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[infowar.de] Welt-Interview mit Schily



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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     "Wir sind gegen Cyberterror gewappnet"

     Bundesinnenminister Schily sieht keine akute Gefahr durch Angriffe auf
     Staat und Wirtschaft per Internet - Interview

     Apokalyptische Szenarien verbinden sich mit dem Begriff Cyberterror:
     Al-Qaida-Hacker dringen in die digitalen Systeme der großen
     Energieversorger ein, manipulieren die Steuerung von Staudämmen und
     Wasserwerken, stiften Chaos an den Finanzmärkten, greifen in Flugzeug-
     und Zugverkehr ein oder legen Wirtschaftszweige lahm. Übertreibung
     oder reale Gefahr? Peter Scherer fragte Bundesinnenminister Otto
     Schily (SPD)

     DIE WELT: Wie groß ist die Gefahr, dass Mudschahedin-Netzwerke neben
     blutigen Operationen auch Angriffe auf unser politisches und
     wirtschaftliches Informations- und Kommunikationssystem starten - mit
     massivsten Auswirkungen auf Staat, Wirtschaft und Gesellschaft?

     Otto Schily: Wir haben derzeit keine konkreten Erkenntnisse darüber,
     dass islamistische Terroristen Deutschland über das Internet angreifen
     wollen. Gleichwohl wappnen wir uns gegen denkbare Computerangriffe.
     Kritische Infrastrukturbereiche wie Energieversorgung,
     Telekommunikation, Verkehrssysteme und Gesundheitswesen sind von einer
     funktionierenden Informationstechnik abhängig. Nach den
     Terroranschlägen vom 11. September habe ich ausführliche Gespräche mit
     allen wichtigen Infrastrukturunternehmen geführt, wie diese
     Infrastrukturen zu sichern sind. Daraus sind eine Reihe von
     Kooperationen zwischen Wirtschaft und Staat entstanden. Deutschland
     ist bei der IT-Sicherheit gut aufgestellt.

     DIE WELT: Es gab ja bereits Befürchtungen, die großen Zusammenbrüche
     von Stromnetzen in den USA und England hätten einen terroristischen
     Hintergrund.

     Schily: Nach unseren Erkenntnissen sind sie nicht durch einen
     IT-Angriff von Terroristen verursacht worden. Vermutungen in dieser
     Hinsicht haben sich nicht bestätigt. Bei der Überprüfung der deutschen
     Energieversorgung haben wir im Übrigen festgestellt, dass sie sehr gut
     gesichert ist. Deutschland ist Vorreiter bei der IT-Sicherheit. Im
     internationalen Vergleich haben wir einen Vorsprung, da wir mit dem
     Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine
     zentrale Bundesbehörde haben, die sich mit allen Fragen der
     IT-Sicherheit in der Informationsgesellschaft beschäftigt. Die EU ist
     auf deutsche Initiative unserem Beispiel gefolgt und baut eine
     Europäische Agentur für Netzwerk- und Informationssicherheit auf.

     DIE WELT: Wurden bereits virtuelle Attacken registriert, die
     islamistischen Cyberkriegern zugeschrieben werden konnten?

     Schily: Uns liegen bisher keine Anhaltspunkte dafür vor. Dennoch
     dürfen wir die Gefahren, denen unsere IT-Systeme ausgesetzt sind,
     nicht unterschätzen. Deshalb habe ich das BSI in den letzten Jahren
     deutlich verstärkt: Die Zahl der Stellen haben wir nach dem
     11. September 2001 um 42 auf 402 aufgestockt und die Mittel um 35
     Prozent erhöht. Für die Bundesregierung kann ich feststellen, dass wir
     uns gut gesichert haben. Wir verfügen über ein eigenes Regierungsnetz,
     das gegen Zugriffe von außen geschützt ist.

     DIE WELT: Unsere Kommunikationswelt ist aber auch noch durch andere
     Einflüsse verwundbar.

     Schily: Wir müssen nicht nur auf terroristische Hacker achten, sondern
     auch auf massenweise in Umlauf gebrachte Würmer und Viren. Jeder
     Computernutzer kann dazu beitragen, Schäden gering zu halten, indem er
     zumindest aktuelle Virenschutzsoftware und eine Firewall installiert.
     Auch die Wirtschaft ist leider nicht selten nachlässig. Viele
     Unternehmen investieren zu wenig in die IT-Sicherheit. Wir bemühen uns
     im Dialog mit der Industrie, das Bewusstsein für diese Fragen zu
     schärfen. Deshalb bieten wir auch die Hilfeleistungen des BSI an. Der
     Bund ist mit gutem Beispiel vorangegangen und betreibt seit August
     2001 in Bonn ein eigenes Computer-Notfallzentrum, das rund um die Uhr
     erreichbar ist.

     DIE WELT: Wo liegen die größten Risiken und Sicherheitslücken der
     modernen Informationstechnik?

     Schily: Neben dem häufig mangelhaften IT-Sicherheitsbewusstsein
     stellen Softwaremonokulturen ein Risiko dar. Sie sind eine der
     Ursachen für die verheerenden Schäden, die in den letzten Jahren durch
     Viren oder Würmer wie den "Blaster" oder "SQL-Slammer" entstanden
     sind. Es ist wie in der Landwirtschaft: Monokulturen sind anfällig für
     Schädlinge. Sie verbreiten sich dort schneller und richten größere
     Schäden an. Deshalb setzt sich die Bundesregierung für
     Softwarevielfalt ein, auch bei den Behörden in Bund, Ländern und
     Gemeinden.

     DIE WELT: Wer ist Spitzenreiter in der Bad List für Würmer und Viren?

     Schily: Der schnellste und aggressivste Schädling des Jahres 2003 war
     nach unseren Erkenntnissen "Sobig F". Der Wurm hatte zwar keine
     direkte Schadfunktion, beeinträchtigte aber durch sein massenhaftes
     Auftreten den E-Mail-Verkehr. Ende August versuchte dieser Wurm
     täglich rund 50 000 Mal - erfreulicherweise erfolglos -, in unser
     Regierungsnetz einzudringen. Ein durchschnittlicher E-Mail-Wurm bringt
     es in seiner aktivsten Phase normalerweise auf 500 bis 1000 Versuche
     pro Tag. Im August 2003 registrierte das Regierungsnetz mehr als
     673 000 mit dem "Sobig F"-Wurm verseuchte E-Mails. Bei den
     Privatanwendern stand im vergangenen Jahr der "Blaster" - alias
     "Lovsan"-Wurm - an der Spitze der Schädlinge. "Lovsan" verhinderte den
     Zugang zum Internet und gefährdete nur Computer, die mit den
     Microsoft-Betriebssystemen Windows 2000 und Windows XP ausgerüstet
     waren.

     DIE WELT: Wie beurteilen Sie die Gefahr strategischer
     Wirtschaftsspionage durch Hackerangriffe ausländischer
     Nachrichtendienste?

     Schily: Wirtschaftsspionage ist für eine Reihe von ausländischen
     Nachrichtendiensten neben der politischen und der militärischen
     Spionage Kern der nachrichtendienstlichen Aufklärung. Die
     Bundesregierung misst dem Schutz der deutschen Wirtschaft hohe
     Bedeutung bei. Durch Wirtschaftsspionage und Konkurrenzausspähung wird
     die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen
     gefährdet, wodurch letztlich eine große Anzahl von Arbeitsplätzen
     bedroht ist.

     DIE WELT: Dennoch ist die Zahl der registrierten Fälle von
     Wirtschaftsspionage seit Jahren niedrig.

     Schily: Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes hat dies vor allem
     zwei Gründe: Zum einen ist den agierenden Nachrichtendiensten eine
     hohe Professionalität zu unterstellen, die ein Entdecken der
     Ausspähungen erschwert. Zum anderen ist das Anzeigeverhalten der
     betroffenen Unternehmen schwach ausgeprägt, da diese Imageverluste
     befürchten, welche durch ein medienwirksames Aufdecken von
     Spionagefällen entstehen könnten. Die für die Spionageabwehr
     zuständigen Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern arbeiten
     eng und gut mit der Wirtschaft zusammen.

     DIE WELT: Das tun auch Mafiagruppierungen, die mit großem technischem
     Aufwand versuchen, ihren Nachrichtenverkehr vor den Behörden
     abzuschotten. Also rosige Zeiten für die Gangsternetze?

     Schily: Die Polizei verzeichnet durchaus beachtliche Erfolge bei der
     Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet. Ermittlungsbehörden
     müssen generell alle Wege überwachen können, über die Kriminelle
     kommunizieren. Aus der Telefonüberwachung haben wir wichtige
     Erkenntnisse über die Organisation von Terrorgruppen gewonnen. Deshalb
     prüfen die Polizeien in Bund und Ländern regelmäßig, welche
     rechtlichen und technischen Voraussetzungen zur Kontrolle moderner
     Kommunikationstechnik zu kriminellen Zwecken nötig sind.

     Soweit eine Kontrolle kryptierter krimineller Kommunikation aus
     technischen Gründen nicht möglich ist, müssen wir die Kontrolle an der
     Schnittstelle zur virtuellen Kommunikation, also bei der Eingabe in
     den Rechner, ansetzen.

     Artikel erschienen am 20. Jan 2004

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