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[infowar.de] TELEPOLIS: "Lost like a motherfucker"



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"If we run out of batteries, this war is screwed."

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"Lost like a motherfucker"

Katja Seefeldt   27.05.2003 

Joshua Davis war als Kriegsberichterstatter im Irak und hat die 
revolutionäre neue digitale Kriegsführung aus der Nähe betrachtet 

Alles vernetzt, alles prima? Wired [1]-Journalist Joshua Davis war 
gespannt darauf, in Augenschein zunehmen, was US-Verteidigungsminister 
Donald Rumsfeld als echte Revolution angekündigt hatte: die digitale 
Kriegsführung. Den Beginn eines neuen Kriegszeitalters, in dem 
Präzisionswaffen, die optimale Überwachung des Feindes und wendige 
Bodentruppen von einem Echtzeit-Kommunikationssystem zu einer nie 
dagewesenen Schlagkraft zusammengeschmiedet sind. Information anstelle 
von massivem Einsatz von Bodentruppen. Golf-Krieg II als das große 
Testfeld für eine netzzentrierte Strategie.  

Davis ist dem digitalen Kommunikationsnetzwerk der US-Armee von der 
Kommandozentrale (Central Command) in Katar bis auf die Schlachtfelder 
im Irak gefolgt. Getrieben auch von der Frage: warum sich General Tommy 
Franks seiner Sache immer so sicher ist. Er hat das Global Command and 
Controll System (GCCS) gesehen, das in 65 Sun-Server untergebracht ist, 
die in einer Art Schiffscontainer zusammengepfercht sind und von zwei 
Soldaten überwacht werden. GCCS, von den Soldaten auch kurz Geeks 
genannt, zeichnet die Bewegungen von Panzern, Flugzeugen, Schiffen und 
Soldaten auf einer digitalen Landkarte auf, so dass sie in Echtzeit auf 
dem Bildschirm mitverfolgt werden können. Auch feindliche Stellungen, 
die vom Geheimdienst aufgespürt wurden, sind dargestellt. Im 
Warfighting Web, dem Armee-internen Netz-Portal, gibt es alles, was das 
Soldatenherz begehrt: Schlachtpläne, Berichte des Geheimdienstes, 
Fotos, Videos, Online-Chat und Aufzeichnungen von Funk-Nachrichten. 

Die Effizienz dieses Informationsflusses wurde Davis so geschildert: 
Kampfhandlungen werden per digitalem Video aufgezeichnet und über einen 
sicheren Satelliten an das GCCS übertragen. Im Warfighting Web kann das 
Geschehen dann unter Latest Intelligence live mitverfolgt werden, wobei 
gleichzeitig auch schon Befehle an die involvierten Soldaten gegeben 
werden können. 

Und dann wurde Davis noch in die höheren Weihen der Schwarm-Taktik 
(Swarm Tactics) eingeführt: Donald Rumsfelds Beitrag zur Geschichte der 
Kriegsführung: simultan ausgeführte Angriffe aus der Luft sowie durch 
konventionelle Streitkräfte und Kommandoeinheiten. Da die Soldaten über 
die digitalen Kommunikationstechnologien miteinander verbunden sind, 
können sie sich in jeder beliebigen Formation auf feindlichem Gebiet 
vorwärts bewegen. "Schwärmen" erlaubt zügiges Vorrücken, die Sicherung 
der Rückendeckung ist nicht notwendig. Die Vorteile: weniger Truppen, 
weniger Kriegsgerät, damit wird die Kriegsführung billiger. Der Gegner 
tut sich schwer mit einem Angriff, da er den Feind nicht klar verorten 
kann. Die Schwarm-Theorie findet ihre Entsprechung auch online, in den 
vielen Chatrooms des Militär-Webs. Denn tritt bei Kampfhandlungen ein 
Problem auf, meldet sich der betroffene Soldat bei einem Tactical 
Operations Center. Von dort wird das Problem an einen Chat 
weitergeleitet und erreicht so verschiedenste Experten, die mit ihrem 
Rat virtuell zu Seite stehen können. 

Also alles paletti? Modernste Geräte, überall Fachleute, die sie 
überwachen, E-Mails die jedes Probleme lösen, die perfekte Vernetzung, 
für die perfekte Kriegsführung? Noch Meilen von der Front entfernt, 
lernt Davis, dass auch die US-Armee nur mit Wasser kocht. Denn bei 
Browser-Problemen rufen auch die Soldaten aus Katar brav bei der 
Microsoft Online-Hilfe an, der Service ist "Premier". 

Schließlich bei einer Relais-Station in der Wüste, von wo aus die 
Informationen aus dem Feld via Satellit an die Zentralen in Kuwait, 
Katar und Washington übertragen werden, sieht es ganz anders aus: In 
der brütenden Hitze kommt das moderne Gerät an seine Grenzen. Die 
feinen Schalter und Knöpfchen drohen vom Wüstenstaub begraben zu 
werden. Die zuständigen Soldaten wechseln sich rund um die Uhr ab, um 
die Apparate mit Staubsaugern funktionsfähig zu halten. Doch auch das 
hilft nichts mehr, wenn es richtig heiß wird und die Klimaanlage 
zusammenbricht. Dann wird es auf den Bildschirmen zappenduster. 

Auch das GCCS entpuppt sich als von trügerischer Sicherheit: Wenn die 
Netzverbindung gestört ist, bleibt auf dem Bildschirm nur noch die 
Landkarte des Irak und es heißt "We're lima lima mike foxtrot in Iraq" 
- im Klartext: "We're lost like a motherfucker". Dann sitzt GI Joe in 
der Wüste und weiß nicht mehr, wo er selbst sich befindet noch wo seine 
Kameraden - im Krieg wahrlich keine angenehme Erfahrung! Und wenn sich 
auch noch ausgerechnet die Leute verfahren, die die Satellitenschüsseln 
für das Kommunikationsnetz installieren sollen, hilft auch die 
Rumsfeld'sche Schwarm-Taktik nichts mehr. Dann ist auch der digitale 
Krieg am Ende. 

So lange die Technik funktioniert, läuft alles bestens, doch für den 
Fall, dass sie versagt, sind die Soldaten laut Davies nur schlecht 
gerüstet. Auch Fehlplanungen bei der Zuteilung von Ausrüstung durch die 
Armee haben fatale Auswirkungen. Wer sich, weil das versprochene 
Funkgeräte nicht zur Verfügung steht, in weiser Voraussicht zumindest 
ein altmodisches Walkietalkie mitgebracht hat, riskiert, dass jeder 
Amateurfunker mithören kann. Wer zur Sicherheit seine Routen im eigenen 
Palm Pad aufzeichnet, schaut in die Röhre, wenn die Batterien ausgehen: 

If we run out of batteries, this war is screwed.       

Die High-Tech-Kriegsstrategie ist hochgradig störanfällig - technisches 
und menschliches Versagen haben weitreichende Folgen. Nach Davis 
Beobachtungen hat der Krieg im Irak wahrscheinlich nur deshalb so gut 
geklappt, weil die Soldaten gut im Improvisieren waren. Die digitale 
Kriegsführung verlangt dem Einzelnen viel ab, er ist erheblich mehr auf 
sich gestellt und im Notfall steht er ziemlich verlassen da. Es gibt 
keinen Sichtkontakt zu Kameraden, es hilft nur noch der feste Glaube 
daran, dass schnell Hilfe kommen wird. Was passiert, wenn ein Fahrzeug 
in die Hände des Feindes gerät? Dieser Fall ist offenbar nicht 
ernsthaft in Betracht gezogen worden. Die Anweisung lautet: Ausschalten 
des Motors und damit des GCCS, im Notfall das ganze Fahrzeug zerstören. 
Da kann man nur hoffen, dass im Fall der Fälle dafür noch genug Zeit 
bleibt. 

Letztendlich wird die Sicherheit einer kleinen Gruppe dem Wohlergehen 
des Ganzen geopfert. Eine isolierte Einheit zieht Beschuss durch den 
Feind auf sich, und verrät so dessen Position für die anderen, ohne 
dass eine ganze Kompanie in Gefahr gerät. Der individuelle Soldat muss 
darauf vertrauen, dass die Technologie zu ihm vordringen wird,   
lautet das Fazit von Joshua Davies [2]   

Wenn die Elektronik nicht mehr funktioniert, heißt es back to the 
basics, zum altmodischen soldatischen Grundwissen, das im Golf-Krieg II 
segensreicherweise noch allgemein bekannt war. Die Frage, warum sich 
General Tommy Franks seiner Sache immer so sicher war, erscheint durch 
Joshua Davies Brille betrachtet, sehr berechtigt. Eine Antwort darauf 
hat er aber leider nicht gefunden. 

Links 

[1] http://www.wired.com
[2] http://www.wired.com/archive/11.06/battlefield_pr.html

Telepolis Artikel-URL: 
http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/14878/1.html 

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