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[infowar.de] He's Wounded -- Hit Him! Tagung der DPuK zur Kriegsberichterstattung



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/med/16809/1.html 

He's Wounded -- Hit Him!

Stefan Krempl   23.02.2004 

Medien und globale Konflikte: Gefangen zwischen Militainment, 
interkulturellen Störfällen, Propaganda, Selbstzensur und 
-beweihräucherung 

Anfang Januar waren auf dem US-Sender  ABC [1] erstaunliche Bilder zu 
sehen [2]: Die Zuschauer wurden nachträglich Zeugen eines Vorfalls von 
Anfang Dezember, in dessen Verlauf amerikanische Soldaten aus einem 
Apache-Hubschrauber heraus des Nächtens kaltblütig drei Iraker auf 
einem Feld nördlich von Bagdad abknallten. Rechtfertigung: Die 
Erschossenen hätten ihre vermutlich mitgeführten Waffen "im Geiste" zu 
tödlichen Zwecken benutzen können. Reaktion in den restlichen 
amerikanischen Massenmedien auf das Video aus dem Helikopter: 
Fehlanzeige. 

Für  Bernhard Debatin [3], Professor an der E.W. Scripps School of 
Journalisms an der Ohio University in Athens, steht der gescheiterte 
Versuch der Platzierung eines heiklen Themas beispielhaft für ein 
Muster der Kriegsberichterstattung in den USA nach dem 11. September. 
Rund zehn Millionen US-Zuschauer hätten das "Dokument eines 
Kriegsverbrechens" vor Augen geführt bekommen. Schließlich hätten sich 
die Iraker in keiner Weise in kriegerischer Hinsicht verhalten und sich 
außer dem Mitführen eines "zylinderförmigen Gegenstands" zunächst 
nichts zuschulden kommen lassen. Zudem sei dem Schützen nach einer 
Diskussion über das weitere Schicksal eines zunächst "nur" als 
angeschossen gemeldeten Arabers ("He's wounded") der deutliche Befehl 
erteilt worden: "Hit him". Eine solche Tötung Verwundeter verstoße klar 
gegen die Genfer Konvention. Doch selbst in kritisch gedachten 
Beiträgen würden derlei schockierende Vorgänge so präsentiert, dass sie 
letztlich aus der amerikanischen Perspektive als gerechtfertigt 
dastehen würden. 

Die Vorführung des Videos, das inzwischen vor allem auf den Angeboten 
rechter Militär- und Game-Freaks in den USA  kursiert [4], sei 
eingebettet gewesen in den für das US-Fernsehen momentan so typischen 
Diskurs von Ex-Generälen und Pentagon-Experten, so Debatin. Diese 
hätten im Rahmen der von Washington vorgelegten "Rules of Engagement", 
die das gnadenlose und präemptive Vorgehen gegen irakische 
Widerstandskämpfer doktrinär festschreiben, die nächtliche 
Blutrauschaktion als berechtigten Eingriff bezeichnet. Kennzeichnend 
seien für den televisionären Kriegsdiskurs jenseits des Atlantiks neben 
der Einbeziehung der regierungsnahen Propagandaindustrie die fehlende 
Kontextualisierung von Ereignissen sowie die Ausblendung kritischer 
Stimmen und ethischer Fragen. 

Totschlagargument Verschwörungstheorie 

Diese gerade im Hinblick auf die Kriegsberichterstattung zu stellen, 
hatte sich die Tagung  Medien und globale Konflikte [5] der Deutschen 
Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) in 
Verbindung mit dem Treffen des  Netzwerk Medienethik [6] Ende 
vergangener Woche in München zum Ziel gesetzt. Debatin führte dort auch 
den von den Mainstream-Medien in den USA unter den Teppich gekehrten 
Protest der "Wütenden Witwen" (vgl.  Witwe verklagt die 
Bush-Regierung [7]) der 9-11-Opfer als weiteres Beispiel für die nach 
wie vor andauernde patriotische Selbstzensur zahlreicher Sender und 
Magazine an. 

"Es gibt eine offizielle Version vom 11. September und vom Irak-Krieg, 
die in den Massenmedien wiedergegeben wird. Alles andere wird 
Diskurs-unmöglich gemacht", folgerte Debatin. Und zwar mit dem 
stereotypen Verweis, dass es sich um "Verschwörungstheorien" handle. 
Mit diesem Totschlagargument sei "auch berechtigte Kritik" rasch 
erledigt. Die Funktion der eine gewisse Distanz zu den Dingen 
einnehmenden Ironie sei dem US-Journalismus dagegen verloren gegangen. 

Medien als Urheber von Kriegen? 

Heiß diskutiert wurde die Frage, inwieweit die Propaganda-Anfälligkeit 
der Massenmedien auch eine klare Urheberschaft an Konflikten nach sich 
zieht. Horst Pöttker, Professor am Institut für Journalistik der 
 Universität Dortmund [8], war zu dieser These anhand seiner 
historischen Betrachtung der Kriegsberichterstattung gelangt. Einzelne 
Reporter würden Kriege rein auf der subjektiven Sphäre betrachtet zwar 
nicht hervorbringen, führte er aus. Aber eine solche Verantwortung sei 
durchaus "für Zusammenhänge und ganze Kriege vorstellbar." 

Pöttker erinnerte an Einzelvorfälle wie den eines Jugendlichen in 
Sarajewo, der sich beim Erschießen bewusst habe filmen lassen, sowie an 
palästinensische Selbstmordattentäter, die ebenfalls die Nähe zur 
Kamera immer wieder gesucht hätten. Den meisten anwesenden Forschern 
war die Urheberschaftstheorie aber doch zu pauschal, da sie letztlich 
allgemein auf konstitutive Bedingungen des Mediensystems abziele. 

Aufschlussreicher waren Versuche, interkulturelle Störfälle zwischen 
dem amerikanischen Medien- und Politiksystem auf der einen und dem 
arabischen sowie dem deutschen auf der anderen Seite zu erklären. So 
arbeitete  Oliver Hahn [9] vom Dortmunder Journalistik-Institut heraus, 
dass die häufig beschriebenen Gegensätze zwischen der Berichterstattung 
bei al Dschasira und amerikanischen Nachrichtensendern auch auf 
unterschiedlichen kulturellen Verständnissen von Begriffen wie 
"gezielte Tötungen" beruhen. Arabische Stationen würden 
Selbstmordattentäter beispielsweise pauschal als "shahid" oder 
"shuhada" bezeichnen, was im Westen meist als "Märtyrer" mit allen 
Konnotationen und somit als eine Verherrlichung der "Terroristen" 
ausgelegt werde, zunächst aber eine neutrale Wortbedeutung in seinem 
ursprünglichen Kulturkreis habe. 

Michael Harnischmacher von der Katholischen Universität 
 Eichstätt-Ingolstadt [10] zeigte ferner anhand der Metapherntheorie 
von George Lakoffs und  Mark Johnsons [11], wie die 
Kompatibilitätsprobleme im transatlantischen Irak-Diskurs gelesen 
werden können: Die US-Administration habe dabei das grundlegende Bild 
eines "strikten Vaters" als Vorstellung des Staats und der 
Staatengemeinschaft in republikanischer Tradition an den Konflikt 
angelegt. Deutschland beispielsweise hätte dagegen die metaphorische 
Basiskonzeption eines Vereins Gleichgesinnter vor Augen gehabt. 
US-Präsident George W. Bush sei es demnach immer um die Bestrafung des 
"abtrünnigen Kinds" Saddam Hussein gegangen, während die 
Bundesregierung auf die Beilegung des Streits um die angeblichen 
Massenvernichtungswaffen des Bagdader Diktators im Rahmen 
internationaler Gremien angestrebt habe. 

Förderung der publizistischen Selbstkontrolle 

Auf einer allgemeineren Ebene ging es auf der Konferenz hauptsächlich 
um das Aufzeigen neuer Wege zur "Qualitätssicherung" und von 
Möglichkeiten zum Ausgleich der konstatierten Defizite der 
Massenmedien. Immer wieder gefordert wurde dabei, dass die Journalisten 
ihre Arbeitsbedingungen und Zensurbestrebungen noch häufiger auch vor 
den Lesern und Zuschauern thematisieren. Doch derlei bereits seit dem 
Kosovo-Krieg bekannte Warnhinweise und andere Formen der gesteigerten 
Selbstthematisierung brächten auch gerade im Fernsehen die Gefahr eines 
"Hangs zur Selbstinszenierung" mit sich, erklärte Meike Vögele von der 
Universität Bamberg. 

Reporter wie  Christoph Maria Fröhder [12] würden sich selbst und ihre 
waghalsigen Einsätze zur Nachricht stilisieren, was zur Attitüde werde 
und als Versuch zur "Entschuldung" des Pressesystems "ohne 
Konsequenzen" gesehen werden könnte. Als durchaus erfolgsversprechend 
bezeichnete Christoph Neuberger vom Institut für 
Kommunikationswissenschaft in  Münster [13] dagegen die Formen der 
öffentlichen Medienkontrolle, die mithilfe von  Warblogs [14] im 
Nachklang des 11. September entstanden seien. 

Um die Qualität medialer Diskurse in Konfliktsituationen zu steigern 
und Fehlleistungen auszugleichen, gründeten die versammelten 
Kommunikationswissenschaftler am Rande der Tagung die  Initiative zur 
Förderung der publizistischen Selbstkontrolle [15]. Sie soll die in 
Deutschland bereits bestehenden Organe der Selbstkontrolle wie den 
 Presserat [16] ergänzen, da diese häufig als "zahnlose Tiger" 
bezeichnet werden. Diese Metapher sei falsch, kritisierte Pöttker, da 
sie den Ruf nach dem Staat laut werden lasse. Stattdessen müsse es aber 
um eine Ausweitung des Diskurses über die Medien gehen, "der 
Öffentlichkeit voraussetzt" und auf Transparenz angelegt sei. Spielraum 
dafür soll die neue Initiative auf Basis einer "festen 
organisatorischen Grundlage" bieten. 

Von  Stefan Krempl [17] ist vor kurzem das  Telepolis-Buch [18] "Krieg 
und Internet: Ausweg aus der Propaganda?" im Verlag Heinz Heise 
erschienen. Der Autor hat zu Themen rund um das Buch das Weblog  Der 
Spindoktor [19] eingerichtet. 

Links 

[1] http://www.abc.com
[2] http://more.abcnews.go.com/sections/wnt/US/apache_video_040109.html
[3] http://oak.cats.ohiou.edu/~debatin
[4] http://www.journalism.co.uk/news/story795.shtml
[5] http://www.uni-leipzig.de/~debatin/dgpuk/kme_jahrestagung.htm
[6] http://www.netzwerk-medienethik.de
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/wtc/16322/1.html
[8] http://www.ifj.fb15.uni-dortmund.de/html/personen/poettker
[9] http://www.brost.org/index.php?text=51
[10] http://www.ku-eichstaett.de
[11] http://www.hausarbeiten.de/rd/faecher/hausarbeit/lin/19559.html
[12] http://www.diegegenwart.de/ausgabe33/froehder.htm
[13] http://egora.uni-muenster.de/ifk/personen/christophneuberger.html
[14] http://www.diegegenwart.de/ausgabe33/warblogs.htm
[15] http://www.spindoktor.de/2004_02_01_archiv.html#107744814406736626
[16] http://www.presserat.de
[17] http://viadrina.euv-frankfurt-o.de/~sk
[18] http://www.heise.de/tp/deutsch/html/buch_12.html
[19] http://www.spindoktor.de

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