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[infowar.de] CIP: Neue Spielregeln für den Kampf gegen den Terrorismus
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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"Durch die Einführung der neuen Kategorie "Critical Infrastructure
Information" (Informationen über kritische Infrastrukturen, kurz CII),
für nicht-öffentlicher Daten kann nun die Öffentlichkeit auch vom
Zugang zu bislang nicht beschränkten Informationen ausgeschlossen
werden."
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/16866/1.html
Neue Spielregeln für den Kampf gegen den Terrorismus
Benedikt Köhler 03.03.2004
In den USA hat das Heimatschutzministerium im Zeichen der
Terrorbekämpfung weitere Möglichkeiten gefunden, der Öffentlichkeit
Zugang zu Informationen zu verwehren
Dass die Anschläge vom 11. September und die sich direkt daran
anschließende Diagnose der nationalen Bedrohung nicht ohne Folgen für
die alltäglichen Freiheiten der US-Bürger bleiben konnten, hatte sich
schon kurze Zeit nach den Terrorakten gezeigt. In der Ära "Post-9/11"
wurden von Jahr zu Jahr Sicherheitsbestimmungen zum Beispiel für
Immigranten, Wissenschaftler oder Hochschüler verschärft, um auf diese
Weise erneute Terroranschläge zu verhindern. Eine weitere Welle der
Einschränkungen, dieses Mal bezogen auf die Geheimhaltung
beziehungsweise Offenlegung von Dokumenten und Akten, ist diesen
Februar über die USA gerollt.
Die Möglichkeiten von Privatpersonen, Einsicht in behördliche Akten zu
gewinnen, regelt in den USA der Freedom of Information Act [1]. Danach
ist jede Bundesbehörde verpflichtet, auf eine schriftliche Anfrage hin
dem Antragsteller die entsprechenden Akten zukommen zu lassen.
Allerdings gibt es auch Ausnahmen von dieser Regel:
Geheiminformationen, strafrechtlich relevante Informationen oder
Informationen, die die Privatsphäre einzelner Personen berühren, müssen
nicht freigegeben werden.
Das Department of Homeland Security [2] hat nun einen Weg gefunden, um
diese vergleichsweise liberalen Bestimmungen stärker einzugrenzen.
Durch die Einführung der neuen Kategorie "Critical Infrastructure
Information" (Informationen über kritische Infrastrukturen, kurz CII),
für nicht-öffentlicher Daten kann nun die Öffentlichkeit auch vom
Zugang zu bislang nicht beschränkten Informationen ausgeschlossen
werden. Oder wie es in den Worten [3] des Departments of Homeland
Security gefasst wird: "Our Nation has one more tool to assist in
protecting our country from terrorist threats.".
Die neue Kategorie der CII betrifft vor allem privatwirtschaftliche
Unternehmen, die damit nun aufgefordert sind, ihr Wissen über kritische
Infrastrukturen mit dem Department zu teilen, so dass die Mitarbeiter
dieser Behörde mit den Daten präzisere Risiko- und Gefährdungsanalysen
durchführen und Schwachstellen in der Infrastruktur herausfinden
können, die dem Angriff von Terroristen ausgesetzt sind.
Mit kritischen Infrastrukturen sind vor allem solche Einrichtungen und
Systeme gemeint, deren Beschädigung eine Bedrohung für nationale
Sicherheit, Gesundheit, Wirtschaft und Lebensart darstellen würde. Dies
ist die Begründung dafür, dass solche Informationen in Zukunft nicht
mehr an die Öffentlichkeit gelangen dürfen, obwohl sie streng genommen
nicht der Geheimhaltung unterliegen.
Mit der Einrichtung des Programms für Protected Critical Infrastructure
Information (geschützte Informationen über kritische Infrastrukturen,
kurz PCII) am 20. Februar 2004 wurden damit eine weitere Maßnahme des
Homeland Security Act von 2002 [4] in die Praxis umgesetzt. Die
Unternehmen mit Zugang zu solchen Informationen können sich nun auf der
Homepage des Department of Homeland Security informieren, wie sie diese
Informationen übermitteln sollten - per Post oder Kurier direkt an die
Murray Lane.
Dieser Teil des Homeland Security Act wird jedoch von Organisationen
wie dem Electronic Privacy Information Center kritisiert. So
vermutete [5] David Sobel schon 2002, dass diese Bestimmungen solchen
Unternehmen, die ihre Bilanzen fälschen, um den Aktienkurs zu retten,
ganz neue Möglichkeiten eröffnen - zum Beispiel die nachlässige Führung
und Wartung von Chemiewerken oder Transportsystemen vor den Augen der
Öffentlichkeit zu verbergen. Auch Joanne Chan von der American
Association for the Advancement of Science widerspricht [6] der
Darstellung des Department of Homeland Security und weist darauf hin,
dass durch die Kategorie der "Critical Infrastructure Information" die
Gefährdung nicht sinken, sondern steigen würde, da nun beispielsweise
die Lage von Gefahrstoffen nicht mehr offengelegt werden muss.
"Sensitive but unclassified"
Eine weitere Innovation im Kampf des Department of Homeland Security
gegen den Terrorismus betrifft die interne Vernetzung der verschiedenen
Informationsquellen. Am 24. Februar hat die Behörde ihre Pläne für das
Homeland Security Information Network [7] bekannt gegeben. Dabei geht
es um ein Netzwerk, mit dessen Hilfe sicherheitsrelevante Daten in
Echtzeit ausgetauscht werden können: zwischen Informationsquellen auf
Bundes- wie auf Landesebene, in den Städten wie auch in ländlichen
Gebieten. Dabei läuft dieser Austausch über das Department of Homeland
Security als zentrale Schaltstelle. Dieses Netzwerk verbindet durch
192bit-verschlüsselte Emails die Terrorbekämpfung in fünfzig Staaten,
fünf Territories, Washington und fünfzig weitere Stadtgebieten
miteinander.
Das Ziel ist es, durch die Vernetzung einer Vielzahl von
Informationsquellen und den Austausch von Indikatoren und Trends neuen
Bedrohungen der nationalen Infrastruktur in kürzester Zeit auf die Spur
zu kommen. Damit dient dieses Projekt der längerfristigen Zielsetzung
des Ministeriums, "mehr Energie auf die Terrorismusbekämpfung zu
richten", zum Beispiel durch eine stärkere Einbindung der "fähigen,
motivierten" Polizisten in den Bundesstaaten und Städten. Die hierbei
auszutauschenden Informationen unterliegen der - ebenfalls neuen -
Klassifikation "sensitive but unclassified" (sensibel, aber nicht
geheim, kurz SBU).
Auch diese Klassifikation entstammt dem gewaltigen Arsenal des Homeland
Security Act und dient dazu, nicht der Geheimhaltung unterliegende
Informationen trotzdem nicht veröffentlichen zu müssen. Diese Kategorie
wurde nach Joanne Chan [8] von George W. Bush dazu verwendet, um über
6.500 vorher frei zugängliche Informationen über die chemische und
biologische Kriegsführung zurückzuziehen mit der daran angeschlossenen
Bitte an wissenschaftliche Zeitschriften, derart Informationen auch in
Zukunft nicht mehr abzudrucken.
Eine klare Definition von "sensitive but unclassified" fehlt jedoch bis
heute - aber genau das scheint den Vorteil dieser Bezeichnung
auszumachen. Dass in der Kontrolle über die Unsicherheit des anderen
eine der wichtigsten Machtquellen liegt, darauf haben schon die
französischen Organisationsforscher Michel Crozier und Erhard Friedberg
1977 in ihrem Buch über "L'acteur et le système" (deutsch "Macht und
Organisation. Die Zwänge kollektiven Handelns", 1979) hingewiesen. Auf
diesen Fall angewandt, kann das bedeuten. Durch das Offenhalten der
genauen Definition dieser Begriffe ist das Department in der Lage, die
eigene Vorhersehbarkeit für den terroristischen Gegner systematisch zu
variieren und ihm dadurch Freiräume zu entziehen. Das neue
Echtzeit-Informationssystem ermöglicht dem Department, diese
Machtressource schnell zu mobilisieren und sowohl den Rahmen als auch
die Spielregeln dieses Spieles in Echtzeit zu manipulieren.
Durch diese Spielstrategie setzen die Terrorismusbekämpfer in den USA
jedoch einen neuen Spielpartner (oder vielleicht besser: -gegner) auf
das Spielfeld: die Zivilgesellschaft einschließlich Teile von
Wirtschaft und Wissenschaft. Welche Folgen das für den weiteren
Fortgang der Partie haben wird, ist allerdings noch nicht abzusehen.
Links
[1] http://www.usdoj.gov/04foia/foiastat.htm
[2] http://www.dhs.gov/
[3] http://www.dhs.gov/dhspublic/display?theme=31&content=3228
[4] http://www.dhs.gov/dhspublic/display?theme=46
[5] http://www.epic.org/security/infowar/07_02_testimony.html
[6] http://www.aaas.org/spp/post911/sbu/
[7] http://www.dhs.gov/dhspublic/theme_home6.jsp
[8] http://www.aaas.org/spp/post911/sbu/
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