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[infowar.de] Verdeckte Propaganda
http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21056/1.html
Verdeckte Propaganda
Florian Rötzer 02.10.2005
Während in Deutschland der Innenminister an der Pressefreiheit rüttelt,
versucht die Bush-Regierung mit der Produktion von Nachrichten oder der
gezielten Freigabe von Informationen die Öffentlichkeit zu täuschen und
ist damit ins Schleudern geraten
Nicht nur in Deutschland hat die Regierung Schwierigkeiten mit der Presse
und mit der Pressefreiheit. Noch-Bundesinnenminister Schily unterhöhlt die
Pressefreiheit und hat eine Hausdurchsuchung bei dem Cicero-Journalisten
Bruno Schirra unter der Anschuldigung der Beihilfe zum Geheimnisverrat
durchgeführt. Schrirra hatte Informationen aus einem ihm zugespielten
BKA-Bericht in einem Artikel über al-Sarkawi verwendet. Schily will so die
undichte Stelle herausfinden und bedroht damit die kritische
Berichterstattung ( Pressefreiheit: Die Hemmschwelle sinkt (1)). Die
Bush-Regierung sieht sich hingegen gleich in zwei Fällen in der Klemme.
Sie betreffen allerdings - gerade umgekehrt - Praktiken der Propaganda
oder der Beeinflussung der öffentlichen Meinung, die schief gelaufen sind.
Im ersten Fall hat nun plötzlich aus noch nicht näher bekannten Gründen
(2) die bei der New York Times arbeitende Journalistin Judith Miller ihr
rätselhaftes (3) Schweigen gebrochen und ist so nach 85 Tagen aus der
Beugehaft entlassen worden.
Dabei ging es um die Untersuchung, welche Quelle hinter der Enttarnung der
CIA-Mitarbeiterin Valerie Plame stand. Sie ist die Frau des
Ex-Botschafters Joseph Wilson. Dieser hatte die Bush-Regierung vor dem
Irak-Krieg in Bedrängnis gebracht, weil er die auch von US-Präsident in
seiner "Rede an die Nation" (Januar 2003) geäußerte (4) und von Cheneys
Office of Special Plans (5)) verbreitete Anschuldigung, Hussein habe
versucht, sich waffenfähiges Uran aus dem Niger zu beschaffen, als Fake
widerlegte ( "Macbeth" und die gefälschten Niger-Dokumente (6)). Wilson
war im Auftrag der CIA 2002 deswegen in den Niger gereist. Vermutlich weil
es dem Weißen Haus mitten in der Kriegsvorbereitung nicht passte, gab man
vor, von seiner Widerlegung nie etwas gehört zu haben.
Wilson beschrieb in einem Artikel für die New York Times im Juli 2003, wie
er in den Niger geschickt wurde und schnell die Behauptung als
unglaubwürdig entkräftete. Kurz darauf erschien ein Artikel des
rechtsgerichteten "Washington Post"-Kolumnisten Robert Novak, der wiederum
die Behauptungen von Wilson in Frage stellte und unter Berufung auf
Quellen im Weißen Haus Valerie Plame als CIA-Agentin enttarnte, die ihren
Mann angeblich selbst in den Niger gesandt habe. Allgemein wurde diese
Enttarnung als gezielter Akt des Weißen Hauses gegen den unbotmäßigen
Ex-Botschafter gesehen. Die Aufdeckung der Identität eines
Geheimdienstmitarbeiters ist in den USA allerdings ein Straftatbestand.
US-Präsident Bush versprach, in Bedrängnis geraten, sozusagen rückhaltlose
Offenlegung. Novak selbst wurde bislang nicht weiter behelligt. Ein
anderer Journalist, Mathew Cooper von der Los Angeles Times, hatte,
nachdem er von Karl Rove, dem einflussreichen Berater von Präsident Bush,
die Erlaubnis erhalten hatte, bereits dem Sonderermittler diesen als
Quelle genannt ( Der Zauberer von Bush (7)).
Während Cooper so nicht in das Gefängnis musste, Nowak aus unbekanntem
Grund gar nicht vor Gericht erscheinen musste, beschloss Judith Miller,
obgleich sie gar keinen Artikel darüber veröffentlicht, sondern nur über
den Fall recherchiert hatte, angeblich zum Schutz ihres Informanten die
Beugehaft auf sich zu nehmen. Sie sagte nun dem Gericht, ihr Informant
sei Lewis Libby, Vizepräsident Cheneys Stabschef, gewesen, der eben auch
das "Office of Special Plans" im Auftrag von Cheney eingerichtet hat, um
die "Informationen" über irakische Massenvernichtungswaffen zu schaffen,
die von den Geheimdiensten nicht geliefert wurden. Miller erklärte zwar,
dass sie erst jetzt die Zustimmung von Libby erhalten habe, seinen Namen
zu nennen, ihre Rechtsanwälte behaupten aber, Libby habe das schon vor
geraumer Zeit gemacht. So ist unklar, warum sie so lange in Beugehaft
geblieben ist, angeblich auch zur Demonstration, wie wichtig es für die
Medien ist, ihre Quellen zu schützen. Jetzt kann man jedenfalls gespannt
darauf sein, ob tatsächlich einer der beiden oder beide Männer, die
Schlüsselfiguren der Bush-Regierung sind, bestraft werden und/oder ob Bush
sein Versprechen wahr macht, den Schuldigen zumindest zu entlassen.
Misstrauisch wird das Verhalten von Judith Miller in den USA auch deswegen
betrachtet, weil sie vor dem Irak-Krieg derart unkritisch und geradezu als
Sprecherin der US-Regierung über die angeblich im Irak vorhandenen
Massenvernichtungswaffen berichtet hatte. Die New York Times entschuldigte
sich deswegen gar nachträglich bei ihren Lesern ( Seltene Selbstanzeige (8)).
Täuschung der Öffentlichkeit
Aber es gibt auch noch einen anderen Fall, der zwar bereits zu Beginn des
Jahres bekannt wurde, aber nun noch einmal vom Government Accountability
Office in einer Entscheidung (9) scharf gerügt wurde. Dabei geht es
darum, dass das Erziehungsministerium gesetzeswidrig einen Journalisten,
den bekannten schwarzen Kommentator Armstrong Williams, dafür mit
Steuergeldern bezahlt hat, in Fernsehsendungen und in Zeitschriftenartikel
auf das von der Bush-Regierung aufgelegte Programm No Child Left Behind
Act (10) hinzuweisen und es anzupreisen. Das Erziehungsministerium hatte
auch Zeitschriften fertige Artikel und Sendern Filme zur Verfügung
gestellt, in denen nicht erwähnt wurde, dass sie im Auftrag des
Ministeriums entstanden sind. Überdies wurde die Werbeagentur Ketchum
beauftragt, die Medienrezeption der republikanischen Partei zu beobachten.
Ketchum hatte Williams in einem Untervertrag für seine Propagandatätigkeit
verpflichtet. Insgesamt wurden für diese drei Fälle 240.000 US-Dollar
ausgegeben.
In der GAO-Entscheidung heißt es nun, das Ministerium habe das Verbot
staatlicher Propaganda verletzt und verbotene "versteckte Propaganda"
betrieben. Gerügt wurde auch die Beauftragung der Werbeagentur, da damit
Steuergelder für Parteiinteressen zweckentfremdet wurden. Nach dem
Bekanntwerden hatte der US-Präsident erklärt, dass man keine Journalisten
mehr bezahlen werde, um die Regierungsaktivitäten zu stärken. Man habe das
auch gar nicht nötig. Im Erziehungsministerium war man jedoch weniger
einsichtig und erklärte, solche Kommentare würden eine "ganz legitime
Verbreitung von Informationen an die Öffentlichkeit" darstellen. Die
Entscheidung des GAO ist zwar eine offizielle Rüge, aber sie geht mit
keiner Strafe einher.
Während das Ministerium mit der Bezahlung eines scheinbar freien
Journalisten und mit der Herstellung von Filmen und Artikeln die
Öffentlichkeit getäuscht hat, so wären zumindest im letzteren Fall aber
auch die Medien zu rügen, die vermutlich aus Kosteneinsparung
vorgefertigte Produkte übernehmen und ihren Lesern/Zuschauern nicht
mitteilen, dass sie von der Regierung stammen. Immerhin handelt es sich
bei den vom GAO gerügten Fällen nur um die Spitze des Eisbergs. Im März
2005 haben Journalisten in der New York Times berichtet (11), dass die
Bush-Regierung während ihrer Regierungszeit Hunderte von Videos
produzieren ließ, die an Sender verteilt und dort auch als "Nachrichten"
oder "Dokumentationen" gesendet wurden. Nach einem Bericht von
demokratischen Kongressabgeordneten wurden in der ersten
Bush-Präsidentschaft insgesamt 254 Millionen US-Dollar für eine solche
"verdeckte Propaganda" ausgegeben, unter Clinton investierte man angeblich
die Hälfte dieser Summe in verdeckte Regierungspropaganda.
LINKS
(1) http://www.telepolis.de/r4/artikel/20/20946/1.html
(2)
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2005/09/30/AR2005093001553.html
(3)
http://www.huffingtonpost.com/jay-rosen/judith-miller-and-her-tim_b_8201.html
(4) http://www.telepolis.de/r4/artikel/14/14067/1.html
(5) http://www.telepolis.de/r4/artikel/16/16746/1.html
(6) http://www.telepolis.de/r4/artikel/15/15269/1.html
(7) http://www.telepolis.de/r4/artikel/20/20519/1.html
(8) http://www.telepolis.de/r4/artikel/17/17521/1.html
(9) http://www.gao.gov/decisions/appro/306349.htm
(10) http://www.ed.gov/nclb/landing.jhtml
(11) http://www.truthout.org/cgi-bin/artman/exec/view.cgi/37/9592
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