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[infowar.de] taz-Serie: Der Krieg und die Medien (1)



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Gerade erst entdeckt.#
RB

taz Nr. 7129 vom 13.8.2003, Seite 18, 176 Zeilen 
taz-Serie: Der Krieg und die Medien (1)

Schlechte Arbeit, gutes Geschäft

Der Krieg und die Medien (I): Mit patriotischen Heldengeschichten haben
Zeitungen und Fernsehen in den USA den Irakkrieg in eine Actionserie
verwandelt - und sich damit allzu bereitwillig vom Pentagon für
Propaganda instrumentalisieren lassen 

aus Washington MICHAEL STRECK

Das Muster ist bekannt. Der Präsident erklärt die Schlacht für beendet.
Die Kamerateams ziehen ab. Die Wirren der Nachkriegsordnung locken den
unterhaltungsverwöhnten Fernsehzuschauer schließlich nicht mehr hinter
dem Ofen hervor. So geschehen in Afghanistan. Und auch Nachrichten aus
dem Zweistromland sind wieder nahe liegenden Problemen wie der lahmen
Konjunktur oder dem Wetter gewichen.

Dabei befand sich das Fernsehvolk gerade vier Wochen live im Panzerbauch
und Schützengraben. Es sah Geschosse fliegen und Panzer durch die Wüste
jagen, verwundete Soldaten und Tote. Dramatische Musik,
Computeranimationen, Heldengeschichten und visueller Dauerbeschuss
verwandelten die Kriegsberichterstattung in eine Actionserie. Der
"Showdown Irak" ließ die Einschaltquoten von CNN, Fox News oder MSNBC in
die Höhe schnellen.

"Der Krieg war prima für das Geschäft", sagt Danny Schechter von
mediachannel.org, einer unabhängigen "Watchdog"-Organisation in New
York. Kritik galt als unpatriotisch und als unverschämt, wer es wagte,
die "Beweise" von Außenminister Colin Powell vor dem UNO-Sicherheitsrat
anzuzweifeln. Die Verbindung von Regierung und Medien sei "skandalös"
gewesen, sagt Schechter. Die Presse sei geradezu ein "Cheerleader" des
Krieges geworden - ein Eindruck, der sich vor allem durch die
omnipräsenten Militäranalysten aufdrängte, die ohne Unterlass die
überlegene US-Militärtechnik priesen. Dank der erstmals zum Einsatz
gekommenen "embedded journalists" wurde der Krieg zum perfekten
Reality-TV-Ereignis. Befürworter in den USA feierten die Reporter mit
Stahlhelm und kugelsicherer Weste als Medienhelden, die ihr Leben für
die Pressefreiheit riskieren. Gegner sahen in ihnen den gelungenen
Schachzug des Pentagons, die sensationslüsterne und abenteuerhungrige
Haltung von Journalisten auszunutzen, um sie letzlich nur vor den Karren
der Militärs zu spannen. "Sicher ist es besser, am Ort des Geschehens zu
sein, als vom Hotelzimmer in Kuwait zu berichten", sagt Schechter. Doch
diese Journalisten hätten einen einseitig militärischen Blickwinkel
geliefert.

So beklagen Medienkritiker weniger, was berichtet, sondern was
unterlassen wurde. Peter Y. Sussman, der nach 30 Jahren seinen Job beim
San Francisco Chronicle quittierte und nun für die Society of
Professional Journalists arbeitet, wirft den US-Medien vor, die
kulturellen, religiösen und historischen Zusammenhänge im Irak völlig
ausgeblendet zu haben: "Ich kann beim besten Willen kein wirklich
unabhängiges Urteilsvermögen der US-Presse erkennen", sagt Sussman.
Moderatoren und Reporter hatten weitgehend kritiklos suggestive und
unscharfe Begriffe der Regierung, wie zum Beispiel "Koalition der
Willigen", übernommen.

Die manipulative Kraft der Medien sei nirgendwo deutlicher geworden als
beim Sturz der Hussein-Statue in Bagdad. Stundenlang hatten TV-Stationen
die immer gleichen Bilder übertragen, "als ob es sich um die erste
Mondlandung handelte". Dabei habe sich später herausgestellt, dass dies
eine von US-Soldaten initiierte Aktion war und weit mehr Journalisten
bei dem Spektakel dabei waren als Iraker.

Ein anderes Beispiel für propagandistische Berichterstattung ist die
Geschichte der gefangenen Soldatin Jessica Lynch. Das Heldenepos von
ihrer Befreiung aus dem Krankenhaus hielt die Nation tagelang in Atem.
Recherchen überwiegend nichtamerikanischer Medien lassen nun erhebliche
Zweifel an der vom Pentagon offiziell verbreiteten und den US-Medien
brav übernommenen Version aufkommen. Demnach stellt sich die
"hochgefährliche Nacht- und Nebelaktion" eher als harmlose Bergung,
jedoch dramatisch inszeniert, dar. Doch TV-Kanäle und Zeitungen in den
USA schweigen.

Auch wenn die Mehrheit der US-Bevölkerung mit der eigenen
Kriegsberichterstattung - wie Umfragen belegen - zufrieden war, suchten
viele Amerikaner Rettung bei britischen Medien.

"I want my BBC", fordert Jack Nichols im liberalen Politmagazin The
Nation und trifft damit den Nerv frustrierter Landsleute. Der
BBC-Weltservice wurde von Lobesbriefen aus den USA überschwemmt, in
Spitzenzeiten stieg die Nachfrage aus der neuen Welt um 28 Prozent. Der
US-Kriegsjournalismus sei einfach nur noch "peinlich" gewesen, schreibt
Nichols.

Eine Ausnahme im Mainstream-Fernsehen bildet ABC. Der von konservativen
Medien gescholtene TV-Kanal berichtete ausführlicher über die
Antikriegsproteste, und in seinen Abendnachrichten rangieren die
Meldungen aus dem Nachkriegsirak nicht völlig abgeschlagen nach dem
dritten Werbeblock. Während die großen US-Zeitungen wie Washington Post,
New York Times oder Wall Street Journal weiterhin mehrere Seiten der
Situation im Irak widmen, verflüchtigt sich im allgegenwärtigen
Fernsehen die Erinnerung an den Krieg und das Bewusstsein für die
gewaltigen unerledigten Aufgaben in Irak.

Medienexperte Schechter, der selbst lange für ABC und CNN arbeitete, hat
den Glauben an das US-Fernsehen verloren. Selten zuvor in der
US-Geschichte hätte es sich so sehr für politische Zwecke
instrumentalieren lassen wie während des Irakkrieges. "Weapons of mass
deception" nennt er das amerikanische Fernsehen, "Waffen der
Irreführung".

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