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[infowar.de] PsyOp-Methoden
Strategische Kommunikation mit "geprüften wissenschaftlichen Methoden"
Florian Rötzer 06.10.2005
Ein privates britisches Unternehmen bietet Regierungen und Militärs effiziente
PsyOp-Methoden an, Gegner, Öffentlichkeit und Bürger des eigenen Landes zu
manipulieren
Was Werbung für die Unternehmen ist, heißt Propaganda bei staatlichen Instanzen.
In beiden Fällen geht es um die Beeinflussung von Menschen Unterschiede bei
dieser "Kommunikation" bestehen eher darin, wie umfassend eine Botschaft in die
Köpfe der Menschen gehämmert werden soll oder wie trickreich sie verführt werden
können, etwas zu übernehmen oder gar zu kaufen. Nicht ganz verschieden von
Werbung/Propaganda sind so genannte psychologische Operationen,
Informationsoperationen oder die strategische Kommunikation. Hier sollen
Informationen normalerweise im Rahmen von Konflikten zu einer effizienten Waffe
werden, um mit allen Mitteln, einschließlich Fälschung, Manipulation und
Lahmlegung bzw. Zerstörung der Kommunikationskanäle, ein bestimmtes Ziel in der
eigenen Bevölkerung, bei den Gegnern und/oder in der allgemeinen Öffentlichkeit
zu erreichen. Wo rohe Gewalt und Zwang enden, müssen subtilere
Informationswaffen und ?methoden greifen, um die Menschen bei der Stange zu
halten oder zu einem gewünschten Verhalten zu bringen. Das war schon immer
wichtig, ist aber vielleicht heute in einer globalen Infosphäre, in der in
Echtzeit über den Erdball Informationen zirkulieren, wichtiger denn je.
Werbe-, Medien- oder Kommunikations-Agenturen gibt es im Zeitalter der Wissens-
oder Informationsgesellschaft wie Sand am Meer. Und Propaganda wird längst
natürlich nicht mehr nur von autoritären Regimen, sondern weitaus
differenzierter und listiger im Konkurrenzkampf der politischen Parteien in
Demokratien gebraucht und reichlich eingesetzt. Spin-Doktoren oder
Kommunikationsexperten sind in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, um
das eigene Auftreten möglichst wirksam zu inszenieren, Fehler oder Schwächen zu
verstecken oder den Gegner in ein schlechtes Licht zu rücken.
Doch Psy-Op oder strategische Kommunikation hat man bislang noch eher dem
Militär oder den Geheimdiensten zugeordnet. Schließlich ist es für eine
Regierung noch immer nicht opportun, die eigenen Bürger oder die Öffentlichkeit
mit manipulierten Informationen täuschen zu wollen. Die Reaktion auf den
Pentagon-Plan, eine Abteilung für strategische Kommunikation einzurichten, stieß
daher auf große Empörung, was natürlich keineswegs heißen muss, dass man die
Wahrheit sagt. Zwischen Lüge und Wahrheit liegen viele Nuancen, wer nicht ganz
die Wahrheit sagt, ein wenig verdreht oder etwas verschweigt, lügt zwar
vielleicht nicht wirklich, täuscht aber trotzdem mitunter ebenso wirksam.
Verwunderlich ist keineswegs, dass auch die Kampfmittel der strategischen
Kommunikation, dass die Verwendung erprobter, wenn auch in ihrer Effizienz
Waffen zur Manipulation der Massenmeinung- und -emotion mittlerweile vom Trend
des Outsourcing und der Privatisierung erfasst wurden. Gerade in Zeiten eines
ausgerufenen globalen Kriegs gegen den Terrorismus fallen mit der Omnipräsenz
des Gegners und der Ubiquität der Bedrohungen die Schranken, so dass nun auch
eher über das explizit gesprochen werden kann, was man bislang lieber
verschwiegen praktiziert hat.
Auf der letzten Messe für Militärtechnologie in London, der Defense Systems &
Equipment International 2005 (1), trat erstmals eine Firma auf die Bühne, die
strategische Kommunikation als Dienstleistung im Rahmen von Kriegen und von
Konflikten aller Art sowie als Katastrophenbewältigung und Wählermanipulation
anbot. In der Selbstdarstellung ist Strategic Communication Laboratories Ltd.
(2), geleitet vom ehemaligen britischen Verteidigungsminister Sir Geoffrey
Pattie, allerdings stark den üblichen Werbestrategien verhaftet, obgleich man
sich eben von allen anderen Werbeagenturen mit dem vorgeblichen
Alleinstellungsversprechen absetzen will, dass man sich nicht wie diese auf
irrationale "Kreativität", sondern auf "geprüfte wissenschaftliche Methoden"
stütze.
Government-private sector partnership. Finding new ways to harness strategic
communication to the flexibility and creative imagination of the private sector
will be central to successful strategic communication in the 21st century. The
commercial sector has a dominant competitive edge in multi-media production,
opinion and media surveys, information technologies, program evaluation, and
measuring the influence of communications. Academic and research communities
offer vast untapped resources for education, training, area and language
expertise, planning and consultative services.
Schon der im letzten Jahr veröffentlichte Bericht des Defense Science Board
über strategische Kommunikation empfiehlt die Zusammenarbeit mit der
Privatwirtschaft
Beeinflussung von Wahlen, Auflösung von Kriegen und Konflikten, Abwendung von
Streiks, Kontrolle von Menschenmassen ?
Während Werbung sich nur darum bemühe, die Einstellung der Menschen zu ändern
und deren Aufmerksamkeit auf ein Produkt zu erhöhen, sei die von SCL angebotene
strategische Kommunikation sehr viel effizienter. Sie werde nicht daran
gemessen, ob ein Branding besser als das andere ist, sondern strikt nach
"Ergebnissen", wozu beispielsweise das Verhalten bei Wahlen oder das
Sich-Ergeben von Truppen gehöre. Wichtig sei strategische Kommunikation vor
allem "in der Politik, bei militärischen Operationen und humanitären Programmen,
wo die Ergebnisse oft aus dem Unterschied zwischen Leben und Tod bestehen".
Besonders bescheiden ist mal also nicht. Vielleicht hätten Blair und Bush SCL
besser auch im Irak eingesetzt, wo die betriebene strategische Kommunikation
ebenso wenig wie in den USA oder Großbritannien besonders erfolgreich war. Und
wer eine wirkliche Verschwörung in die Tat umsetzen will und über das
entsprechende Geld verfügt, sollte bei SCL wohl auch gut aufgehoben sein.
Für ein von SCL eingerichtetes Zentrum für strategische Kommunikation sind
offenbar viele Bildschirm und Vernetzung wichtig. Bild: Phil Taylor, der Leiter
des virtuellen Behavioural Dynamics Institute
Die Agentur sei 1993 gegründet worden, heißt es auf der Webseite, weil viele
Kunden durch die Anwendung von Werbe- und Vermarktungsmethoden in
nicht-kommerziellen Bereichen wie der "Beeinflussung von Wahlen
(electioneering), der Auflösung von Kriegen und Konflikten, der Abwendung von
Streiks, bei internationalen Krisen und der Kontrolle von Massen (riot
controll)" frustriert worden seien. Man habe 20 fest angestellte Experten und
könne schnell Psy-Op-Teams einsetzen, um beispielsweise Kommunikationszentren
einzurichten. Ein solches hatte SCL auf der Messe vorgestellt (3) und
Simulationen möglicher Interventionen gezeigt. Angeblich habe man in den letzten
12 Jahren schon Projekte für Regierungen, Militärs und internationalen
Organisationen durchgeführt. Näher ausgeführt wird leider nichts, erwähnt wird
nur, dass man auch Wahlkampagnen, politisches Lobbying und demokratische
Reformen betrieben habe. Da wäre man schon neugierig, wo das gewesen sein soll.
Die wissenschaftlichen Methoden, die man in Informationsoperationen und
strategische Kommunikation umsetzt, sollen von einem Behavioural Dynamics
Institute (BDi) stammen, dem angeblich weltweit einzigen Institut seiner Art, in
dem man die führenden Experten finde. Das sei ein virtuelles Institut, geleitet
von Phil Taylor (4), Professor für Internationale Kommunikation an der Leeds
University. Experte ist er denn auch in "Information warfare, psychological
operations, propaganda, International Relations, International Internet
communications". Der ist Autor beispielsweise des Werks: "Munitions of the Mind:
a history of propaganda from the ancient world to the present day".
Seltsamerweise hat nämlich, so liest man erstaunt, eine modische Welle die in
den 60er und 70er Jahren erzielten Erkenntnisse der Verhaltensmanipulation
verdrängt. Sollte man da an die vielen Experimente (5) denken, die im Kalten
Krieg zu dieser Zeit etwa von der CIA, inklusive der "leichten" Foltertechniken
und der Erziehung von Folterern, denken?
Mit dem Computer hätte man sich jedenfalls mehr auf die Erforschung des
Konsumenten ausgerichtet und eine "kreative Methodologie" entwickelt, während
dabei die gezielte Beeinflussung (persuasion) wurde. So seien die einstigen
Experten ausgeschlossen worden und hätten dann das erste wissenschaftliche
Institut für Methoden der strategischen Kommunikation gegründet, die in
Situationen des wirklichen Lebens angewandt, getestet und verbessert werden.
Kaum jemand wird von diesem Institut gehört haben, aber die Devise von SCL, die
sich auch "the Hearts and Minds Agency" nennt, ist denn auch strikte
Geheimhaltung und Vertraulichkeit: "absolutely no information will be made
available under any circumstances". Da tritt man mit seiner Website natürlich
auch nicht mit einer .com-Adresse auf, sondern mit einer .cc-Adresse der Cocos
Islands.
Man wundert sich freilich schon, warum die mit nebulösen, wenig effizienten und
kreativen Methoden arbeitenden Werbeagenturen, nicht doch auf den Bestand der
strategischen Kommunikation zurückgegriffen haben, um erfolgreich zu sein. Zwar
habe man im geheimnisvollen Behavioural Dynamics Institute natürlich die
Methoden verfeinert und weiter entwickelt, aber auch Werbeagenturen und
Unternehmen sollten doch interessiert daran sein, nicht nur die Einstellung der
Menschen zu einem Produkt zu verändern, sondern sie auch möglichst so zu
beeinflussen, dass sie es auch kaufen.
For example, commercial advertising might encourage an audience to hold very
favourable attitudes about a Ferrari, but that does not necessarily lead to all
those with a favourable attitude buying a Ferrari. (Similarly, despite being
very impressed by an advert for nappies, a childless couple won't buy Pampers.)
However, if - for instance - you require a significant number of the electorate
to vote for you, it is far more important to get their vote than it is for them
merely to hold a favourable attitude towards you.
SCL über strategische Kommunikation
Hätten doch nur Schröders und Merkels schon von diesen Möglichkeiten der
Wählersteuerung gewusst, die im fernen Großbritannien unter den Fittichen eines
einstigen Verteidigungsministers ausgebrütet und eingesetzt werden, so hätten
sie das viele Geld für die Wahlwerbung doch besser in die strategische
Kommunikation investiert ? und gewonnen . Und wenn Bush und Blair über die
Möglichkeiten Bescheid gewusst hätten, die ihnen die strategische Kommunikation
nicht von Militärs und Geheimdiensten, sondern von einem Privatunternehmen
bietet, so wären sie womöglich gar nicht in den Irak einmarschiert, sondern
hätten den Sturz Husseins und die geplante arabische Musterdemokratie aus der
Ferne mit einem Kommunikationszentrum bewirkt. Das hätte vielen Menschen das
Leben gerettet. Bei SCL will man das jedenfalls Interessierten weismachen. Fragt
sich nur, ob das kreative Werbungsmethode oder strategische Kommunikation ist?
Ein Zentrum für strategische Kommunikation bringt Einfluss, Kontrolle und
Macht wieder in die Hände der Regierung und des Militärs. Es ist ein
entscheidender Bestandteil für den Heimatschutz, die Konfliktreduzierun,
internationale "public diplomacy" und nicht-vermittelte Regierungskomunikation.
Während der letzten 15 Jahre hat die militärische Verwendung von Psyop Tausende
von Menschenleben auf beiden Seiten militärischer Konflikte gerettet. In Zukunft
können Konflikte auch auf der globalen Medienbühne gelöst werden, so dass
direkte Aktion zu einer unnötigen Taktik wird.
Links
(1) http://www.dsei.co.uk/
(2) http://www.scl.cc/
(3) http://slate.msn.com/id/2126479/
(4) http://ics.leeds.ac.uk/staff/details.cfm?id=18
(5) http://www.telepolis.de/r4/artikel/20/20752/1.html
Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21077/1.html
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