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[infowar.de] Irak: Informations-Blackout in Nadschaf verhängt
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/18133/1.html
Alle Journalisten raus hier!
Thomas Pany 17.08.2004
Irak: Informations-Blackout in Nadschaf verhängt
Der Satz, mit dem der damalige Regierungsrat im April diesen Jahres ein
"Berufsverbot" von al-Dschasira im Irak durchsetzen wollte, hat seine
Gültigkeit nicht verloren: "Falsche Berichterstattung wird in diesem
Land nicht erlaubt" [1]. Anfang August wurde dem Sender Al-Dschasira
für die Dauer eines Monats die Berichterstattung vor Ort im Irak
verboten; am Sonntag wurden sämtliche Journalisten in Nadschaf (vgl.
Showdown im "Tal des Friedens" [2]) unter massiven Drohungen [3] dazu
aufgefordert, die Stadt zu verlassen.
Mit gezielten Schüssen auf das Hotel, in dem der Großteil der
Journalisten in Nadschaf untergebracht waren, sollen die irakischen
Sicherheitskräfte laut einem Bericht [4] der englischen Zeitung
Telegraph ihrem zweiten Ultimatum wirksamen Nachdruck verliehen haben:
während man das erste noch weitgehend ignorierte, verließen die meisten
Journalisten die Stadt vor Ablauf des zweiten Ultimatums, das zum
Nachmittag angesetzt war.
"Wenn Sie bis zur Deadline die Stadt nicht verlassen haben, schießen
wir", hieß es nach der zweiten Aufforderung. Der Ankündigung folgten
die Schüsse aufs Hotel ? eine Praxis, die nicht neu ist im Irak, man
erinnert sich an den Beschuss des Hotels, in dem
al-Dschasira-Mitarbeiter in Bagdad untergebracht waren, zu Anfang des
Irakkrieges.
Noch am selben Tag protestierte [5] die Organisation "Reporter ohne
Grenzen" gegen den "Informations-Black-out ohne Vorläufer im Irak":
Die Präsenz von Journalisten vor Ort ist unverzichtbar, denn die
schlimmsten Grausamkeiten werden immer in der Abwesenheit von Zeugen
ausgeführt. Es muss den Reportern selbst überlassen bleiben, darüber zu
urteilen, ob sie aus Sicherheitsgründen abreisen sollen.
Robert Ménard, Generalsekretär von "Reporter sans Frontières"
Die Schwierigkeiten mit der Pressefreiheit im Irak [6] begleiten das
US-geführte "Unternehmen zur Demokratisierung des Irak" seit den
Anfängen, die Argumente gegen die freie Berichterstattung werden
beharrlich wiederholt. Zunächst werden Bedenken wegen der Sicherheit
der Journalisten vorgeschoben (und wie es dieser Fall dokumentiert, mit
ein paar pfeifenden Kugeln "unterlegt"), später werden dann ? mehr oder
weniger verhohlen - die wahren Gründe nachgereicht: "einseitige"
Berichterstattung:
Wir wissen, dass Sie neutrale Journalisten sind ? trotz des Faktums,
dass Sie nicht über die bösen Aktionen der Leute von as-Sadr berichten,
als diese unschuldigen Menschen die Köpfe abschlugen und sie
verbrannten...Die Medien verstärken die Unterstützung dieser Miliz und
ermutigen sie dazu weiterzukämpfen und verleihen ihr ein falsches
Image, das die Kriminellen als Helden und Nation builders zeigt.
Ghalab al-Dschasairi, Chef der Polizei in Nadschaf
In einer simplen und vorhersehbaren Weise tritt dann genau das
Gegenteil dessen ein, was von offizieller Seite gewünscht wird: der
Populist Muqtata as-Sadr, um eine gute Presse bemüht, wie der Fall des
von ihm unter merkwürdigen Umständen [7] freigelassenen englischen
Journalisten James Brandon zeigt, verfügt über das weitaus bessere
Verhältnis zu den Reportern:
Journalisten, die im Irak arbeiten, haben lange mit der Gefahr gelebt,
von Aufständischen, die gegen die US-geführten Truppen und irakische
Alliierte kämpfen, gezielt angegriffen zu werden. Aber in Nadschaf hat
sich die Rollenverteilung abrupt verkehrt: Jetzt bedroht die irakische
Polizei die Journalisten und die Aufständischen heißen sie willkommen.
Adrian Blomfield, Telegraph
Naturgemäß nähren solche Aktionen gegen die Journalisten allgemein und
insbesondere gegen Al-Dschasira, dessen Vor-Ort-Berichterstattung die
"Konkurrenz" des amerikanisch gesponsorten TV-Senders al-Hurrah weit
hinter sich lässt (vgl. Die Wahrheit im Morgenland [8]), den
naheliegenden Verdacht, dass die Amerikaner und Allawi die Presse in
Nadschaf fürchten müssen, konkret: weil es wahrscheinlich doch
amerikanische Verbände sein werden, die, wenn die derzeitigen
Verhandlungen zwischen Abgeordneten der Nationalkonferenz und den
Sadristen scheitern, die militärische Hauptarbeit übernehmen werden und
den heiligen Schrein in Nadschaf stürmen, was unabsehbare Folgen hätte,
wenn dies bekannt würde. Bislang heißt es, dass ein solch prekäres
militärisches Vorgehen allein irakischen Verbänden vorbehalten sei.
Unterstützer von Muqtada as-Sadr im Hof des Imam-Ali-Schreins in
Nadschaf
Besonders besorgniserregend ist das Presseverbot nach Ansicht [9] der
Direktorin der Human Rights Watch-Organisation im Mittleren Osten und
Nordafrika für die Zivilbevölkerung in Nadschaf:
Das Verbot lässt befürchten, dass die Kämpfer ihre Verpflichtungen zum
Schutz der Zivilbevölkerung ignorieren.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/17214/1.html
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/18108/1.html
[3]
http://www.telegraph.co.uk/news/main.jhtml?xml=/news/2004/08/16/wirq216.
xml&sSheet=/news/2004/08/16/ixnewstop.html
[4]
http://www.telegraph.co.uk/news/main.jhtml?xml=/news/2004/08/16/wirq216.
xml&sSheet=/news/2004/08/16/ixnewstop.html
[5] http://www.rsf.org/article.php3?id_article=11138
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/16169/1.html
[7] http://news.independent.co.uk/uk/media/story.jsp?story=551878
[8] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ost/18081/1.html
[9] http://
english.aljazeera.net/NR/exeres/D628E03D-06FA-439A-BBD9-EFAE1A7B413C.htm
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