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[infowar.de] Zypries stoppt ihren Großen Lauschangriff
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Die Heise-Meldung dazu:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/50806
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,317245,00.html
09. September 2004
JUSTIZ
Zypries stoppt ihren Großen Lauschangriff
Von Julia Albrecht und Matthias Gebauer
Wende im Streit über ein neues Gesetz zum Großen Lauschangriff:
Justizministerin Zypries will nach Informationen von SPIEGEL ONLINE
endgültig darauf verzichten, Berufsgeheimnisträger wie Journalisten,
Ärzte oder Anwälte abhören zu lassen. Zuvor hatte es in den
Koalitionsfraktionen erheblichen Widerstand gegen die Novelle gegeben.
Berlin - Berufsgeheimnisträger wie Journalisten, Anwälte, Ärzte,
Priester oder Hebammen sollen auch in Zukunft nicht in ihren vier Wänden
von der Polizei abgehört werden dürfen. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE
bestätigte die Sprecherin des Bundesjustizministeriums (BMJ), Eva
Schmierer, dass in der neuen Fassung eines Gesetzentwurfs zum Großen
Lauschangriff die bisher geltende Regelung für die betroffenen
Berufsgruppen aufrechterhalten wird. Faktisch bedeutet das: Das Abhören
von Berufsgeheimnisträgern bleibt "unzulässig".
Der neue Gesetzentwurf aus dem Hause von Brigitte Zypries könnte einen
langen Streit beenden. Erst im Juni dieses Jahres hatte die Ministerin
einen Entwurf vorgelegt, der das Abhören der bisher geschützten
Berufsgruppen unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen sollte.
Nachdem sowohl ihre roten Fraktionsgenossen wie auch die Grünen
erhebliche rechtspolitische Bedenken angemeldet hatten, nahm die
Ministerin den Entwurf spontan zurück und kündigte eine neue Fassung an.
Diese legte sie am vergangenen Freitag vor. Und auch sie enthielt, zum
Erstaunen mancher, eine Abhörmöglichkeit für Berufsgeheimnisträger. Ihr
jetziges Einlenken ist das Ergebnis intensiver Gespräche zwischen
Justizministerium und den Rechtspolitikern der Regierungskoalition. In
der Version vom Freitag, die SPIEGEL ONLINE vorliegt, versteckte sich
der Teufel im Detailgewusel von Verweisen. So lautete Paragraph 100c
Absatz 8: "Absatz 4 Satz 1, Absatz 5 und 6 Satz 1 gelten entsprechend,
soweit über Absatz 7 hinaus Äußerungen betroffen sind, über die nach §
53 das Zeugnis verweigert werden darf".
Was sich für den Laien völlig unverständlich anhört und auch für den
Juristen nur schwer durchdringbar ist, sollte in der Ermittler-Realität
Folgendes bedeuten: Lauschangriffe auf Berufsgeheimnisträger sollten
grundsätzlich möglich werden. Allerdings hätten die Fahnder die
Bandgeräte immer dann anhalten müssen, wenn beispielsweise der Anwalt
ein Mandantengespräch führt, die Journalistin mit einem wichtigen
Informanten redet oder die Ärztin ein persönliches Patientengespräch
führt.
Wenn hingegen übers Wetter oder übers Hobby geplauscht, über Literatur
oder anderes Beiwerk gesprochen wird, sollte mitgehört werden dürfen.
Damit die Fahnder möglichst wenig Fehler beim Mithören machen, waren sie
gehalten, so steht es in der Begründung zu der unterdessen obsoleten
Vorschrift, durch "Vorermittlungen abzuklären, ob Gefahr besteht", dass
geschützte Gespräche betroffen sein werden.
Für die Rechtspolitiker der Fraktionen erschloss sich schnell, dass auch
im neuen Paragraphengewirr aus dem Zypries-Ministerium die
Abhörmöglichkeiten enthalten waren, wegen der der erste Gesetzentwurf
abgelehnt worden war. Deshalb protestierten die Rechtspolitiker in einer
Vielzahl von Gesprächen mit dem Ministerium. Wegen der Brisanz der
Verhandlungen wollten sich die involvierten Politiker jedoch nicht
öffentlich äußern.
Kurz bevor das Ministerium einlenkte, äußerte der SPD-Rechtspolitiker
Hermann Bachmaier auf Nachfrage gegenüber SPIEGEL ONLINE: "Die
Rechtspolitiker von SPD und Grünen sind einhellig der Auffassung, dass
es in Sachen Berufsgeheimnisträger bei dem jetzigen Stand bleiben soll."
Bei all der Aufregung und der harten Kritik an dem Vorgehen des
Bundesjustizministeriums kam jedes Lob zu kurz. Immerhin hatte Zypries
den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts vom März dieses Jahres, das
Recht zum Großen Lauschangriff umzuschreiben und in eine
verfassungsgemäße Form zu gießen, größtenteils kompetent und zügig
umgesetzt. Ihr Ausscheren bei den Berufsgeheimnisträgern war ihr vor
allem auch deshalb übel genommen worden, weil diese Verschärfung ganz
ohne Not versucht worden war - ohne dass das Bundesverfassungsgericht
sie angemahnt hätte.
Auch hinsichtlich einer anderen Vorschrift, die ebenfalls schon in der
Juni-Version für Aufregung gesorgt hatte, gibt es
Meinungsverscheidenheiten. Das BMJ hatte nämlich und hat noch immer den
Strafrahmen für Hintermänner und Rädelsführer krimineller Vereinigungen
kurzerhand und ohne inhaltliche Begründung erheblich angehoben, um sie
abhörfähig zu machen. Insbesondere die Grünen wollen auch diese
Verschärfung verhindern.
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