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[infowar.de] TELEPOLIS: Eine gesaeuberte Version vom Krieg



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Eine ges=E4uberte Version vom Krieg

Florian R=F6tzer=A0=A0 13.11.2003=20

Eine ausf=FChrliche britische Studie =FCber eingebettete Journalisten im =

Irak-Krieg kommt zum Schluss, dass sie zwar relativ objektiv, aber=20
besch=F6nigend gearbeitet haben, w=E4hrend vor allem Fernsehsender sich =
als=20
unkritisches Sprachrohr der Milit=E4rs erwiesen=20

Um der Kritik zu entgehen, dass das Pentagon wie im ersten Irak-Krieg=20
und im Afghanistan-Krieg eine objektive Kriegsberichterstattung=20
unm=F6glich mache, hat das Verteidigungsministerium den Spie=DF =
umgedreht=20
und das Konzept der in Truppenverb=E4nden "eingebetteten" (embedded)=20
Journalisten entwickelt ( =A0Der "eingebettete" Reporter=A0[1]). Da man=20
nach Afghanistan und mit der milit=E4rischen =DCberlegenheit von einem=20
schnellen Krieg und einem bejubelten Sturz des Hussein-Regimes=20
ausgegangen war, sollten die gut kontrollierbaren Journalisten das=20
Medienabenteuer oder den Thriller Krieg aus der Perspektive der=20
vorr=FCckenden Koalitionstruppen der Weltbev=F6lkerung offerieren.=20

Medienzentrum der Koalitionstruppen in Katar  =20

Die Strategie, bestimmte Medien und Journalisten als Bestandteil direkt=20
in die Kriegsf=FChrung als Partner f=FCr die =D6ffentlichkeitsarbeit mit =

einzubeziehen, war sicherlich f=FCr die US-Regierung erfolgreich =
gewesen,=20
da man mit wenigen Opfern in den eigenen Reihen gerechnet hatte. Im=20
Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Menschen werden prim=E4r Spektakel=20
geboten. Und die US-Regierung hatte ein Spektakel versprochen. Die=20
Teilnahme an vorderster Front - die begehrtesten Pl=E4tze, die =
nat=FCrlich=20
die US-freundlichen Medien erhielten - lie=DF sich von den gro=DFen =
Medien=20
kaum ablehnen, wenn sie nicht eine Einbu=DFe der Quote in Kauf nehmen=20
wollten. Die Tausenden von Journalisten, die auf den Flugzeugtr=E4gern,=20
in Kuwait und den anderen Golfstaaten, in Jordanien oder im Nordirak=20
waren hingegen ausgeschlossen und hatten gegen=FCber den Journalisten in =

den Redaktionen kaum einen Vorteil. Alles durften die etwa 600=20
"embedded" Journalisten auch nicht direkt berichten - und wurde, wie=20
der genaue Standort oder das Ziel einer milit=E4rischen Aktion, auch=20
schon deswegen verschwiegen, weil sie sich damit selbst wom=F6glich=20
gef=E4hrdet h=E4tten. Zudem gab es den Disziplinierungsdruck, dabei =
bleiben=20
zu d=FCrfen und nicht ausgeschlossen zu werden, um weiter vom Spektakel=20
bereichten zu k=F6nnen, auf das die ganze Welt starrte. =20

Bagdad brennt  =20

Aber die Pentagon-Strategie w=E4re noch sehr viel erfolgreicher gewesen, =

wenn man es tats=E4chlich geschafft h=E4tte zu verhindern, dass=20
unkontrollierbare Journalisten, die das Hussein-Regime ins Land=20
gelassen hatte, zwar nicht aus der Perspektive des Feindes, wohl aber=20
der Opfer berichten ( =A0Peter Arnett f=E4llt in Ungnade=A0[2]). Es =
wurde=20
zwar vor dem Krieg bereits Journalisten gesagt, die ohne Kontrolle=20
durch die Koalitionstruppen aus dem Land berichten wollten, dass sie=20
wom=F6glich Ziele werden k=F6nnten. Und bekanntlich wurden auch=20
Journalisten in Bagdad von den US-Truppen beschossen oder bombardiert (=20
=A0Beseitigung und Einsch=FCchterung der Augen der=20
Welt=F6ffentlichlichkeit=A0[3]). So traf es, wie schon zuvor im=20
Afghanistan-Krieg, Mitarbeiter von al-Dschasira in Bagdad. Den Unwillen=20
im Irak-Krieg erregte dieser, weil er zuerst Bilder von gefangenen und=20
toten US-Soldaten zeigte, die vom irakischen Fernsehen stammten (=20
=A0Bombenzensur oder "Kollateralschaden"?=A0[4]). Das Pentagon sah darin =

eine Verletzung der Genfer Konventionen, deren Einhaltung ansonsten=20
auch nicht gerade das Hauptanliegen der US-Regierung war ( =A0Die=20
US-Regierung im Kampf mit den Medien=A0[5]). Die amerikanischen Sender=20
waren in diesem Fall tats=E4chlich "im Bett" und zeigten die Bilder=20
zun=E4chst nicht. Auch die Bilder von Bombenopfern wurden vor allem den=20
amerikanischen Fernsehzuschauern vorenthalten.=20

Am Wochenende nach Kriegsbeginn wurden diese schlie=DFlich vom =
arabischen=20
Fernsehsender al-Dschasira an alle Welt geliefert. Get=F6tete=20
US-Soldaten, dazu f=FCnf Gefangene, die vom irakischen Fernsehen=20
interviewt und vorgef=FChrt wurden. In den USA waren diese jedoch nicht=20
zu sehen. Einige TV-Stationen verzichteten komplett auf ihre=20
Ausstrahlung, andere zeigten Interviewausschnitte, in denen alles bis=20
auf das Mikrofon unkenntlich gemacht worden war. Erst als die =
Identit=E4t=20
der Soldaten bekannt war, zeigten auch die US-Stationen Standbilder und=20
kurze Sequenzen ohne Tonspur. Als Grund daf=FCr wurde die Genfer=20
Konvention zum Umgang mit Kriegsgefangenen zitiert.=20

Im Auftrag der BBC haben britische Wissenschaftler der=20
=A0Cardiff-Universit=E4t=A0[6] die Berichterstattung der "embeds" =
w=E4hrend des=20
Irak-Kriegs =A0untersucht=A0[7]. Danach h=E4tten diese zwar =
einigerma=DFen=20
objektiv berichten k=F6nnen, aber es sei vermieden worden, Bilder zu=20
ver=F6ffentlichen, die Tote, Verletzte oder die Gewalt deutlich zeigten. =

Der Krieg wurde, wie dies das Pentagon auch w=FCnscht, in einer=20
ges=E4uberten Fassung vorgef=FChrt.=20

Mark Damazer, Direktor von BBC News, =A0warnt=A0[8], dass solche=20
gereinigten Bilder vom Krieg der Demokratie schaden. Seit dem=20
Falklands-Krieg h=E4tten die Briten keine verletzten Soldaten mehr=20
gesehen: "Die Kultur wurde in den vergangenen Jahren mehr und nicht=20
weniger ges=E4ubert. Wir haben ein Problem und m=FCssen dar=FCber=20
diskutieren." =20

A, 6. April wurde ein Konvoi mit Kurden, Mitglieder von=20
US-Spezialeinheiten und Journalisten im Nordirak durch "friendly fire"=20
beschossen. Blut spritzte bei laufender Kamera auf die=20
Windschutzscheibe des Fahrzeugs, in dem ein BBC-Reporter sa=DF.  =20

Die Wissenschaftler haben f=FCr ihre Studie 1.500 Fernseh- und=20
Rundfunksendungen Sendungen untersucht und zahlreiche Interviews mit=20
Reportern und Redakteuren sowie Zuschauer-/Zuh=F6rergruppen =
durchgef=FChrt.=20
Allgemein h=E4tten die britischen Fernsehsender eine Pro-Kriegsposition=20
eingenommen. Das sei auch auf BBC zugetroffen, auch wenn die britische=20
Regierung trotzdem mit dem Sender unzufrieden war. Die britischen=20
Sender w=E4ren allerdings nicht ganz so einseitig wie die=20
US-amerikanischen gewesen, aber sie h=E4tten auch eher die Informationen =

=FCbernommen, die ihnen von den kriegsf=FChrenden Regierungen gegeben=20
wurden.=20

Im Fall der Massenvernichtungswaffen, die das Hussein-Regime nach der=20
britischen und amerikanischen Regierung besitzen sollte, h=E4tten die=20
Berichte auch in 9 von 10 F=E4llen unterstellt, dass es diese im Irak=20
geben w=FCrde. Eine solche unkritische Position, die Verlautbarungen=20
ihrer Regierungen mehr oder weniger zu =FCbernehmen, ist nat=FCrlich =
f=FCr=20
eine freie Presse als angeblich "vierte Macht" in einer Demokratie=20
besch=E4mend. Die Fernsehsender h=E4tten zudem auch sehr viel st=E4rker =
die=20
Freude der Iraker =FCber die Koalitionstruppen gezeigt als Misstrauen=20
oder gar Feindseligkeit. Und eben diese Tendenz wurde auch bei den=20
"Embeds" festgestellt, wie Justin Lewis, Direktor der=20
Journalistenschule an der Cardiff University, erkl=E4rt:=20

=A0Die Kritik, die zu dieser Zeit ge=E4u=DFert wurde, dass eingebettete=20
Reporter eher eine Pro-Kriegsberichterstattung machen, hat sich nicht=20
best=E4tigt. Aber wir haben dennoch einige Bedenken, vor allem, was die=20
von den eingebetteten Journalisten erzeugte Erz=E4hlung betrifft, bei =
der=20
einzig dar=FCber diskutiert wird, wer gewinnt und verliert, aber kaum=20
eine gr=F6=DFere Perspektive eingenommen wird.  =20

Einige Journalisten hatten von Zensurversuchen berichtet, insgesamt=20
aber h=E4tten sie einigerma=DFen objektiv, jedenfalls verl=E4sslicher =
als=20
Mitteilungen der Milit=E4rs berichten k=F6nnen. Doch die schreckliche =
Seite=20
des Kriegs sei ausgeblendet worden, wodurch bei den Zuschauern der=20
Fernsehberichte von der Front der Eindruck entstanden w=E4re, einem=20
"Kriegsfilm" zuzuschauen, w=E4hrend ihnen die Wirklichkeit des Kriegs=20
vorenthalten wurde. Zudem h=E4tten viele Zuschauer lieber weniger=20
Berichte von der Front gesehen und mehr =FCber den Hintergrund erfahren, =

beispielsweise auch =FCber die Reaktion der Iraker. =20

Vom Pentagon unerw=FCnschtes Bild eines gefangenen US-Soldaten, das=20
al-Dschasira sendete  =20

Bedenklich ist, dass oft die Quelle von Informationen nicht in der=20
Berichterstattung erw=E4hnt wird. Kommen die Informationen vom =
Milit=E4r,=20
so kann man in der Regel misstrauisch sein. Die Wissenschaftler=20
untersuchten vier w=E4hrend des Krieges zirkulierende Stories, die sich=20
wie die Scud-Attakcke auf Kuwait oder der Aufstand der Bev=F6lkerung in=20
Basra sp=E4ter als falsch herausgestellt hatten. Fast in der H=E4lfte =
der=20
Fernsehberichte, die davon handelten, wurde nicht erw=E4hnt, dass diese=20
Informationen vom britischen oder amerikanischen Milit=E4r stammten. Und =

gerade einmal in einem von zehn Berichten wurden die Behauptungen=20
kritisch hinterfragt.=20

Aber auch wenn eingebettete Journalisten einigerma=DFen objektiv, aber=20
die unerw=FCnschte Wirklichkeit ausblendend, berichten konnten, war die=20
Strategie, Journalisten zum Teil der Kriegsstrategie zu machen, f=FCr =
das=20
Pentagon w=E4hrend des Krieges erfolgreich. Da zumindest in F=E4llen =
eines=20
asymmetrischen Kriegs, bei dem der Angreifer die weitaus =FCberlegene=20
Macht und zudem eine Demokratie ist, die Medien eine entscheidende=20
Rolle zur Beeinflussung der eigenen Bev=F6lkerung und der Menschen auf=20
der ganzen Welt spielen, bietet die Einbeziehung der angeblich freien=20
Reporter als kontrollierbare Informationskrieger gro=DFe Vorteile.=20

Der Erfolg ist desto gr=F6=DFer, je besser eine Berichterstattung aus =
dem=20
feindlichen Lager und auch von wirklich freien Journalisten verhindert=20
werden kann. Man muss fast annehmen, dass das Pentagon, sollte es zu=20
einem n=E4chsten Krieg unter =E4hnlichen Bedingungen kommen, nicht=20
eingebundene und unabh=E4ngige Journalisten und Medien noch st=E4rker =
unter=20
Beschuss nehmen k=F6nnte. Allerdings hat der Irak-Krieg auch gezeigt,=20
dass Internet, Satellitenverbindungen und digitale Medien es auch=20
einzelnen erm=F6glichen k=F6nnen, aus einem Kriegsgebiet heraus zu=20
berichten und damit zus=E4tzliche Erfahrungen und Perspektiven zu =
bieten.=20
Und auch sonst haben zahlreiche Websites und Blogs gezeigt, dass=20
interessierte Menschen zunehmend eine weitere =D6ffentlichkeit schaffen=20
oder dass die herk=F6mmlichen Medien und Journalisten nicht nur selbst=20
st=E4rker kritisiert werden, sondern zum Teil einer gr=F6=DFeren, =
wirklich=20
demokratischen =D6ffentlichkeit werden.=20

Links=20

[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14277/1.html
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14501/1.html
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14570/1.html
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14562/1.html
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14490/1.html
[6] http://www.cardiff.ac.uk/jomec/post/pgdip/cjsprog.html
[7] http://www.cf.ac.uk/news/03-04/031106.html
[8] http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/middle_east/3247267.stm

Telepolis Artikel-URL:=20
http://www.telepolis.de/deutsch/special/med/16065/1.html=20

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