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[infowar.de] Das Web ist eine "riesige Informationsquelle" fürs Pentagon
http://www.telepolis.de/r4/artikel/23/23028/1.html
Das Web ist eine "riesige Informationsquelle"
Florian Rötzer 05.07.2006
Das Pentagon will eine Suchmaschine für wichtige und aktuelle
Informationen in Blogs entwickeln und bezeichnet dies als
"Informationsradar, um das Informationsschlachtfeld besser zu verstehen"
Das Pentagon hat schon lange den Wert der Informationen entdeckt, die
man im Web publizieren und vor allem auch finden kann, zumal man dort
den Eindruck hat, dass den Militärs und Geheimdiensten bei der
Verbreitung von Informationen zu sehr die Hände gebunden seien, wovon
der Gegner profitiere ( Terroristen untergraben das "Monopol über die
Massen|-kommunikation" (1)). Auch die Geheimdienste suchen das Web nach
nützlichen und frei zugänglichen Informationen ab und hat letzten Jahr
dafür das Open Source Center (OSC) gegründet ( Open Source Center (2)).
Für Analyse von sozialen Netzwerken werden Links in Websites oder
Blogs, Email-, Chat- oder Telefonkommunikation verwendet ( Findet man
in einem größeren Heuhaufen die Nadel besser? (3)). So versucht (4)
die NSA die Daten, die Menschen über sich selbst in sozialen Netzwerken
wie Friendster oder MySpace einspeisen, mit Daten aus anderen Quellen
zu verknüpfen und semantisch zu erschließen.
Erst Anfang des Jahres hatte das Pentagon öffentlich bekannt gemacht
(5), dass man sich nun verstärkt um die Bloggerszene kümmern wolle.
Viele im Pentagon und in der Bush-Regierung machen die Medien, aber
eben auch die Blogs für die Ablehnung des Irak-Kriegs verantwortlich.
Daher wurde ein Team eingerichtet, dass die Blogger richtig über die
Erfolge und Leistungen des Pentagon informieren soll, d.h. man bietet -
allerdings wenig verführerisch - den Bloggern "vollständige
Infromationen" an und gibt ihnen die Links, um Texte, Audio- und
Bilddateien für ihre Blogs verwenden zu können.
Das Team soll Blogger "freundlich" kontaktieren, wenn sie "falsche,
ungenaue oder unvollständige Informationen" und sie einladen, die
Pentagon-Websites zu besuchen, auf denen sich dann natürlich die
richtigen, genauen und vollständigen Informationen finden lassen. Dabei
geht es dem Pentagon darum, Informationen - "positive stories", die die
Menschen angeblich hören wollen - "viral" zu verbreiten. Man sendet
also gewissermaßen nicht mehr zentral, sondern versucht Informationen
in das Netz zu injizieren, die sich dann durch Ansteckung von selbst
von Blog zu Blog verbreiten und darüber zu Menschen kommen. Dazu dienen
natürlich auch die zahlreichen Blogs, die von Pentagon-Mitarbeitern und
Soldaten gemacht werden. Auch hier würde man nicht die Blogs inhaltlich
überwachen, sondern nur prüfen, ob sie korrekt berichten, was bei
Soldatenblogs auch heißt, dass hier nichts veröffentlicht wird, was die
Sicherheit beeinträchtigt.
Mit kommerziellen Suchmaschinen oder auch speziellen Suchmaschinen für
Blogs wie Technorati lassen sich bereits viele Informationen gewinnen,
die von Menschen der Öffentlichkeit über sich selbst und über alles
Mögliche übergeben werden. Aufgrund dieser freiwilligen Preisgabe
können alle interessierten Parteien auch persönliche Daten sammeln oder
gegen Äußerungen vorgehen, die ihnen nicht gefallen - auch noch viele
Jahre nachdem sie gemacht wurden (siehe ein Szenario für das viel
gepriesene Web 2.0: Social Phishing (6) oder ein anderes: "Mach mir
nichts vor, ich weiß, wo du bist" (7)). Hier ist vermutlich allgemein
noch zu wenig Bewusstsein darüber vorhanden, was man der Öffentlichkeit
preisgeben will und was man vielleicht lieber für sich behält Wer
etwas zu verbergen hat oder weiß, dass das Web ständig überwacht wird,
dürfte sich allerdings, wenn er nicht naiv ist, möglichst davor
schützen und seine Kommunikation und Informationsweitergabe im Geheimen
betreiben. Terroristen dürfte man also damit kaum erwischen, naive
Sympathisanten möglicherweise aber schon.
Wenn daher das Air Force Office of Scientific Research mit 450
Millionen US-Dollar Forschung der Firma Versatile Information Systems
(8) fördert (9), um Inhalte von Blogs automatisch zu erfassen und
auszuwerten, dann ist die Begründung (10) zumindest in Frage zu
stellen, ob damit tatsächlich "Analysten und Soldaten eine unschätzbare
Hilfe im Kampf gegen den Terrorismus" erhalten werden. Unabhängig davon
ist das auf drei Jahre angelegte Projekt "Automated Ontologically-Based
Link Analysis of International Web Logs for the Timely Discovery of
Relevant and Credible Information" schlicht der Versuch, ein
Data-Mining-Programm zur automatischen Überwachung von irgendwie als
wichtig bewerteten Internetinhalten zu entwickeln.
Wie Brian E. Ulicny erklärt, soll das zu entwickelnde
Überwachungsprogramm als Hilfe für Analysten dienen und sie auf die
Themen hinweisen, die aktuell von den Bloggern als wichtig befunden
werden, weil sie häufig erwähnt und Hyperlinks auf bestimmte Seiten
gesetzt werden. Wie man allerdings die Glaubwürdigkeit der Quelle und
die Bedeutung der Information erfassen will, ist schon schweriger.
Letztlich scheint man eine Suchmaschine für Blogs entwickeln zu wollen,
die aber anders funktionieren soll wie die üblichen Suchmaschinen, da
die Blogeinträge selbst oft gar nicht so wichtig und vielleicht sehr
kurz sind, es aber interessant ist, auf was sie durch Verlinkung
aufmerksam machen wollen. Als Beispiel weist Ulicny auf die
Mohammed-Karikuturen hin. Deren Veröffentlichung in der dänischen
Zeitung sei im Westen kaum wahrgenommen werden. Erst durch den Ärger,
den sie schließlich in der muslimischen Welt auch durch die Verstärkung
über Blogs ausgelöst haben, schwappte das überraschend zurück. Ulicny
will mit militärischer Terminologie verdeutlichen, was allgemein ein
Instrument werden könnte, das Meinungstrends oder steigende öffentliche
Aufmerksamkeit auf Themen, Menschen, Websites oder was auch immer
frühzeitig erfasst, um entsprechend durch PsyOp oder andere Mittel
reagieren zu können. Nicht nur militärisch nennt man das situational
awareness:
--Der Sachverhalt, dass das Web eine riesige Informationsquelle ist,
wird manchmal von militärischen Analysten übersehen. Unser
Forschungsziel ist, dem Soldaten mit einer Art Informationsradar
auszustatten, um das Informationsschlachtfeld besser zu verstehen.--
Während man also auf der einen Seite ablenkt und so tut, als würden
solche Überwachungsprojekte sich nur auf militärisch relevante Themen
beschränken, wird das Forschungsprojekt auf der anderen Seite
vermutlich rhetorisch deswegen so aufgebauscht, um die
Forschungsförderung mit öffentlichen Geldern zu rechtfertigen. So wie
Ulicny das Projekt darstellt, würde wahrscheinlich auch eine etwas
verbesserte Blog-Suchmaschine wie Technorati.com (11) oder Blog
Search (12) ausreichen. Das "Informationsschlachtfeld" ist die
öffentliche Meinung, wie sie sich in allen Äußerungen kund tut, die im
Web veröffentlicht werden (s.a. Niederlage im Medienkrieg (13)). Auf
die immer deutlicher werdende Gier vieler interessierter Parteien nach
immer mehr Informationen, die immer besser gesammelt, verknüpft und
ausgewertet kann, müsste eigentlich allmählich eine Gegenbewegung
erfolgen, die den staatlich und technisch durchlöcherten Datenschutz
durch eine Informationsverweigerung ergänzt. Aber in einer
Aufmerksamkeitsgesellschaft wird natürlich das Gegenteil verlangt, so
dass dafür das Bewusstsein schwindet, bis die Folgen des naiven, wenn
auch kalkulierten Veröffentlichungswahns für viele deutlicher werden.
LINKS
(1) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22621/1.html
(2) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21312/1.html
(3) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22683/1.html
(4)
http://www.newscientist.com/article/mg19025556.200?DCMP=NLC-nletter&nsre
f=mg%0A19025556.200
(5) http://www.defenselink.mil/news/Mar2006/20060302_4370.html
(6) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22342/1.html
(7) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22007/1.html
(8) http://vistology.com/
(9) http://www.heise.de/newsticker/meldung/75049
(10)
http://www.defenselink.mil/transformation/articles/2006-06/ta062906b.htm
l
(11) http://Technorati.com
(12) http://blogsearch.google.com/
(13) http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22074/1.html
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