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[infowar.de] Kriegsbilder: Rueckkehr im Sarg
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/auf/17263/1.html
Kriegsbilder: Rückkehr im Sarg
Florian Rötzer 22.04.2004
Zuerst gab es die Bilder von den Särgen von im Irak gefallenen
US-Soldaten im Internet, dann erst wagte eine US-Zeitung die
Veröffentlichung
Dass Bilder eine wichtige Rolle in Konflikten und Kriegen spielen, ist
mittlerweile bekannt. Welche Bilder in der globalen Öffentlichkeit
zirkulieren, kann entscheidend sein: nicht in erster Linie für den
militärischen Sieg, aber für den längerfristige Wahrnehmung der Gegner
vor dem Weltpublikum, dessen Sympathien und Hass sich auf den Fortlauf
der Geschichte auswirken. Manchmal aber können Bilder von Ereignissen -
beispielsweise die Fotografien [1] von der Behandlung der
Guantanamo-Gefangenen - auch direkt und nachhaltig die Meinung vieler
Menschen beeinflussen. Schon lange sind daher die wirklichen Kriege
durch Bilderkriege überlagert. Doch mit der Gegebenheit einer globalen
Öffentlichkeit, wie sie vom Internet geschaffen wird, in dem auch
Einzelne Informationen weltweit verbreiten können, spitzt sich das
Thema der Kontrolle über die Bilder zu.
Das Foto aus der Seattles Times
Der Krieg in Afghanistan sowie der Krieg im Irak und die darauf
folgende Besatzung haben die Bedeutung der Bilder und ihre Kontrolle
noch einmal deutlich gemacht. Wer die Bilder kontrolliert und sie wie
das Pentagon im Irak-Krieg mit den eingebetteten Journalisten direkt in
die Massenmedien einspeisen kann, hat einen Vorteil ( Die Mutter aller
Aufmerksamkeitsschlachten [2]). Doch als der Siegeszug gelegentlich ins
Stocken kam und manche vom Pentagon inszenierte Geschichten sich als
nicht wahrheitsgemäß herausstellten, drangen auch andere, von den
Koalitionstruppen und ihren PsyOp-Abteilungen nicht kontrollierte
Bilder stärker durch.
Als Bilder aus Basra von al-Dschasira gesendet wurden, die zeigten,
dass es dort keineswegs wie behauptet, einen Aufstand gab, wurde das
Hotel der Journalisten beschossen [3]. Den nächsten Konflikt gab es
mit den Bildern der gefangenen US-Soldaten ( Krieg der Bilder [4]).
Und dann, im Vormarsch auf Bagdad, gab es nicht nur vom irakischen
Fernsehen, sondern auch von den dort befindlichen Reportern Bilder der
Zerstörungen und zivilen Opfer. Auch hier gerieten schließlich Reporter
ins Schussfeld amerikanischer Soldaten ( Bombenzensur oder
"Kollateralschaden"? [5]). Vor allem die arabischen Sender al-Dschasira
uns al-Arabia wurden immer wieder einmal für den aufflammenden
Widerstand verantwortlich gemacht ( Schwierigkeiten mit der
Pressefreiheit im Irak [6]) und auch beschuldigt, mit den
Aufständischen zu kooperieren ( Medienkrieg im Irak [7]) und falsche
bzw. einseitige Berichte zu senden. Letzte Konflikte gab es bei den
Bildern aus Falludscha, die zeigten, wie Iraker die verbrannten Leichen
der getöteten amerikanischen Sicherheitsleute traktierten ( Triumph
der Grausamkeit [8]) und welche Schäden ( Krieg in den Städten [9])
die Angriffe der Amerikaner in der Stadt bewirkten ( "Falsche
Berichterstattung wird in diesem Land nicht erlaubt" [10]).
Das Pentagon hatte den Irak-Krieg, der einfach zu gewinnen schien,
erstmals als Live-Krieg für die Weltöffentlichkeit an den Bildschirmen
inszeniert ( Der "eingebettete" Reporter [11]). Vor dem Krieg wurden
nicht nur Reporter gewarnt, unabhängig vom Pentagon in den Irak zu
fahren ( Bildbereinigung in den Medien [12]), es wurde auch ein
Befehl [13] an alle US-Stützpunkte gegeben, der Zeremonien und
Berichterstattung über amerikanische Opfer untersagte:
Es wird keine Ankunftszeremonien für verstorbenes Militärpersonal noch
eine Medienberichterstattung über diese geben, wenn sie nach Ramstein
oder Dover zurückkehren oder von dort starten, alle Zwischenaufenthalte
eingeschlossen.
Zudem hat US-Präsident Bush es vermieden, an Begräbnisfeierlichkeiten
von gefallenen Soldaten teilzunehmen, um keine bildnerischen Analogien
zwischen seiner Person und den im Krieg Getöteten herzustellen.
Bislang ist die Strategie weithin aufgegangen. In den amerikanischen
und in den meisten westlichen Medien wurden kaum jemals Bilder der
vielen, teils schrecklich verstümmelten verwundeten US-Soldaten
gezeigt. Während an den Anschlagsorten im Irak zwar verletzte und tote
Iraker in den Medien zu sehen waren, blieben die Opfer unter den
Soldaten der Koalitionstruppen aus dem Bild. Und es gab, wie der Befehl
es verlangte, auch keine Bilder von Särgen, die in die Heimat gebracht
werden.
Zunächst zirkulierten aber letzte Woche bereits Fotos mit Särgen im
Internet. Ohne Kommentar und ohne Quelle. Aber das war sicherlich nicht
der Grund, warum die Mainstreammedien die Fotos nicht aufgegriffen
haben, während beispielsweise Websites wie der Drudge Report,
spezialisiert auf Skandale und Aufmerksamkeitserzeugung, schnell
übernahmen. Dann aber veröffentlichte [14] die Seattle Times auf der
ersten Seite ein Foto von einem Transportflugzeug, in dessen Laderaum
Sarg an Sarg stand, alle eingehüllt in die amerikanische Flagge - und
erzielte so den von Websites vorbereiteten Durchbruch.
Hunderte von Fotos, die in Flaggen eingehüllte Särge mit toten
Soldaten aus dem Irak zeigen, sind im Internet gelandet. Das Pentagon
versuchte, alle Bilder von Toten zu verhindern, die am
Luftwaffenstützpunkt Dover in Delaware, wo sich die größte Leichenhalle
des Verteidigungsministeriums befindet, ankommen. Aber im
Internetzeitalter zirkulieren Informationen und Bilder ohne Respekt vor
Regierungserlassen.
Matt Drudge [15]
Als Reaktion wurde nun Tami Silicio, die Frau, die das Foto, das von
Seattle Times veröffentlicht wurde, in Kuwait gemacht hatte,
entlassen [16]. Sie war eine Angestellte von Maytag Aircraft Corp. Und
für das Be- und Entladen von Flugzeugen zuständig. Zugleich wurde auch
ihr Mann, der dieselbe Tätigkeit in dem Unternehmen ausführte, ohne
Angabe von Gründen gefeuert. Die Firma gab lediglich bekannt, dass
Silicio Vorschriften des Unternehmens und der Regierung verletzt. Sie
selbst sagt, sie habe das Foto nur weiter gereicht, damit die
Angehörigen der Getöteten sehen, dass deren Leichen mit Respekt
behandelt würden.
Ganz in dem Sinne hatte die Seattle Times ihren Artikel aufgemacht (The
somber task of honoring the fallen), wobei allerdings darauf
hingewiesen wurde, dass jetzt mehr und mehr Särge vom Irak über Kuwait
nach Ramstein und schließlich nach Dover transportiert werden müssen.
In einem begleitenden Kommentar [17] hatte Chefredakteur Mike Fancher
erklärt, dass man zuerst versucht hat, einen Kontext für das
beeindruckende Foto vor seiner Veröffentlichung herzustellen, das der
Redaktion zugegangen ist. Es könne zwar manchen als
Antikriegs-Statement erscheinen, aber das sei weder Intention der Times
noch die von Silicio. Nun ja, man musste sich auf jeden Fall vor Kritik
absichern, die so sicher kommen musste, wie das Amen nach Gebet.
Ankunft in Dover
Die Times schob aufgrund der Entlassung noch einmal einen Kommentar
nach: Firing holds a message about war [18]. Noch einmal wird
bestätigt, dass Times und Silicio keine Kritik an Bush und seinem Krieg
üben wollte. Die Entlassung habe aber das Recht von Silicion in Frage
gestellt, die Gefallenen zu ehren, aber auch das der Öffentlichkeit,
diese Bilder zu sehen. Große Vorsicht waltet, irgendwie scheint dann
doch diese die letzte Botschaft zu sein:
Und die Botschaft in diesem Bild? Dass die Regierung es vorziehen
würde, dass dieses immer weiter wachsende Kapitel des Kriegs geheim
bleibt.
Aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes konnte die Website The
Memory Hole [19] einige hundert Fotografien vom Pentagon erhalten, die
Ankunft der Flugzeuge mit den Särgen in Dover zeigen. Noch sind die
schrecklicheren Bilder geheim. Es gibt sie bereits im Internet.
Bilder [20] etwa von den verstümmelten Soldaten, die im Dunklen
bleiben sollen.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/13573/1.html
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/14502/1.html
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14518/1.html
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/14455/1.html
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14562/1.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/16169/1.html
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/16177/1.html
[8] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/17095/1.html
[9] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/17159/1.html
[10] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/17214/1.html
[11] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14277/1.html
[12] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/14399/1.html
[13]
http://www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn/A55816-2003Oct20?language=print
er
[14]
http://seattletimes.nwsource.com/html/nationworld/2001906489_kuwait18m.h
tml
[15] http://drudgereport.com/dover.htm
[16]
http://www.boston.com/dailynews/113/nation/Woman_fired_by_military_contr
a:.shtml
[17]
http://seattletimes.nwsource.com/html/localnews/2001906354_fancher18.htm
l
[18]
http://seattletimes.nwsource.com/html/localnews/2001909585_brodeur22m.ht
ml
[19] http://www.thememoryhole.org/
[20]
http://www.interventionmag.com/cms/modules.php?op=modload&name=News&file
=article&sid=654
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