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[infowar.de] Spiegel 07.10.05: Al-Qaida startet Terror-TV



Guten Tag,

soweit ich sehen kann, ging dies noch nicht über die Liste

mfg

GS

http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,druck-378445,00.html


SPIEGEL ONLINE - 07. Oktober 2005, 10:18 Propaganda

Al-Qaida startet Terror-TV

Von Yassin Musharbash

An Terror-Videos hat man sich gewöhnt, jetzt geht al-Qaida einen Schritt weiter: Im Internet bietet das Terrornetzwerk fertige "Nachrichtensendungen" zum Herunterladen an. Die "Stimme des Kalifats" soll wöchentlich erscheinen. Zwei Sendungen gibt es bereits.

Berlin - "Herzlich Willkommen zu Ihrem Programm 'Der wöchentliche Nachrichtenüberblick für die Gemeinschaft der Muslime'": Mit dieser freundlichen Begrüßung beginnt die Sendung. Doch schon das Bild will zu den unverfänglichen Worten nicht passen: Der Nachrichtensprecher trägt Militärkleidung und Maske, neben ihm stehen ein Koran und ein Maschinengewehr auf dem Tisch. Aber dies ist ja auch keine normale Sendung, dies ist al-Qaida-TV: Der neueste Versuch des Terrornetzwerks, den Kreis seiner Sympathisanten auszuweiten.

"Stimme des Kalifats" nennt sich die fertig produzierte Propaganda-Sendung, die seit einigen Tagen auf einschlägigen islamistischen Internetseiten zum Herunterladen bereitgehalten wird. Zwei Ausgaben sind bisher erschienen, jeweils auf Arabisch und eine gute Viertelstunde lang. Beide liegen SPIEGEL ONLINE vor. Der Inhalt: das Weltgeschehen aus Sicht von al-Qaida & Co.

Berichtet wird über Ereignisse aus Palästina, dem Irak und Afghanistan, ebenso, mit reichlich Schadenfreude, über die durch den Hurrikan "Katrina" verursachten Schäden in den USA. Der Wirbelsturm ist für die Produzenten übrigens ein "Soldat Gottes", der mit New Orleans "die Stadt der Homosexuellen" heimgesucht habe.

Die Produzenten der "Stimme des Kalifats" haben sich eine Menge Mühe gegeben, ihre Zuschauer zu beeindrucken und Professionalität sowie Gewissenhaftigkeit zu suggerieren: Es gibt ein Senderlogo, es gibt Untertitel und blinkende Schriftzüge, und - ganz wie bei al-Dschasira oder der "Tagesschau" - oben rechts hinter dem Sprecher einen Kasten mit einem Bild zum gerade besprochenen Thema.

Zwischendurch verabschiedet sich der Sprecher kurz, dann gibt es Einspielfilmchen: Eine mit Musik unterlegte Bilderserie zu einem gerade verurteilten mutmaßlichen Qaida-Helfer ("Möge Gott seine Gefangenschaft beenden"), einen Trailer für einen bald erscheinenden Film ("Totaler Dschihad" von "Mousslim Mouwahhad") und eine Ankündigung für einen Beitrag in der kommenden Sendung: "Eine Ansprache des Generalsekretärs der 'Global Islamic Media Front' an die muslimischen Medien".

Al-Qaida hat sich geöffnet

Die "Global Islamic Media Front" (GIMF) fungiert auch als Produzentin der "Stimme des Kalifats". Dahinter steckt vermutlich ein loses Netzwerk innerhalb des Qaida-Netzwerks, das sich auf Public Relations konzentriert. Experten gehen davon aus, dass neben erfahrenen Qaida-Kämpfern auch nicht im Dschihad erprobte Sympathisanten bei der GIMF eine Rolle spielen. Seit Jahren agiert die Media Front als eine Art Filter im islamistischen Internet: Nur solche Bekennerschreiben und Strategiepapiere, die auch auf der jeweils aktuellen GIMF-Seite erscheinen, seien glaubhaft, versichert die GIMF regelmäßig. Das von ihr publizierte Material stützt diese Behauptung eher, als dass es sie widerlegt - eine Verbindung zum Kern von al-Qaida ist also keineswegs ausgeschlossen.

Ankündigung: "Der totale Dschihad"
Trotzdem ist unklar, ob die beiden Sendungen mit Wissen oder gar auf Anweisung höherer Qaida-Führer hergestellt wurden. Möglicherweise handelt es sich um ein reines Werk der Sympathisantenszene, mit dem sie al-Qaida helfen will, ihre Ideologie noch zielgenauer an den Mann zu bringen. Das Missfallen der Qaida-Führung dürfte die Sendung wohl kaum erregen: Das Netzwerk hat sich seit dem Afghanistankrieg 2001 massiv nach außen geöffnet und seine Anhänger mehrfach gebeten, selbständig aktiv zu werden, gerade im Bereich der Propganda. Die "Stimme des Kalifats" ist damit als der aktuellste Schritt einer Propaganda-Initiative zu betrachten, die 2003 mit der Veröffentlichung mehrerer Online-Magazine begann. Wer wirklich Qaida-Kader ist und wer zum erweiterten Kreis zählt, ist immer schwieriger zu trennen.


Interessanterweise spielt der Qaida-Gründer Osama Bin Laden in den beiden bisher bekannten Ausgaben keine Rolle. Prominent wird dagegen Abu Mussab al-Sarkawi, der Qaida-Statthalter im Irak, behandelt: Auszüge aus gleich zweien seiner Tonbandansprachen werden minutenlang wiedergegeben, unter anderem jene, in der er "den totalen Krieg" gegen die Schiiten im Irak ankündigt. Auch Bulletins anderer Terrororganisationen, die im Irak aktiv sind, wird viel Platz eingeräumt, zum Beispiel von Ansar al-Sunna, der Islamischen Armee, oder der Armee der Mudschahidin. Die Sendungen spiegeln damit einen Trend wider, der sich auf islamistischen Internetseiten schon seit Monaten zeigt: Die irakische Qaida-Filiale kooperiert offenbar stärker als angenommen mit den übrigen Organisationen.

Kein Geld für "Katrina"-Opfer

Immer wieder werden in den Sendungen auch Videos von aktuellen Anschlägen eingespielt: Da wird gezeigt, wie ein mit Sprengstoff präparierter Jeep inmitten von US-Soldaten explodiert oder Dschihadisten unter "Allahu Akbar"-Rufen Raketen abfeuern. Auch Szenen aus Trainingscamps erwarten die Zuschauer: Man sieht Mudschahidin in Uniform, die an Gerüsten entlang hangeln oder Flugrollen über Hindernisse machen. Schon seit Jahren wirbt al-Qaida mit solchen Filmen Nachwuchs an; dass sie jetzt im Internet und fertig zusammengestellt in einer ganzen Sendung zu finden sind, dokumentiert vor allem die Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit.

Die Produzenten preisen ihre Sendung als Gegengewicht zur westlichen Propaganda. Auf einer Montage in der zweiten Folge der "Stimme des Kalifats" sieht man das eigene Logo, wie es sich strahlend über die Embleme von CNN, BBC, al-Dschasira, Reuters und Fox News erhebt. Dass der "zweite Mann" der al-Qaida im Irak verhaftet worden ist, sei eine der "typischen Lügen", die diese Medien verbreiteten, sagt der Sprecher an einer Stelle. Richtig sei, das habe auch der offizielle Qaida-Sprecher erklärt: "Abu Azzam war nichts als ein einfacher Soldat."

"Die Tragödie im Niger"

Am Ende der zweiten Sendung gehen die Produzenten sogar so weit, al-Qaida als eine geradezu humanitäre Organisation darzustellen: Anstatt, wie die Herrscherfamilie der arabischen Golfstaaten, Geld für die Hurrikan-Opfer in den USA zu spenden, solle man lieber einen Blick auf den muslimischen Teil in Niger werfen, fordern sie. "Es scheint, als würde diese Tragödie von der muslimischen Gemeinschaft gar nicht wahrgenommen", sagt der Sprecher, während hungernde Kinder eingeblendet werden.

Im Abspann der Sendung werden vier Namen von Mitwirkenden präsentiert; doch die sprechenden Namen wie "Das Schwert Gottes" oder "Die nahende Morgenröte" lassen keinen Rückschluss auf tatsächliche Personen zu. Ebenso wenig der Sprecher: Er spricht dialektloses Hocharabisch, so dass unklar bleibt, in welcher Region die Redaktion zu verorten ist. Einige Experten glauben, es könnte sich um Exil-Araber im Westen handeln.

Ob dem Terror-TV unter Terrorsympathisanten viel Zuneigung zuteil werden wird, zeichnet sich noch nicht eindeutig ab. Bisher bewegen sich die Download-Zahlen im niedrigen Hunderterbereich; auch die Resonanz in den islamistischen Diskussionsforen ist noch eher verhalten. Aus Sicht eines Terrorsympathisanten haben die Sendungen vor allem einen Vorteil: Er muss sich das Material nicht länger selbst zusammensuchen, die "Stimme des Kalifats" erledigt das für ihn. Auf der anderen Seite gilt zweifellos, dass gerade diejenigen Qaida-Anhänger, die im Netz unterwegs sind, in der Lage sind, alles, was sie suchen, auch alleine schnell zu finden.

Und so bleibt der Eindruck, dass es bei der "Stimme des Kalifats" vor allem um eines geht: Zu demonstrieren, wozu man in der Lage ist - der eigenen Klientel, aber auch dem Feind im Westen.



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