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[infowar.de] Info-Ops-Erfahrungsbericht aus dem Irak



Ein interessanter Bericht aus erster Hand von einem US-Brigadekommandeur im Irak zur Relevanz von Information Operations:
<http://www.army.mil/professionalwriting/volumes/volume4/july_2006/7_06_3.html>
Thomas Pany hat ihn in TP gut eingeordnet und zusammengefasst, siehe unten.
RB


http://www.telepolis.de/r4/artikel/23/23080/1.html

Die entscheidende Waffe
Thomas Pany 12.07.2006

Journalisten als Sprachrohr und "Information Operations"

Die Antworten, die Rod Nordland, ehemaliger Büroleiter von Newsweek in
Bagdad kürzlich in einem  Interview (1) auf Fragen zur
Berichterstattung aus dem Irak mit dem Magazin Foreign Policy gegeben
hat, überraschen eigentlich niemanden mehr. Nordland ist nicht der
erste Journalist, der konstatiert: "Es ist dort viel schlimmer, als
berichtet wird".

"Die Nachrichten aus dem Irak werden von der Regierung geregelt" - auch
diese Kernaussage hat man schon von anderen Journalisten, die im Irak
arbeiteten, in der ein oder anderen Form gelesen, eher selten mit dem
Zusatz, dass die Regierung diese Aufgabe ganz gut meistert: "The
administration does a great job of managing the news." Dass der Erfolg
dennoch beschränkt ist und sich die Regierung trotz ihrer Bemühungen
über die "zu negative" Berichterstattung in den Medien beklagt, zeigt
laut Nordland die Grenzen des Informationsmanagements. Dennoch hat die
Regierung nach seiner Auffassung einen gewissen Erfolg:

--Die Amerikaner sind sich dessen nicht bewusst, wie gräßlich es (die
Situation im Irak, Anm. d. A.) ist und wie wenig Fortschritte gemacht
worden sind. Sie reden weiter darüber, wie sehr viel besser die
irakische Armee jetzt ist und dass sie mehr Verantwortung übernimmt,
aber in den meisten Fällen stimmt das nicht.--

Doch Nordland berichtet auch von einer neueren Entwicklung: Das Militär
habe angefangen, viele Regelungen der "eingebetteten Berichterstattung"
(vgl.  Eine gesäuberte Version vom Krieg (2))zu "zensieren". Bevor ein
Journalist als "embed" zugelassen werde, würde seine vorhergehende
Arbeit sehr genau geprüft und besondere Aufmerksamkeit darauf gelegt,
welchen "Slant" (Anstrich) seine Stories haben.

Man werde abgelehnt, wenn den Militärs die Tendenz nicht gefalle. Es
gäbe Fälle von Journalisten, die auf eine schwarze Liste gesetzt
wurden, weil die Militärs "nicht glücklich" über die Arbeit waren,
welche die Journalisten als "Embeds" geliefert hätten. Aber schließlich
erfahre man von den Irakern selbst mehr als jeder offizielle
amerikanische Vertreter, vor allem wenn er zum Militär gehört.

Ähnliche  Erfahrungen (3) als eingebettete Berichterstatterin sammelte
auch eine Fernsehjournalistin von Reuters im Irak. Ihr Fazit: "Was wir
dort taten, war kein echter Journalismus...Ich war ein Sprachrohr des
Pentagon."

Auch Colonel Ralph Baker ist den eingebetteten Journalisten gegenüber
argwöhnisch, nur wenn sie längere Zeit blieben und viel Zeit mit seiner
Einheit verbringen würden und dadurch deren Arbeit im richtigen Kontext
kennenlernen, sei dies eine gute Sache. Dass mit solchem Engagement des
Reporters oft auch die nötige Distanz verloren geht und die es die Nähe
des Journalisten zu den Soldaten schwer macht, über Dinge zu berichten,
die ihnen Schaden zufügen könnten, verschweigt Baker.

Um Ausgewogenheit oder "echten Journalismus" geht es Colonel Ralph O.
Baker auch nicht. Baker war bis vor kurzem Kommandeur einer Brigade,
deren Einsatzgebiet bei Bagdad lag und zwei große Bezirke der
Hauptstadt einschloss - "mittendrin" also. Sein Erfahrungsbericht,
veröffentlicht (4) in einer Publikation der US-Army, handelt vom Stand
der Dinge der praktizierten "Information Operations" (vgl.  "Das Netz
muss wie ein feindliches Waffensystem bekämpft werden" (5)).

70 Prozent der Arbeitszeit für IO

Der Artikel wendet sich an ein Fachpublikum und die meisten seiner
strategischen Rezepte, wie etwa die forcierte Wiederholung von
einfachen Botschaften, die an die Umgebung vermittelt werden, und die
Betonung der eigenen Erfolge sowie der schädlichen Aktivitäten der
"Aufständischen" in jedem Kommuniqué nach außen, sind nichts Neues.
Dennoch bietet der Artikel ein paar Einblicke, die überraschen.

Zum Beispiel die generelle Bewertung von Information Operations (IOs):
Dass sie von Baker als "entscheidene Waffe" schon in der Überschrift
genannt wird, könnte man noch als eine Art Lippenbekenntnis sehen, dass
der Kommandeur einer militärischen Einheit aber 70 Prozent seiner
Arbeitszeit für "Intelligence and IO Systems" aufgewendet hat, erstaunt
schon. Für Baker war dies ein "Paradigmenwechsel" in seiner Arbeit

Baker plädiert für eine Modernisierung der IOs. An der Art seiner an
Bedingungen vor Ort geknüpften Vorgehensweise kann man erkennen, wie
sehr die Armeeführung versucht, größtmögliche Kontrolle über jede
Mitteilung, die nach außen geht, zu haben. Jede Mitteilung zu einem
Ereignis müsse den zeitraubenden bürokratischen Weg gehen und von oben
abgesegnet werden, beklagt sich Baker. Viele der relevanten Regeln und
Strukturen datierten noch aus den Erfahrungen des Kalten Krieges, die
hierarchischen Wege der Informationspolitik waren zu langsam, stellte
er fest, die Gegner immer im Voraus damit, ihre Sicht zu verbreiten.

Dass Baker auch das Hierarchie-Paradigma in der Informationspolitik
änderte und zum Beispiel eigene Pressekonferenzen abhielt, muss nicht
eigens erwähnt werden, dass er andere Zielvorgaben hatte als die
Führung und andere Adressaten, ist allerdings bemerkenswert, weil das
ein paar Schlüsse zulässt. So wandte sich Baker vor allem an die
arabische Medien, Zeitungen und TV-Sender, weil dort das geschrieben
und gesendet werde, was sein Zielpublikum, die "schweigende Mehrheit
der lokalen Bevölkerung", tatsächlich beeinflussen würde. Seine
Vorgesetzten hatten dagegen "Höheres" im Sinn, deren Zielmedien-Vorgabe
waren die nationalen Medien in den USA und internationale.

Daraus kann man dreierlei lesen, einmal eine offensichtliche Ignoranz
der Führungsebene gegenüber der irakischen Öffentlichkeit, zum anderen,
dass dem amerikanischen Sender Al-Hurra, der überhaupt nicht erwähnt
wird, auch in offiziellen Kreisen nur wenig Relevanz eingeräumt wird,
und zum dritten, wie sehr es der Führung darauf ankommt, die "Befreiung
des Irak" vor allem in den USA und international gut zu verkaufen.
Irakische bzw. arabische Medien taugen in der Sichtweise der Führung
anscheinend nur als Umwege, um willkommene Nachrichten - Propaganda -
in die eigenen bzw. internationalen Medien einzuschleusen (vgl.  Happy
Irak (6)).

Interessant ist, dass Baker noch eine andere Zuhörerschaft erwähnt, die
IOs mit dem nötigen Wiederholungsprogramm zur Einschärfung von
grundsätzlichen Wahrheiten nötig hatte: die eigenen Soldaten, deren
"einflussreichsten Informationsquellen" CNN, BBC oder FOX-News mehr und
mehr negative Sichtweisen produzierten.

   LINKS

(1)
http://web1.foreignpolicy.com/issue_julyaug_2006/covering_iraq/covering_
iraq.html
(2) http://www.telepolis.de/r4/artikel/16/16065/1.html
(3) http://harpers.org/sb-i-was-a-mouthpiece-1152219764.html
(4)
http://www.army.mil/professionalwriting/volumes/volume4/july_2006/7_06_3
.html
(5) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21891/1.html
(6) http://www.telepolis.de/r4/artikel/21/21486/1.html



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