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[infowar.de] Galileo-Code gecrackt



http://www.telepolis.de/r4/artikel/23/23071/1.html

Galileo-Code gecrackt
Florian Rötzer 11.07.2006

US-Wissenschaftler nehmen für sich das Recht in Anspruch, einen Code
für das EU-Navigationssystem Galileo zu cracken, da man "elementare
Daten über die physische Welt nicht durch Copyright schützen" könne

Ende letzten Jahres, am 28.12.2005, wurde der erste Satellit des
europäischen Satellitennetzes  Galileo (1) in seine Umlaufbahn gebracht
( Verspätete Feierstimmung am 28. Dezember (2)). "Giove-A" (Galileo
In-Orbit Validation Element-A) ist ein Testsatellit. Eigentlich sollte
bereits im Frühjahr 2006 ein zweiter folgen, der Start wurde jedoch auf
den Herbst verschoben. Ab 2008 sollen dann die ersten vier "echten"
Galileo-Satelliten folgen, um dann 2010 in Konkurrenz mit dem
amerikanischen GPS-System und dem russischen Glonass zu treten. Giove-A
dient der Frequenzsicherung, der technischen Validierung und hat einen
Signalgenerator an Bord.

Wie Mitarbeiter des  Global Positioning System (GPS) Laboratory (3) der
Cornell University berichten, haben sie den bislang geheim gehaltenen
Code des Satelliten Giove-A geknackt. Das betrifft den Offenen Dienst
(Open Service) von Galileo, der kostenlose Positions-,
Geschwindigkeits- und Zeitangaben beispielsweise für Fahrzeuge und
Mobiltelefone liefern soll. OS nutzt zwei Frequenzen für seine Signale,
wodurch Fehler, verursacht durch Störungen in der Ionosphäre,
korrigiert werden können und daher die Positionsbestimmungen genauer
werden. Die Frequenzen enthalten zwei Code-Signale. Die Daten der
Entfernungsmessung werden einem der Codes hinzugefügt, der zweite, der
Pilot-Code, bleibt frei. Satelliten werden durch einen pseudozufälligen
Code (PRN - pseudo random code) für den Empfänger identifiziert.

Der PRN auf dem Frequenzband L1 wurde, wie die amerikanischen
Wissenschaftler süffisant  anmerken (4), aber nicht veröffentlicht,
obwohl es sich um das Signal des angeblich kostenlosen und frei
zugänglichen OS handelte. Ein wenig scheinheilig spekulieren sie
darüber, dass Galileo im Gegensatz zum GPS, das vom Pentagon mit
Steuergeldern betrieben wird, möglicherweise auch für diese PRN-Codes
eine Gebühr verlangen könnte. Nach langen Auseinandersetzungen mit dem
Pentagon musste die EU nachgeben und für Galileo ein gleiches
Grundsignal wie das GPS benutzen ( Wie weit geht der Einfluss? (5)).
Das Pentagon kann so auch das Galileo-Signal in seiner Genauigkeit
heruntersetzen, während es für das Militär das GPS-Signal weiter
unbeeinträchtigt nutzen kann. Aufgrund des Abkommens mit den USA sind
die Europäer verpflichtet, auch kostenlose Signale anzubieten, sagen
die US-Wissenschaftler, was sie aber eben versäumt hätten - weswegen
sie das wohl auf eigene Faust nachholen wollten.

Im Januar hatten die Wissenschaftler bei dem britischen Unternehmen
Surrey Space Technologies Ltd. (6), das Giove-A entwickelt hat,
nachgefragt, um die PRN-Codes zu erhalten, nachdem am 12. Januar die
ersten Navigationssignale von Giove-A  gesendet (7) wurden. Aber in
Großbritannien wurden sie ebenso wie später in Deutschland abschlägig
beschieden. Daraufhin begannen sie mit dem Versuch, diese zu knacken.
Nachdem sie die Signale vom Satelliten entdeckt und, auch durch die
Hilfe eines Tipps eines deutschen Wissenschaftlers, die Codes
entschlüsselt und im April auf ihrer Website  veröffentlicht (8)
hatten, konnte eine kanadische Firma mit ihren GPS-Geräten den
Satelliten verfolgen.

Kurz danach, am 19. April, wurden die PRN-Codes  bekannt (9) gegeben,
nur stimmten sie offenbar nicht mit denen überein, die vom
Testsatelliten tatsächlich benutzt wurden. Überdies wurde vom
Galileo-Konsortium vorausgeschickt, dass die "Galileo Navigation
Primary Codes" geistiges Eigentum seien, woraus die US-Wissenschaftler
schlossen, dass man "aus dem Open Source Code Geld machen" wolle. Nach
Mark Psiaki vom GPS Laboratory ist das seltsam und stellt für ihn
gewissermaßen die Rechtfertigung dar, den Code zu knacken. Man könne ja
wohl auch keinen Leuchtturm bauen und verhindern, dass jemand
beobachtet, wie oft das Licht aufleuchtet, und die Koordinaten misst:
"Kann der Besitzer von mir eine Lizenzgebühr fordern, wenn ich das
Licht anschaue? Nein. Warum sollte dann das Anschauen des
Galileo-Satelliten etwas anderes sein?"

Angeblich waren sich die Wissenschaftler erst einmal doch nicht so ganz
sicher, ob das Kracken eines Codes für ein offenes System, der aber
nicht veröffentlicht wurde, nicht doch eine Copyright-Verletzung
darstellt. Schließlich ist hier die US-Regierung zum Schutz ihrer
Wirtschaft besonders scharf. Man habe sich also mit dem Rechtsberater
der Universität darüber verständigt, der den Wissenschaftlern in diesem
Fall die Lizenz zum Cracken gegeben habe. Die Begründung klingt
jedenfalls interessant:

--Uns wurde gesagt, dass das Cracken der Verschlüsselung von kreativen
Inhalten wie Musik oder Filmen illegal sei, aber das Cracken der von
einem Navigationssignal verwendeten Verschlüsselung ist ein faires
Spiel. ... Die Europäer können elementare Daten über die physische Welt
nicht durch Copyright schützen, selbst wenn die Daten von einem
Satelliten kommen, den sie gebaut haben.--

Dasselbe könnte man freilich auch für Filme oder Fotos sagen. Und
natürlich erst recht für genetische Daten. Man könnte auch fragen, ob
diese Daten tatsächlich elementar sind, da man sie ja nur erhalten
kann, wenn es Satelliten gibt, die die entsprechenden Signale aussenden.

Update vom 12.7.

Timo Thalmann, der den Blog  Geograffiti (10) betreibt, hat bei
Galileo Joint Undertaking (11) (GJU) wegen des von den
US-Wissenschaftlern propagierten Hacks einmal  nachgefragt (12). Hans
Peter Marchlewski, General Counselor von GJU, sieht das gelassen:

--Es handele sich bei GIOVE-A um einen ersten Testsatelliten für das
geplante europäische Satellitennavigationssystem Galileo, der natürlich
einen anderen Code benutze, als das spätere komplette System. Nichts
anderes haben die Wissenschaftler der Cornell Universität festgestellt.
Allerdings sei der jetzt verwendete Code sehr einfach und kurz gehalten
und damit nach Angaben der Galileo Technik-Verantwortlichen relativ
simpel und in ein paar Stunden tatasächlich mit jedem PC knackbar. "Das
hat uns alles sonderlich überrascht und macht uns auch nicht nervös",
sagte Marchlewski.--

Geprüft würde derzeit die rechtliche Argumentation, also dass
Navigationssignale als elementare Daten über die physische Welt gelten
und sie daher nicht als geistiges Eigentum geschützt werden können.
Marchlewski geht davon aus, dass man mit dem Signal keine Geschäfte
machen will, wie die Amerikaner dies unterstellten, definitiv
zurückweisen wollte er es aber auch nicht.

LINKS

(1) http://ec.europa.eu/dgs/energy_transport/galileo/index_en.htm
(2) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21661/1.html
(3) http://gps.ece.cornell.edu/
(4) http://www.news.cornell.edu/stories/July06/GPS.code.cracked.TO.html
(5) http://www.telepolis.de/r4/artikel/17/17749/1.html
(6) http://www.sstl.co.uk/
(7) http://www.sstl.co.uk/index.php?loc=27&id=895
(8) http://gps.ece.cornell.edu/galileo
(9) http://www.galileoju.com/page.cfm?voce=s2&idvoce=64&plugIn=1
(10) http://www.geografitti.de/
(11) http://www.galileoju.com/
(12) http://www.geografitti.de/index.php?itemid=134


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