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[infowar.de] Irak: Bush-Regierung will den "Filter" der Medien überspringen
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/16101/1.html
Bush-Regierung will den "Filter" der Medien überspringen
Florian Rötzer 18.11.2003
Weil nur schlechte Nachrichten zu den US-Bürgern kommen, soll ein
Satellitensender live aus dem Irak berichten, in dem ein Medienkonzern
den Einfluss der arabischen Medien eindämmen soll
Trotz der Versicherungen, dass im Irak stetig Fortschritte gemacht
werden und sich die Lage weiter bessert, dominieren in den Medien -
auch in den USA - die Verluste und Schwierigkeiten der
Koalitionstruppen, die Zweifel am Erfolg der Mission nehmen zu, während
deutlich wird, dass die US-Regierung immer weniger Ahnung hat, wie sie
das selbstgeschaffene Problem lösen könnte, auch wenn gerade
beschlossen wurde, dass bis Juni 2004 eine Übergangsregierung
geschaffen werden und Ende 2005 eine gewählte Regierung an die Macht
kommen soll. Gerade der Fortschritt, so argumentierte man noch kürzlich
in der Bush-Regierung, lasse den Widerstand noch verzweifelter und
daher stärker werden. Um die Nachrichtenlage aus dem Irak an der
Heimatfront zu verbessern, will die US-Regierung nun ein
Satellitenprogramm einrichten. Im Irak wird hingegen ein
US-freundlicher Sender aufgebaut, um den Einfluss der arabischen
Konkurrenten zu mindern.
Es ist nichts Neues, wenn Regierungen die Medien beschuldigen,
einseitig nur das Negative zu berichten und das Positive zu übersehen.
Letzten Monat, als sich die Lage im Irak weiter verschärfte und die
Zustimmung der Amerikaner zur Irak-Politik von Bush allmählich weiter
abnahm, erklärte [1] US-Präsident Bush, dass die Medien ein "Filter"
für die Nachrichten seien und dass man diesen irgendwie durchbrechen
und direkt zu den Menschen sprechen müsse, um ihnen zu vermitteln, wie
es in Wirklichkeit aussieht:
I'm mindful of the filter through which some news travels, and somehow
you just got to go over the heads of the filter and speak directly to
the people.
Um den medialen Filter überspielen zu können, muss man aber selbst ein
Medium benutzen, das in Konkurrenz um die Aufmerksamkeit mit den
anderen tritt. Im Kern geht es schlicht darum, dass unabhängige Medien
so lange gut sind, so lange sie die eigene Politik befördern und die
eigens für die Medien aufbereiteten oder ihnen zugespielten
Informationen übernehmen. Das hatte nach dem 11.9. lange Zeit
erstaunlich gut für die Bush-Regierung funktioniert. Schwenkt die
Berichterstattung aber womöglich zusammen oder in Konvergenz mit der
öffentlichen Meinung um, wie dies nach dem Irak-Krieg eingetreten ist,
als der angeheizte Suspense nachgelassen hat, so wäre ein von der
Regierung kontrollierter Sender eben eine Möglichkeit, seinerseits die
unerwünschten Nachrichten auszublenden und direkt, ohne das lästige
Rauschen der Kritik oder auch nur einer skeptischen Distanz, die
Menschen mit den erwünschten Nachrichten zu erreichen. Nachdem nun der
bislang alles rechtfertigende 11.9. bei den amerikanischen Medien nicht
mehr so verfängt, sollen bald von der Regierung kontrollierte Sendungen
direkt an lokale Fernsehsender in den USA gelangen und die
Berichterstattung der großen Sender ergänzen, am liebsten
wahrscheinlich verdrängen.
Und das soll schnell gehen, wie die Washington Post berichtet [2].
Möglicherweise schon in der nächsten Woche soll der
Satellitenfernsehsender "C-Span Baghdad" seine Arbeit aufnehmen und den
ganzen Tag über gefilterte Nachrichten auf die Bildschirme zaubern, die
endlich gebührend die Politik der US-Regierung würdigen. Die Erwartung
ist, dass die lokalen Anbieter die kostenlosen Programme übernehmen und
so die Irak-Berichterstattung der großen Sender wie ABC, NBC, CBS, CNN
und sogar Fox in den Hintergrund tritt. Endlich kann dann der
unaufhaltsame Forschritt ihm Irak den Menschen vor Augen geführt
werden. Man denkt offenbar daran, dass lokale Sender dann mehr und
ungekürzte Interviews mit amerikanischen Regierungsangehörigen wie Bush
oder Rumsfeld, militärische Zeremonien, Pressekonferenzen oder
Regierungsmitteilungen, die für ihre Region wichtig sind, senden.
Gegenüber der Washington Post erklärte ein Regierungsmitarbeiter:
Wir wollen, dass die Sender nicht nur schockierende Bilder, sondern
das gesamte Bild zeigen. Autobomben sind Nachrichten, aber es gibt eine
journalistische Verantwortlichkeit, ein umfassenderes Bild zu
präsentieren.
Es sei schwierig für die Menschen, ohne verlässliche
Satellitenübertragungen aus dem Irak den Fortschritt zu erkennen, der
dort stattfinde, meint auch Dan Bartlett, der Kommunikationsdirektor
des Weißen Hauses, der derzeit unter wachsendem Druck stehen dürfte.
Die Technik der Satellitenübertragung ermögliche es amerikanischen
Sendern, besser und aktueller über Ereignisse aus dem Irak zu
berichten. Medienkontrolle sei das aber keine, denn die Sender könnten
sich ja frei entscheiden, ob sie das mit Steuergeldern produzierte
Material nehmen sollen:
Das ist keine Kontrolle, sondern bietet einen Zugang, den viele
Reporter gegenwärtig nicht haben, weil sie in den USA zurück sind.
J. Dorrance Smith, der seit September im Irak ist und die von Paul
Bremer geleitete Regierung in Mediendingen berät, wird den
Regierungssender leiten. Anscheinend geht [3] er davon aus, dass die
kleinen lokalen Sender in den USA gierig darauf sind, Live-Bilder aus
dem Irak zu erhalten, und so die regierungsgenehmen Informationen und
Bilder nicht mehr "in New York abgefangen" werden. Das erfolgreiche
Konzept der eingebetteten Reporter dürfte ein Vorbild sein, aber auch
die Angewiesenheit der Medien auf die Berichte der Militärs im Krieg,
wenn sonst keine unabhängigen Informationen zu erhalten sind:
Das ist Echtzeit für die USA und steht im Gegensatz zur
Berichterstattung durch ein Netzwerk. Man lässt sie entscheiden, ob sie
es live senden wollen. Und das ist ein wichtiger Unterschied in einer
Kriegssituation.
Smith setzt dabei auch darauf, dass den Zuschauern die Quelle der
Information nicht so wichtig ist. Gibt es nur die "richtigen"
Nachrichten, dann kommen auch die "richtigen" Informationen in die
Köpfe der Menschen:
Wir leben in einer vernetzten Welt, und wenn man die Abendnachrichten
sieht, schauen die Menschen nicht auf die Quelle, sondern auf die
Information, und wir haben die Möglichkeit zu bieten, von Bagdad zu
senden, wie man das von jedem anderen Ort machen kann.
Auf die Herkunft der Informationen mögen viele Menschen tatsächlich
nicht schauen, wenn sie nur interessant sind. Aber nicht umsonst sind
Nachrichten zu einer Ware geworden, die auf einem umkämpften Markt
angeboten und dementsprechend inszeniert wird. Regierungskonforme
Sender, die politische Werbung betreiben, haben aber immer schon die
Schwierigkeit gehabt, dass sie den Menschen zu langweilig sind und sie
ihnen unglaubwürdig erscheinen. Das ist im Fall eines Krieges etwas
anderes. Doch eine lange Besetzung, wie sie derzeit im Irak
stattfindet, unterscheidet sich von dem Schritt für Schritt aufgebauten
Szenario des Irak-Kriegs, der einem schnellen Höhepunkt entgegen
steuerte und so die Aufmerksamkeit der Medien und Zuschauer fesseln
konnte. Jetzt gibt es zwar eine "gute" Story, nämlich die Etablierung
eines demokratischen Systems in einem Land, dessen Diktatur gestürzt
wurde, aber eine "langweilige" Dramaturgie, die von einzelnen, auf die
Medien zielenden Attacken durchbrochen wird. Der Vorteil liegt ganz
klar bei den Terroristen oder Widerstandkämpfern, doch gegen diese
lässt sich mit einem Fernsehsender, der nur das Gute sendet, Siege
meldet und die Bösen verurteilt, nicht wirklich antreten.
Die Iraker vertrauen eher den arabischen Sendern
Im Irak selbst kontrolliert die amerikanische Zivilverwaltung [4] das
Iraqi Media Network (IMN), das noch immer von der nicht gerade für
Medienkompetenz, eher schon für "psychologische Operationen"
("Information Dominance/Command and Control") bekannten
US-Rüstungsfirma Scientific Applications International Corporation (
SAIC [5]) betrieben wird. Zum IMN gehören neben Fernsehsendern auch
Radiosender und zwei Zeitungen. Nach Rohan Jayasekera vom britischen
Index for Censorship [6] will Bremer das IMN in eine Art
Miniministerium in der Nachfolge des irakischen
Informationsministeriums umwandeln. Für den Sender wurde der Army ein
Budget von 100 Millionen US-Dollar vom Kongress bewilligt,
beworben [7] haben sich für die Ausschreibung BBC, der britische
Sender ITN, die Rendon Group, die seit längerem für das Pentagon
arbeitet [8], die Harris Group und die Lebanese Broadcasting Company.
SAIC bleibt jedoch weiterhin im Spiel.
Bislang aber lehnen [9] die Iraker offenbar den US-Sender eher ab.
Gesehen wird er voriwegend von denjenigen, die keine
Satellitenschüsseln besitzen und daher keine anderen Sender empfangen
können. Hier steht der amerikanisch kontrollierte Sender höher im Kurs.
Sobald aber Vergleiche über mehr Programme möglicht werden, sieht die
Lage anders aus. Wer andere arabische Sender wie al-Dschasira oder
al-Arabiya sehen oder über Satellitenschüsseln auf weitere Sender
zugreifen kann, verlässt sich nach einer Umfrage des amerikanischen
Außenministeriums eher auf die arabischen Sender. Der von den
Amerikanern kontrollierte Sender gilt als wenig glaubwürdig und
erinnert viele an die staatlich kontrollierten Medien des
Hussein-Regimes, die IMN ja auch übernommen hat und bislang zu einem
ähnlichen Propagandazweck nutzt.
Der Druck auf die beiden arabischen Sender ist daher groß [10]. Erst
gestern hat al-Arabiya wieder ein Tonband gesendet, auf dem angeblich
Saddam Hussein die Iraker zum Widerstand aufruft und den Besatzern mit
weiteren Verlusten droht. Prophezeit wird, dass die Koalitionstruppen
in eine "Sackgasse" geraten seien und das Land verlassen werden,
während der Widertand gegen sie "legitime patriotische und humanitäre
Pflicht" sei. Der Ramadan werde zu einem Monat der Siege. Bremer, der
Chef der Zivilverwaltung, hatte bereits im Juni den Medien Sendungen
verboten [11], die zur "Gewalt und Unordnung" aufrufen.
Entstehen sollen [12] auf der Basis der Hussein-Sender ein
Satellitenprogramm, zwei landesweite Fernsehsender und zwei Radiosender
mit Studios in allen Regionen und eine große nationale Zeitung. Der
Medienkonzern soll dann zwei Jahre nach der Umgestaltung unabhängig
werden. Überdies wird erwünscht, dass er dann vorbildlich für alle
anderen irakischen Medien für eine "umfassende, genaue, faire und
ausgewogene" Berichterstattung sein soll.
Links
[1]
http://www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn?pagename=article&node=&contentI
d=A21714-2003Oct13¬Found=true
[2] http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A42547-2003Nov14.html
[3] http://www.observer.com/pages/nytv.asp
[4] http://www.cpa-iraq.org
[5] http://www.saic.com/
[6] http://www.indexonline.org/news/20030611_iraq.shtml
[7] http://www.villagevoice.com/issues/0346/cotts.php
[8] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/11882/1.html
[9] http://www.rferl.org/nca/features/2003/11/06112003162154.asp
[10]
http://media.guardian.co.uk/iraqandthemedia/story/0,12823,1048595,00.html
[11] http://www.cpa-iraq.org/ministries/licensing.html
[12]
http://www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn/A32057-2003Oct15?language=printer
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