedoch nicht weit davon entfernt ihre
Kameraden von der berittenen "Light Brigade" eines der peinlichsten
Desaster des gesamten 19ten Jahrhunderts ablieferten. Im wesentlichen
waren die Fronten jedoch verhärtet: Der Krimkrieg war der erste
Stellungskrieg. Es kamen mehr Soldaten durch die Cholera um, als bei
Kämpfen. Berichtet wurde über den Krieg vor allem in der "Times", deren
Berichte europaweit für die absolute Wahrheit gehalten wurden (der
russische Zar sagte einmal, er bräuchte auf der Krim bei den Alliierten
keine Spione, schließlich habe er ja "The Times").
Kriegsberichterstatter der "Times" war William Howard Russell.
Russell kann als Archetyp des Kriegsreporters angesehen werden: über
alle Maßen selbstbewusst und selbstgerecht, arrogant, das raue Leben
liebend. Aber er lieferte keine Propaganda. Er geißelte die britische
Kriegsführung als inkompetent und brachte immer wieder sowohl das
Oberkommando, als auch die Regierung und das Königshaus in Rage. Beim
aufgebrachten Königshaus entstand schließlich eine Idee. Zehn Jahre
zuvor, 1844, hatte Henry Fox Talbot, der Erfinder des fotografischen
Positiv-Negativ-Verfahrens, seinen Arbeiten theoretisches Fundament
durch die Einleitung zu seinem Bildband "The Pencil of Nature" gegeben:
Bei der Fotografie führe die Natur den Zeichenstift, nicht der Maler.
Somit sei die Fotografie automatisch wahr und frei von menschlicher
Subjektivität. Die Idee des Königshauses war nun, "den Zeichenstift der
Natur" gegen die Berichte Russells ins Feld zu führen.
Den Auftrag erhielt Roger Fenton [1], erster Hoffotograf Queen
Victorias und dem Königshaus treu ergeben. Er war ein guter Handwerker,
der die aufwändige und umständliche Fotografie mit den damals üblichen
nassen Glasplatten beherrschte. Er bereitete sich gewissenhaft vor und
reiste Anfang 1855 für einige Monate auf die Krim. Prinz Albert
erteilte ihm den Rat, keine "dead bodies" abzulichten. Das tat Fenton
selbstverständlich auch nicht. Mit seiner Einstellung hätte er sich
heutzutage sicherlich mühelos an die rund 50 Regeln gehalten, die seine
Nachfahren als "embedded correspondends" befolgen müssen (Tote dürfen
sie übrigens zeigen - allerdings erst mit mindestens 72 Stunden
Verspätung).
Fentons Schlachtfelder sind leer, Soldaten posieren in herausgeputzten
Uniformen, heruntergekommene Verbandsplätze zeigt er ebenfalls nicht.
Die Stelle, an der sich im Vorjahr die "Light Brigade" in eine Position
manövriert hatte, in der sie durch russische Artillerie gleich von drei
Seiten zusammengeschossen werden konnte, fotografierte Fenton als "The
Valley of the Shadows of Death". Ein Bild, in das jeder Heldenhaftes
hineinprojizieren kann.
Fenton kehrte, selbst an Cholera erkrankt, mit 390 belichteten Platten
zurück nach England. Seine Auftraggeber waren zufrieden mit der
Motivausbeute. Die Bilder konnten leider nicht so schnell verbreitet
werden, wie schon wenige Jahrzehnte später möglich war (sie konnten
z.B. nicht direkt in einer Zeitung gedruckt werden). Zudem zeichnete
sich im Krieg inzwischen eine Niederlage Russlands ab. An der
Heimatfront kam der Propagandafeldzug der Bilder deshalb nicht
zustande. Kriegsberichterstatter scheinen nicht selten der Faszination
des Militärischen zu erliegen. Zumindest der Attraktivität
martialischer Verhaltensweisen (so wie Russell). "Verwegene Gestalten,
von Soldaten kaum zu unterscheiden" (Carsten Schmiester). Robert Capa
fasste einmal zusammen, ein Kriegsfotograf habe nicht das langweilige
Leben eines Soldaten. Er könne immer an den Teil der Front gehen, an
dem etwas los sei. Außerdem könne ein Reporter viel mehr Frauen haben,
als ein Soldat.
Capa hat mit diesen Stilelementen jedoch auch ganz gezielt gespielt, um
sich ein Image zu geben. Seine Arbeiten hingegen lassen nicht erkennen,
dass er Intentionen des Militärs gefolgt wäre. Direkt nach der
Befreiung der Franzosen dokumentierte er beispielsweise ausführlich die
Demütigung zweier französischer Frauen, Mutter und Tochter, die
kahlgeschoren durch ihr Heimatdorf getrieben wurden. Die Tochter hatte
ein Verhältnis mit einem Deutschen gehabt.
Nicht jedem "embedded correspondend" im Irak gelingt die
Distanzwahrung. Bei BBC war zu sehen, wie ein BBC-Reporter mit
Fallschirmjägern unterwegs war, und er sagte: "We'll soon be arriving
at our target." Hat er denn dasselbe Ziel wie die Soldaten? Sein
deutsches Pendant bei N24 schilderte die Schwierigkeiten beim Vormarsch
auf Bagdad. Dass die Soldaten und er wenig Schlaf fänden. Und wie
wichtig die Fußpflege sei, wenn man den ganzen Tag in den Stiefeln
stecke. Gemeinsame Erfahrung schweißt zusammen. Die Schere im Kopf wird
dabei automatisch geschärft.
Auch andere Wahrnehmungen funktionieren nach demselben Schema, wie
schon seit Jahrzehnten. Capa hatte eine Technik entwickelt, die er mit
"slightly out of focus" umschrieb. Er stellte absichtlich etwas
unscharf ein und benutzte Verwacklungen, um seine Bilder dramatischer
und authentischer erscheinen zu lassen. Dieser Trick funktioniert auch
heute noch (siehe Bild oben). Dank digitaler Kompression, die gerne
grobe Pixel und Tonwerttrennungen erzeugt, sogar im wahrsten Sinne des
Wortes berechenbar.
Links
[1] http://www.loc.gov/rr/print/coll/251_fen.html
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