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[infowar.de] Kritische Infrastrukturen: Wer bezahlt den Heimatschutz?



http://www.heise.de/newsticker/meldung/67130

08.12.2005 12:47

Kritische Infrastrukturen: Wer bezahlt den Heimatschutz?

Auf einer vom Hamburger Haus Rissen[1] veranstalteten Podiumsdiskussion
versuchten Vertreter von Politik und Wirtschaft, ihre Positionen zum
Thema "Schutz kritischer Infrastrukturen" zu verdeutlichen. Die
Absicherung der kommenden Fußball-WM, die Vorratsdatenspeicherung, die
Nutzung der Mautdaten zur Polizeifahndung und die Einführung des
Digitalfunks für Behörden mit Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben
bildeten dabei die aktuellen Anknüpfungspunkte für eine Diskussion der
Frage, wer die Schutzmaßnahmen durchsetzt und wer für sie bezahlt. Auf
einer grundsätzlichen Ebene ging es um die Frage, wie viel Sicherheit
sich Deutschland ökonomisch wie politisch leisten kann.

Der Schutz kritischer Infrastrukturen, von den Diskutanten gerne als
"Homeland Security" bezeichnet, hieß früher Heimatschutz. Das war zu
einer Zeit, als viele Aufgaben wie etwa die Telekommunikation fest in
der Hand staatsnaher Betriebe lag. Heute sind viele
sicherheitskritische Bereiche privatisiert und der Schutz dieser
Bereiche eine Aufgabe der Wirtschaft. Ein bekanntes Beispiel ist der
Flughafenschutz, bei dem private Sicherheitsdienste Gepäck und
Passagiere kontrollieren und diese Kontrolle von der Flughafengebühr
durch die Reisenden bezahlt wird. Nach einem ähnlichen Modell sollten
die kostentreibende Vorratsdatenspeicherung[2] durch die Nutzer bezahlt
werden, aber auch die  Sicherheitsmaßnahmen bei der Fußball-WM. Dies
forderte Carsten Klauer vom Sicherheitsdienstleiter Power GmbH[3]. Er
machte darauf aufmerksam, wie prekär die Sicherheitslage gerade beim
"Public Viewing" ist, zu dem Millionen Fans erwartet werden, die keine
Karten für die WM-Stadien bekommen haben. Hier müssten die Veranstalter
die teure Sicherheit über den Getränkepreis finanzieren, wobei die
entsprechenden Verträge mit Sicherheitsfirmen noch nicht einmal
abgeschlossen seien.

Vor allzu platten Vorschlägen warnte Ulrich Lorenz, für die öffentliche
Sicherheit zuständiger parlamentarischer Staatssekretär im
schleswig-holsteinischen Innenministerium. Ehe man beispielsweise das
Mautererfassungssystem von Toll Collect als Fahndungsinstrument[4]
gegen den Terrorismus preise, müsse geklärt werden, ob es PKW erfasse
und wie hoch die Kosten für etwaige Umbauten oder Umprogrammierungen
seien, bis PKWs erfasst werden können. Erst dann könne man über die
Kosten und den Nutzen des Verfahrens reden. Axel Birkholz, "Direktor
Public Solution Management Innere und Äußere Sicherheit" bei T-Systems,
betonte, dass der neue strategische Terror die IT- und
Kommunikationssicherheit ins Visier nehme und man sich nur mit
BSI-zertifizierten Sicherheitsprodukten einrüsten sollte. Die
Vorratsdatenspeicherung könne nicht Aufgabe der Wirtschaft sein, befand
Birkholz.

Rolf Wilhelm Dau, Sicherheitsmanager bei Philips, betonte, dass der
Schutz vor Terrorismus ohne ein detailliertes Wissen von der
Lebenswirklichkeit der Terroristen nicht machbar sei und bemängelte die
Unkenntnis der Umstände, unter denen kommende Terroristen wirklich
leben. Selbst den klassischen Kämpfern[5] seien die neuen
Bombergenerationen unheimlich. Dem hielt der ehemalige parlamentarische
Staatssekretär Rainer Funke entgegen, dass nach seinen Erfahrungen als
Geheimdienst-Überwacher der BND der wohl beste Dienst der Welt sei.
Grundsätzlicher äußerte sich Polizeidirektor Bernd Krösser, oberster
Anti-Terror-Koordinator der Hansestadt Hamburg. Für ihn gibt es keinen
eindeutigen Modus Operandi, keine Möglichkeit, die Aktionen genau
bestimmbar zu machen, weil der Gegner sehr innovativ agiere. Dem
Netzwerk des Terrors müsse ein Netzwerk der Behörden entgegengesetzt
werden. Mit der Privatisierung und Liberalisierung von ehemals
staatlichen Aufgaben müsse auch die Wirtschaft bereit sein, in den
Kampf gegen den Terror zu investieren.

Vom Publikum, das sich überwiegend aus Wirtschaftsvertretern, Militärs
und Polizei zusammensetzte, wurden verschiedene Vorschläge gemacht, wie
der Schutz kritischer Infrastrukturen möglich sei. Sie reichten vom
weiteren Abbau staatlicher Sozialleistungen über die Umgewichtung der
Mittel, die in die Entwicklungshilfe fließen bis hin zur Forderung. die
Bundeswehr im Innern einzusetzen. (Detlef Borchers) /
 (jk[6]/c't)

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.hausrissen.org
[2] http://www.heise.de/ct/aktuell/meldung/66857
[3] http://www.power-gmbh.de/Index.html
[4] http://www.heise.de/newsticker/meldung/66902
[5] http://www.rollingstone.com/news/story/_/id/8898175/?pageid=rs.NewsArchive&pageregion=mainRegion&rnd=1134036416341&has-player=true&version=6.0.12.857
[6] mailto:jk -!
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