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[infowar.de] Der erste Krieg im wirklichen Medienzeitalter
http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21506/1.html
Der erste Krieg im wirklichen Medienzeitalter
Florian Rötzer 07.12.2005
US-Verteidigungsminister über den ersten Krieg im 21. Jahrhundert,
Video dokumentiert, wie Sicherheitskräfte einer britischen Firma
willkürlich auf Zivilfahrzeuge feuern
US-Verteidigungsminister Rumsfeld sagte (1) kürzlich, dass der
Irak-Krieg der erste Krieg des 21. Jahrhunderts sei und dass er sich
vor allem deswegen von anderen Kriegen unterscheide, weil er unter der
Präsenz der Medien, vor den Objektiven der Video- und Digitalkameras
und mit der Kommunikation über Emails und Blogs stattfindet:
"Our country is waging a battle unlike any other in history. We are
waging it in a media age that's unlike any war that war fighters have
ever known. Think of it. This is the first war of the 21st Century.
It's the first war to be conducted with talk radio, and 24-hour news,
and bloggers, and emails, and digital cameras, and Sony video cams, and
all of these things that bring so much information near instantaneously
to people. And in this new century, we all need to make adjustments --
government and the media alike."
Das kann dann mitunter dazu führen, dass Journalisten ins Zielfeld
geraten oder die Berichterstattung durch "embedding" kontrolliert wird,
aber auch, dass man die falsche Berichterstattung der freien Medien
über eine Abteilung für Informationsoperationen durch heimliches
Einschleusen von scheinbar vom Pentagon unbeeinflussten Artikel in den
Medien zu begegnen sucht. Durch Korruption von Journalisten und Medien
und durch die Lancierung von keineswegs korrekten Artikeln wird man
weder eine freie Presse noch die Demokratie fördern. Während das Weiße
Haus sich entrüstet zeigt und die Sache angeblich untersuchen lassen
will, findet (2) Rumsfeld, dass die westlichen Medien das alles
übertreiben und er eigentlich auch die Tatsachen nicht kenne. Und
obwohl nach dem 11.9. und noch bis zum Beginn des Irak-Kriegs die
Bush-Regierung in hohem Ansehen stand und die US-Medien wenig kritisch
und sehr patriotisch waren, meint Rumsfeld, dass der Krieg in einer
seltsamen Zeit begonnen wurde:
--We've arrived at a strange time in this country where the worst about
America and our military seems to so quickly be taken as truth by the
press, and reported and spread around the world, often with little
context and little scrutiny, let alone correction or accountability
after the fact.--
Dass Rumsfeld oder andere Vertreter des Weißen Hauses nicht gerade
glühende Verfechter der Wahrheit sind - auch wenn dies
Sicherheitsberater Hadley angesichts der manipulierten Presse im Irak
beteuert (3) -, liegt zwar gerade im Kontext des Irak-Krieges offen vor
aller Augen, aber man bleibt hier bei der gewohnten Strategie, dass man
nur keine Fehler eingesteht und auf das Vergessen setzt. Das zieht zwar
nun nicht mehr so richtig, denn die Medien schlucken nicht mehr alles,
was auch die Menschen endlich hat aufwachen lassen.
Trotzdem muss man der ersten Aussage von Rumsfeld zustimmen, dass der
Irak-Krieg wegen der Medienberichterstattung, aber vor allem wegen der
Mitteilungen, Bilder und Videos, die jenseits der üblichen Kanäle durch
Emails, Blogs oder Webseiten an die Öffentlichkeit gelangen, eine neue
Dimension erreicht hat. Das betrifft nicht nur die Medienstrategie der
Aufständischen und Terroristen, die sich des Internet und der
Konkurrenz der Massenmedien zur Verbreitung ihrer viralen Informationen
bedienen, sondern auch das, was ungewollt an die breite, nicht mehr zu
kontrollierende Öffentlichkeit gelangt. Das beste Beispiel dafür sind
die Bilder der Missahandlungen aus Abu Ghraib oder auch die Bilder, die
Soldaten vor Ort von ihren Erlebnissen gemacht haben und die sie
beispielsweise im Austausch für den freien Zugang zu einer Sex-Website
übermittelt haben: Tod gegen Sexualität ( Sind grausame Kriegsbilder
obszön? (4)).
Vor kurzem wurde ein weiteres Video bekannt, das wiederum für Unruhe
sorgt. Es soll angeblich von Mitarbeitern der britischen Söldner- oder
Sicherheitsfirma Aegis Defence Services (5) gemacht worden sein. Die
Firma hat, wie der Telegraph berichtete, erst vor kurzem vom Pentagon
einen Auftrag in Höhe von 320 Millionen Euro erhalten. Veröffentlicht
wurde es auf der Website www.aegisIraq.co.uk (6), auf der man auch
versicherte, dass dies keine offizielle Seiete von Aegis Defence sei.
In einem der Videos, die mittlerweile von der Webseite entfernt wurden,
wurde mit der Unterlegung von Elvis Presleys Song "Train I Ride"
gezeigt, wie Mitfahrer eines Wagens auf andere Autos schossen, die
hinter diesen herfuhren. Die Schüsse erfolgten offensichtlich ohne
Anlass, möglicherweise einzig aus der Lust heraus, im Irak die Freiheit
zum Herumballern zu haben - und tatsächlich wäre es denn auch nicht
verwunderlich, wenn die Menschen, die zum Freiwild der gut bezahlten
und kaum kontrollierten Söldner werden, Wut entwickeln. Es sieht so
aus, als hätten die Schützen nicht auf die Personen geschossen, dennoch
blieben die Fahrzeuge liegen. In einem Fall wurde ein Wagen beschossen,
der dann in einen anderen, auf der Straße stehenden hineinfuhr, aus dem
die Insassen in Panik flohen. Nach dem Telegraph fanden alle vier auf
dem Video aufgenommenen Schießereien auf der Straße zwischen Bagdad und
dem Flughafen statt.
Es ist ein seit längerem offenes - letztlich seit dem ersten
Zwischenfall in Falludscha 2004 bekannt gewordenes - Problem (7), dass
die zahlreichen schwer bewaffneten Söldner und privaten
Sicherheitskräfte für zahlreiche Übergriffe gegen die irakische
Zivilbevölkerung verantwortlich sind. Anscheinend fühlen sie sich in
einem rechtlichen Niemandsland, einem Wilden Westen des Orient, wo man
halt sicherheitshalber schneller schießt oder eben auch aus der Lust
heraus, endlich seinen Wünschen einmal nachgehen zu können, die man
zuvor vielleicht beim Militär nicht ausleben konnte. Zur Rechenschaft
gezogen wurden sie nie, da niemand sie belangen kann und will, obgleich
sie unter anderem auch vom Pentagon oder der US-Regierung angestellt
und bezahlt werden.
Aegis hat angeblich, wie es in einer Pressemitteilung heißt, eine
Untersuchung eingeleitet und will mit den Videos selbstverständlich
nichts zu tun haben, weil man stets korrekt und nach strikten
Einsatzregeln handelt. Die schließen zwar auch nach angeblich strengen
Regeln den Beschuss von Zivilfahrzeugen ein, aber jeder Gebrauch von
Schusswaffen würde protokolliert und überprüft. Sollte eine der
Vorfälle, die auf dem Video aufgezeichnet wurden, Aegeis-Personal
betreffen, würde man dies von einem Ausschuss überprüfen lassen. Das
mag man glauben oder auch nicht. Das britische Verteidigungsministerium
hat ebenfalls angeblich eine Untersuchung eingeleitet. Das
Außenministerium zieht sich darauf zurück, dass Aegeis versichert habe,
das Video betreffe keine Mitarbeiter. Daher wäre nun die US-Regierung
zuständig, die Aegeis beschäftige.
Auf der nichtoffiziellen Website, die seit einigen Tagen sehr gesäubert
wurde und von einem ehemaligen Aegis-Mitarbeiter betrieben wird, findet
sich noch eine, angeblich von Lieutenant Colonel Tim Spicer, dem
Direktor der Sicherheitsfirma und früheren Chef von Sandline
International, stammende Mitteilung vom Oktober 2005:
I am also concerned about media interest in this site and I remind
everyone of their contractual obligation not to speak to or assist the
media without clearing it with the project management or Aegis London.
This site could be construed in this way.
I remind everyone that there is a proper chain of command for airing
concerns, grievances etc.
Please think twice about posting your happy snaps and whilst I am not
concerned about this site as yet, if it develops into something other
than a light hearted pressure valve I will take a much greater interest.
Remember that your job and those of your colleagues indirectly relies
on the maintenance of our contract. Refrain from posting anything
which is detrimental to the company since this could result in the loss
or curtailment of our contract with resultant loss for everybody.
Das würde schon eher danach klingen, dass Spicer die Videos oder die
Fotos, die auch nur noch sehr ausgedünnt vorhanden sind, durchaus für
authentisch hält und seine Mitarbeiter davor warnt, dass eine
Veröffentlichung geschäftsschädigend sein könnte.
LINKS
(1) http://www.defenselink.mil/speeches/2005/sp20051205-secdef2121.html
(2) http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/N05243428.htm
(3) http://www.foxnews.com/story/0,2933,177647,00.html
(4) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21113/1.html
(5) http://www.aegisworld.com/
(6) http://www.aegisIraq.co.uk
(7)
http://www.latimes.com/news/nationworld/world/la-fg-guards4dec04,0,63998
89.story?coll=la-home-headlines
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