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[infowar.de] Cyberterrorismus ist eine große, schwarze Wolke am Horizont



Cyberterrorismus ist eine große, schwarze Wolke am Horizont 
 09.11.2005
 
 

Interview mit Prof. Gabriel Weimann, Universität
Haifa

http://www.sicherheit-heute.de/index.php?cccpage=readtechnik&set_z_artikel=200

Hackerangriffe auf Computer haben in den letzten Jahren stark zugenommen.
Terroristen könnten diese Hacker anheuern und Züge zusammenstoßen und
Flugzeuge abstürzen lassen. Müssen wir damit zukünftig rechnen?

 

 
Cyberterrorismus ist sicher eine zukünftige Bedrohung und ein absoluter
Alptraum. Wir wissen, dass die Terroristen neue Waffen und neue Arten des
Terrorismus suchen, die mehr Schaden und größere Zahlen von Opfern bewirken.
Deshalb ist Cyberterrorismus vom Standpunkt der Terroristen eine der viel
versprechendsten Wege. Cyberterrorismus ist ein unheimlicher Alptraum, weil
die Terroristen den Computer als Waffe benutzen können. Statt Flugzeuge zu
entführen, können sie ihre  Kontrolle übernehmen oder die Rechnersysteme
sabotieren, die die Flüge, Transportverbindungen, Energieunternehmen,
Kernkraftwerke usw. kontrollieren. Cyberterrrorismus kann riesige Schäden am
Leben und Eigentum verursachen. Westliche Gesellschaften stützen sich für
alles stark auf Rechnersysteme ab, vom Finanzsystem, dem Transportsystem zu
Energiesystemen. Alle hängen von Computern ab, und dies ist tatsächlich eine
Bedrohung, weil technisch geschulte moderne Terroristen diese starke
Abhängigkeit als Angriffsziel nutzen können, das sie in der Zukunft nutzen. 

 

In den letzten 15 Jahren haben wir keinen Cyberterrorismus erlebt.

 

Genau das meinte ich, als ich es als eine potentielle Drohung, eine schwarze
Wolke am Horizont dort draußen, beschrieb. Wir kennen Cyberterrorismus seit
15 Jahren; wir wissen, dass es irgendwo dort draußen lauert. Dennoch ist
Cyberterrorismus noch nicht zu sehen, mehr noch: Die Massenmedien, besonders
die populären Medien neigen dazu, die Begriffe von "Hacking" und
Cyberterrorismus zu verwirren. Wir haben eine gewaltige Zunahme der Anzahl
von Computerangriffen registriert, von Kriminellen, von Hackern, um
Verbrechen zu begehen, zu Zwecken des Diebstahls und natürlich bei den
jungen Hackern rein zum Spaß. Diese Angriffe sind jedoch kein
Cyberterrrorismus und wir bewerten sie nicht als Cyberterrorismus, weil sie
nicht aus politischen Motiven verübt werden und nicht von politischen
Akteuren begangen werden. Terroristengruppen haben deshalb Cyberterrorismus
bisher nicht als Waffe eingesetzt, aber sie benutzen Computer für Zwecke,
die ich "konventionelle Zwecke" nenne.   

 

Warum nutzen sie Cyberterrorismus nicht?

 

Die erste Grund ist, da sie das Internet für ihre Zwecke sehr nützlich
finden, für Propaganda, Geldsammlungen, Schulung usw. Statt dieses Mittel
der Kommunikation anzugreifen, verwenden sie es lieber. Zweitens verlangt es
große Fertigkeit, um einen erfolgreichen Cyberangriff durchzuführen.
Terroristen verwenden jetzt qualifizierte  Computerexperten. Sie verwenden
Leute, die wissen, wie Computer zu handhaben,  Websites zu bauen,
Nachrichten im Internet zu versenden sind. Diese Qualifikation ist aber
nicht genug für Cyberterrorismus, um Infrastruktursysteme anzugreifen, die
von verschiedenen "Schutzwänden" gut geschützt sind und die deshalb einen
höheren   Entwicklungsstand benötigen. Deshalb verfügen Terroristen
gegenwärtig nicht über die richtigen Leute und sie sind auch mit dem, was
sie bisher bekamen, ziemlich erfolgreich, ohne zu den höheren Stufen des 
Cyberterrorismus aufzusteigen.

 

Die Terroristen, sagten Sie, nutzen das Internet  Wofür nutzen sie es?

 

Nun, während wir uns vor dem zukünftigen Einsatz von Cyberterrorismus
fürchten, übersehen wir die gegenwärtige Nutzung des Internet. Sie ist
vielleicht weniger dramatisch, aber sie wird ganz real genutzt. Wir
unterscheiden mindestens acht verschiedene konventionelle Verwendungen. 

 
Die erste  ist psychologischer Krieg, zum Beispiel den Feind mit
Enthauptungen zu schrecken, die Tötung von Soldaten zu zeigen. Zarqawi
verwendet zum Beispiel im Irak das Internet, um einen psychologischen
Angriff im Internet zu starten. Das Zweite ist Werbung und Propaganda,
Nachrichten und Bilder zu verbreiten und eine Anhängerschaft zu gewinnen.
Der dritte Zweck ist Rekrutierung. Sie rekrutieren nicht direkt im Internet.
Sie achten ziemlich genau darauf, dass Leute nicht in ihre Organisation
eingeschleust werden können, aber sie erkennen die potentiellen Bewerber,
die zur Rekrutierung angesprochen werden sollen und zwar gerade durch die
Überwachung von Chat rooms. Sie können ein Profil des aussichtsreichen
Kandidaten zeichnen. Dann gibt es Online-Geldsammelaktionen. Sie beschaffen
sich Geld durch das Internet. In der Vergangenheit gingen sie ganz direkt
vor, aber seit kurzem geben sie nicht mehr die Bankkonten an, wie sie es vor
dem 11. September taten. Aber sie verweisen an Wohltätigkeitsorganisationen 
und manche dieser Organisationen sind völlig von Terroristen kontrolliert,
während andere den Terroristen nur einen Teil ihrer Einkünfte weitergeben. 

 

Sie verwenden das Internet für ihre interne Kommunikation?

 

Sie tun, was ich "Vernetzung" nennen würde: Sie verwenden das Internet, um
unter sich zu kommunizieren, um Taten wie den 11. September zu koordinieren,
Anweisungen zu übermitteln und ihren Angriff tatsächlich abzustimmen. Die
meiste Kommunikation der Terroristen wird jetzt im Internet durch E-Mails
und verschlüsselte Nachrichten und nicht am Telefon übermittelt, weil sie
fürchten, identifiziert und festgenommen zu werden. Dann kommen wir zu einer
sehr praktischen Verwendung und das ist Online-Ausbildung: Handbücher und
Anweisungen, die zeigen, wie Waffen zu verwenden sind, wie man einen Angriff
durchführen, wie man Informationen erhalten kann und dies alles wird online
übermittelt. Die Terroristen treffen sich heute nicht in Trainingslagern,
sondern online in virtuellen Trainingslagern. Eine neue Entwicklung ist das,
was ich interne Diskussionen nennen würde. Sie haben einige
Meinungsverschiedenheiten, ideologische Spaltungen und religiöse
Streitigkeiten und sie führen diese Diskussionen online. Wenn Sie diese
Diskussionen überwachen, finden Sie sehr oft, dass sie das Internet
verwenden, um Argumente zu präsentieren, um Probleme unter sich zu lösen, um
durch  Argumente einen gemeinsamen Boden zu finden und zu versuchen, die
andere Seite zu überzeugen.

 

Lesen Sie das alles?

 

Als wir diese Forschung vor acht Jahren begannen, war sie leicht, weil es
nur zwölf Webseiten von Terroristenorganisationen gab. Heute überwachen wir
über 4.700 Webseiten, die mit  dem Terrorismus und den Unterstützern des
Terrorismus verbunden sind.  
Es ist nicht einfach für eine Person alle Websites zu lesen, weil die
meisten von ihnen verschiedene Sprachen verwenden. Das Problem ist nicht nur
 Arabisch zu lesen. Sie müssen den Dialekt, die Subkulturen, den
Zusammenhang wissen. Wenn Sie eine algerische Webseite lesen können, könnte
es sein, dass Sie nicht in der Lage sind, eine irakische Webseite, einen
syrischen oder einen palästinensischen Dialekt zu lesen. Wir setzen deshalb
Forschungsassistenten ein, die mit diesen Dingen vertraut sind und sich bei
"ihren" Webseiten spezialisieren. Ich hatte Glück, mehrere
Forschungszuschüsse zu erhalten, darunter einer vom amerikanischen Kongress
und damit ein Team von Forschern zu unterhalten, die Webseiten und Chat
rooms überwachen und dem Informationsaustausch folgen.

 

Versuchen die Terroristen auch Kinder zu gewinnen? 

 

Eines der neuen Ziele für Online-Terroristen sind Kinder. Jugendliche und
Kinder nutzen das Internet sehr intensiv. Dies ist ein neuer Trend und in
bestimmter Hinsicht auch erschreckend. Die Terroristen bieten jetzt
Kinder-orientierte Webseiten an, die Computerspiele, Cartoons und
Comic-Darstellungen enthalten. Alles ist sehr gewalttätig und verfolgt den
gleichen Trend: Selbstaufopferung, Tötung des Feindes, Djihad,
Selbstmordterrorismus. Jedoch ist alles für Kinder gemacht und sieht nach
kindlicher graphischer Darstellung, kindlichen Inhalten aus. Dennoch sind
sie gewalttätig, sind sie erschreckend und sie führen Kinder zum Weg des
Terrorismus.

 

Ist das Internet eine Art von "sicherem Hafen" für die Terroristen?

 

Tatsächlich ist das Internet das ideale Mittel, ein Mittel, das ihnen
Anonymität,  leichten Zugang zu riesigem Publikum und leichten Zugang von
überall ermöglicht. Sie können eine Webseite eröffnen und fünf Sekunden
später in die Dunkelheit verschwinden. Sie können es von überall in der Welt
tun. Es gibt keine Art, wie Sie den Inhalt beeinflussen können. Sie können
sie nicht fangen. Wenn sie wissen, wie man machen muss, können sie sich
ständig bewegen und heute auf einer Website und einen Tag später auf einer
anderen Website sein. Sie können nicht "hacken", sie können sie nicht
zerstören. Sie können das Internet für so viele Zwecke nutzen, das es ideale
Umgebung für Terroristen geworden ist.

 

Gibt es keinen Weg, sie zu stoppen?

 

Tatsächlich gibt es Wege sie zu stoppen. Ich habe gerade ein Buch
geschrieben, das aus in zwei oder drei Monaten in den USA herauskommt und
die letzten Kapitel handeln von den Wegen, die Terroristen zu stoppen. Ja,
es gibt Arten zurückzuschlagen. Es ist allerdings die Frage ob wir den
Preis, der mit der Terrorismusbekämpfung im Internet verbunden ist, bereit
sind, zu zahlen. Im Buch beschreibe ich diese Maßnahmen: Jede dieser
Maßnahmen verursacht erhebliche Kosten bei bürgerlichen Freiheiten und der
Freiheit der Rede, Freiheit der Kommunikation und  der Freiheit des
Internets. Wie weit sind wir bereit zu gehen, um den Terrorismus zu
bekämpfen? Sie können sagen, lassen Sie uns das Internet blockieren und
lassen Sie uns von neuem beginnen und nicht zulassen, dass sie es wieder
verwenden. Dies ist natürlich eine "Mission impossible", ein unmöglicher
Auftrag. Wir könnten auch den Zugang zum Internet blockieren. Aber wer soll
entscheiden, wer ein Terrorist ist, und wer nicht. Können wir dies der
internationalen Kooperation überlassen? Mein Fazit heißt: Wir müssen diesem
Terrorismus ins Auge sehen, er wird uns immer begleiten und wird immer im
Internet vertreten sein und das könnte der Preis sein, den wir für
Demokratie und für die Existenz des Internets zahlen müssen.  
 

-- 
Kontakt:

René Denzer
Vorstandsvorsitzender Arbeitsgemeinschaft für Internationale Politik und
Sicherheit (AGIPS) 
Düsseldorfer Str. 6
51145 Köln
eMail: denzer -!
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URL: www.agips.org

Editor Germany, World Security Network (WSN)
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