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Letzter unabhängiger Fernsehsender abgestellt
Katja Seefeldt 27.06.2003
Einmal mehr hat Russland gezeigt, dass es nicht zu Unrecht zu den
Feinden der Pressefreiheit gezählt wird
Vom Fernsehsender NTW zu TW-6 und dann zu TWS - das Journalisten-Team
um Chefredakteur Jewgenij Kisseljow ist seit 2001 nirgends richtig
sesshaft geworden. Und seit dem frühen Sonntagmorgen ist es auch mit
TWS vorbei - über den Äther rauscht dort jetzt Sport, rund um die Uhr.
"Sozial wichtig", findet Presseminister Michail Lessin, der die Aktion
zu verantworten hat, den neuen Kanal, der Schritt sei nötig gewesen
"zum Schutz der Interessen der Fernsehzuschauer". In der offiziellen
Erklärung seines Ministeriums wurde die Schließung mit schweren
Finanzproblemen des Senders und Missmanagement begründet. Die üblichen
Argumente, wie sie auch im Fall von NTW und TW-6 benutzt wurden.
Die "sozial unwichtigen" TWS-Redakteure hat die Schließung des Senders
kalt erwischt, auch wenn sich die Zeichen für den Niedergang von TWS
schon seit geraumer Zeit häuften. Anfang Juni hatte Moskaus privater
Kabelnetzbetreiber Mostelekom die Ausstrahlung von TWS eingestellt mit
der Begründung, der Sender schulde ihm 8 Millionen Dollar an
Übertragungsgebühren. Auch das Konsortium aus Unternehmern, die den
Sender betreiben, galt schon lange als tief zerstritten.
Zwar hat Media-Sozium, das Unternehmen, dem die Sendelizenz gehört,
angekündigt, die Entscheidung des Presseministeriums anzufechten. In
der Tat entbehrt sie jeglicher rechtlichen Grundlage, da ein
Fernsehsender nur per Gerichtsentscheid und nicht per Anweisung eines
Ministeriums abgeschaltet werden kann. Dass sich die Dinge für TWS
jedoch noch ändern werden, glaubt niemand. Und auch Chefredakteur
Jewgenij Kisseljow hat die Nase endgültig voll. Wie er ankündigte [1],
werde es mit ihm keinen neuen Sender mehr geben, an weiteren
Verhandlungen werde er sich nicht mehr beteiligen.
Mit TWS hat Russland den letzten unabhängigen überregionalen TV-Sender
verloren, die restlichen Kanäle werden direkt oder indirekt von der
Regierung kontrolliert. Kein gutes Zeichen in einem Land, in dem das
Fernsehen das einflussreichste Medium ist. Eine mit dem Amtsantritt von
Wladimir Putin im Jahr 2000 begonnene inoffizielle Strategie hat damit
wohl ihr Ziel erreicht, nämlich die russischen Medien ordentlich an die
Kandare zu nehmen.
Sport statt Nachrichten und Politik - Kreml-kritische
Berichterstattung, wie sie TWS immer wieder gewagt hat, ist eben nur
lästig, gerade in Wahlkampfzeiten: Im Dezember stehen schließlich die
Parlamentswahlen an, im kommenden März wird der Präsident neu gewählt.
Dass hier mehr Kontrolle stattfinden soll, zeigt aktuell auch ein
Gesetz [2], das das Parlament jüngst verabschiedet hat. Es soll der
Regierung gestatten, TV- und Printmedien zu schließen, falls diese in
den Verdacht geraten sollten, im Wahlkampf parteiisch zu berichten.
Präsident Putin hat das Gesetz noch nicht unterzeichnet, doch einmal
mehr hat Russland wohl gezeigt, dass es nicht zu Unrecht zu den Feinden
der Pressefreiheit [3] gezählt wird.
Links
[1] http://www.gazeta.ru/2003/06/23/Russianautho.shtml
[2] http://www.themoscowtimes.com/stories/2003/06/24/005.html
[3] http://www.reporter-ohne-grenzen.de/cont_dateien/list_feind.php
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/15075/1.html
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