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[infowar.de] SpOn: Die Hightech-Kriegsprofiteure



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SPIEGEL ONLINE - 04. April 2003, 12:25
URL: http://www.spiegel.de/netzwelt/technologie/0,1518,243305,00.html 

IT-Ökonomie im Krieg
 
Die Hightech-Kriegsprofiteure

Von Jochen A. Siegle, San Francisco 

Ob Kampfjet-Cockpit-Instrumente von Nvidia oder
3-D-Schlachtfeld-Visualisierungs-Software von SGI, der Hightech-Krieg im
Irak und die Terrorangst an der Heimatfront beflügeln die Geschäfte
amerikanischer Tech-Unternehmen. Immer mehr Silicon-Valley-Firmen hoffen
nun ebenfalls auf lukrative Verträge aus dem Pentagon. 

Die Rechnung schien eigentlich ganz einfach. Im Irak fliegen die Bomben,
bei Technologiefirmen klingeln die Kassen. Bester Kunde dabei: die
Bush-Regierung, die der Branche bereits im vergangenen Jahr Aufträge in
Höhe von 60 Milliarden US-Dollar bescherte. Einerseits pumpt die
Hightech-Obsession von Rumsfelds Mannen Milliarden in die leeren Kassen
von Tech-Unternehmen. Andererseits scheint die vom Department of
Homeland Security geschürte Terror-Paranoia in den USA und das damit
einhergehende neue Sicherheitsbedürfnis der ideale Nährboden für
glänzende Geschäfte von IT-Unternehmen. 

In der Tat können derzeit etwa die Hersteller von Tarnanzügen mit
mobilen Computersystemen, Sprengstoff-Erkennungsgeräten,
Gesichtserkennungs- und Instant-Messaging-Monitoring-Programmen oder die
Entwickler von Visualisierungs-Software zur Abbildung virtueller
3D-Kriegsschauplätze ordentlich von der Krisenstimmung profitieren. Doch
Brancheninsider und -beobachter sind sich längst einig, dass dies der
gebeutelten Tech-Ökonomie kaum zu einem breiten Aufschwung verhelfen
kann. 

"Die Erwartungen sind sehr hoch, und wie zahlreiche Fälle zeigen, kann
die angespannte politische Lage und die Terrorangst IT-Firmen durchaus
dienlich sein", sagt Tim Quillin, Analyst für Technologie und
Sicherheitssysteme beim Investmenthaus Stephens in Little Rock,
Arkansas. "Doch nur einige Bereiche werden längerfristig profitieren
können." 

Dieser Tritt auf die Euphoriebremse kommt nicht von ungefähr.
Schließlich bestätigt auch das U.S. General Accounting Office, das für
den US-Kongress die Vergabe öffentlicher Mittel prüft, dass bislang nur
wenige militärische IT-Großprojekte abgesegnet wurden. Zudem hatte sich
die Industrie bereits nach den Anschlägen vom 11. September mächtig
verkalkuliert: Analysten priesen im Zuge der Terrorattacken eine
lukrative Sicherheitsdividende, Branchenverbände rechneten mit
übervollen Auftragsbüchern - wie Studien zeigen, blieben bedeutende
Investitionen allerdings aus. 

"Tech-Warfare" aus dem Silicon Valley 

Dennoch gibt es zahlreiche Hightech-Krisengewinnler. Vor allem im
Silicon Valley, wo die "E-Business"- oder "B2B"-Euphorie längst der
"Business-to-government"- und "Business-to-war"-Hoffnung gewichen ist
und Hunderte Firmen den potenten Großkunden in Washington beackern. 

Silicon Graphics (SGI) mit Sitz in Mountain View ist ein gutes Beispiel.
Sicherheits- und verteidigungsrelevante Produkte, insbesondere für das
US-Verteidigungsministerium, machen gemäß SGI-Sprecher Greg Slabodkin
inzwischen 35 Prozent des Geschäfts aus - rund 15 Prozent mehr als noch
vor einem Jahr. Derzeit mächtig gefragt sei "Urban Warfare Visualisation
Technology" zur Darstellung digitaler Schlachtfelder. 

Oder Nvidia: Der Grafikkarten-Pionier aus Santa Clara stattet mit
Partner Quantum 3D Apache-Helikopter, M-1-Abrams-Panzer und
F-22-Kampfjets mit Hightech-Cockpitinstrumenten aus - schließlich hält
die Digitalisierung im Stechschritt Einzug in militärische
Armaturenbretter. 

Grund genug für Rob Csongor, einen der Direktoren der Firma, deren
3-D-Chips seit Jahren PC-Gamer beim virtuellen Ballern beglücken,
bereits weitere Aufträge aus dem Pentagon zu wittern: Künftig sollen
nicht nur Militär-Fortbewegungsmittel, sondern auch spezielle -Handhelds
bestückt werden; so etwa die derzeit im Irak eingesetzten mobilen
GPS-Positionierungsgeräte. 

Doch es gibt auch weit weniger bekannte Profiteure. So etwa Savi
Technology: Der Spezialist für Logistiksoftware aus Sunnyvale konnte
sich im Februar einen 90-Millionen-Dollar-Auftrag von der Army sichern,
die nun ein eigens entwickeltes Savi-System dafür einsetzt, ihre
Nachschubversorgung besser koordinieren zu können. Beim letzten
Irak-Krieg vor zwölf Jahren war auf Grund mangelhafter Beschaffungs- und
Inventursysteme das Chaos ausgebrochen: Auf Docks im persischen Golf
mussten 28.000 Container geöffnet werden, um feststellen zu können, was
sich darin befindet. 

Angesichts dieser, wenn auch vereinzelten Erfolgsgeschichten ist es kaum
verwunderlich, dass längst unzählige andere große wie kleine
Mainstream-Techfirmen die US-Regierung mit Militär-Hightech und
maßgeschneiderten Produkten für den Heimatschutz zu beliefern versuchen.
Allein dem mit einem Jahresbudget von 37 Milliarden US-Dollar
ausgestatteten Department of Homeland Security sollen bereits
Zehntausende Investitionsvorschläge aus der IT-Wirtschaft vorgelegt
worden sein - darunter auch von Schwergewichten wie IBM, Oracle,
MicroStrategy oder Xerox. Andere Technologie-Größen, beispielsweise
Microsoft oder American Management Systems, haben eigene
"Heimatschutz"-Abteilungen gegründet, um sich gezielt um Aufträge von
der Ridge-Behörde zu kümmern. 

Ethisches Dilemma 

Doch allen ökonomischen Verheißungen zum Trotz tun sich längst nicht
alle Tech-Unternehmen leicht mit den kriegstreibenden Auftraggebern aus
Washington. In der San Francisco Bay Area hegt man vielfach sogar ein
sehr ambivalentes Verhältnis zu Anti-Terror- und Militär-Technik. 

Einerseits werden mit Satelliten aus Palo Alto irakische Truppen
ausspioniert, verbinden Datennetzwerke aus Santa Clara Frontsoldaten mit
ihren Kommandozentralen und tragen Jet-Piloten futuristische Helme mit
integrierten transparenten Bildschirmen "made in" San Jose. Über 900
Bay-Area-Unternehmen belieferten die US-Streitkräfte 2002 mit Waren und
Dienstleistungen in Höhe von über vier Milliarden US-Dollar - darunter
neben traditionellen Rüstungsausstattern wie Lockheed Martin, General
Dynamics oder Bechtel, deren Zentralen seit Kriegsbeginn immer wieder
Ziel von Protestmärschen wurden, auch viele Start-ups und Kleinstfirmen. 

                        Andererseits ist die Region um die Bucht von San
Francisco keinesfalls nur Heimat unzähliger
Tech-Companys,                         Tüftler und Risikofinanziers, die
mit Militärtechnik Kasse machen. Vielmehr liegt hier auch das einstige
Epizentrum                         der US-Friedensbewegung, die das Ende
des Vietnam-Kriegs einläutete. So ist es auch Ehrensache, dass
man                         derzeit mit an der Vorfront der "No oil for
blood"-Protestbewegung steht. 

                        Das führt zwangsläufig zu Konflikten - und
teilweise sogar zu bizarren Formen der
Selbstzensur:                         Silicon-Valley-Worker berichten
darüber, aus Furcht vor Repressalien sowie auf Anraten von
Personalexperten                         keinesfalls am Arbeitsplatz
ihre Haltung zum Irak-Krieg zum Ausdruck zu bringen oder die Beteiligung
an                         Friedensdemos zuzugeben. 

                        Ex-Friedensaktivisten machen Kasse 

Deutlich wird dieses gespaltene Verhältnis auch bei den Gründern der
Firma Wind River Systems. Als junge Männer hatten David Wilner und Jerry
Fiddler massiv gegen den Vietnam-Krieg opponiert - Fiddler sieht nach
wie vor fast wie ein Hippie aus. 

Nichtsdestotrotz beliefert ihr Anfang der achtziger Jahre in einer
Garage in Berkeley gestartetes Unternehmen nun hauptsächlich das
Militär. Darunter vor allem mit Software für Handgeräte zur Erkennung
chemischer und biologischer Waffen - erst jüngst orderte das Pentagon
250.000 Stück dieser "Handhelds" -, aber auch mit
Militär-Kommunikationssystemen oder Navigationshilfen zur Erhöhung der
Zielgenauigkeit von Bomben.

Während sich Fiddler dieser Tage um eine Position zum Irak-Konflikt
herumwindet, jedoch die Vorzüge seiner Produkte für die US-Militärs
preist und Sätze von sich gibt wie: "Die Welt ist heute auf Grund der
technischen Möglichkeiten des US-Militärs sicherer", wettert Wilner ganz
offen gegen die Bush-Krieger und beteiligt sich an Protestmärschen. 

Im Gegensatz zu Fiddler kann ihm der Zorn verärgerter Militärs auch
nicht mehr direkt ökonomisch schaden: Pazifist Wilner hat die gemeinsam
gestartete Firma schon vor vier Jahren verlassen.

Zum Thema: Im Internet:
· Krauss-Maffei Wegmann: "Wir spüren eine Verschlechterung des Klimas"
(manager-magazin.de)
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,242001,00.html

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