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[infowar.de] Akustische Waffe oder harmlose Teenagerabwehr?



http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24893/1.html

Akustische Waffe oder harmlose Teenagerabwehr?
Florian Rötzer 20.03.2007

Das zur Vertreibung von Jugendlichen angebotene Gerät Mosquito verstößt
möglicherweise gegen die Europäische Menschenrechtskonvention

Die britische Firma Compound Security hatte 2005 ein neuartiges Produkt
auf den Markt gebracht, das schnell Aufmerksamkeit erregte. Es handelte
sich um das vor Vandalismus geschützte Gerät mit dem Namen Mosquito,
das mit schrillen Tönen (17 kHz) und einer Lautstärke von 5 dB über dem
Hintergrundgeräusch Jugendliche vertreiben soll (max. Lautstärke 85
dB). Unangenehm wirken sollen die angeblich völlig unschädlichen Töne
im Unterschied zu akustischen Waffen, die auf Schmerzen basieren (
"Sound-Laser" (1)), erst nach einigen Minuten. Ältere Menschen ab 25
Jahren können in aller Regel die hohen Frequenzen nicht mehr hören,
auch Kinder sollen sie nicht hören können. Allerdings wurde das Prinzip
auch als  Klingelton (2) als Teen Buzz oder Mosquito-Ton für
Jugendliche entdeckt, um etwa an Schulen unentdeckt von Erwachsenen
angerufen werden oder SMS empfangen zu können.

Das altersspezifische, bis zu einer Entfernung von 20 m wirkende
Abwehr- oder Vertreibungsgerät ("ultra-sonic teenage deterrent sytem"),
das etwa 700 Euro kostet, hat sich vor allem in Großbritannien, geplagt
von der Epidemie des "antisozialen Verhaltens" und der Respektlosigkeit
und der von der Regierung massiv betriebenen Bekämpfung und
Bestrafung, gut verkauft. Von den bislang verkauften 3.300 Geräten, die
über eine Fernbedienung aktiviert oder mit Überwachungskameras
verbunden werden können, wurden 70 Prozent in Großbritannien an den
Mann gebracht. Gemeinden und Polizeidienststellen haben sie eingesetzt,
Geschäftsleute und Privatleute verwenden sie, um Jugendliche vor ihren
Läden und Häusern zu vertreiben.

Die Firma hat für die "elektromechanische Teenagerabwehr" 2006 den  Ig
Nobel Peace Prize (3) erhalten. Geschäftsschädigend war dies offenbar
nicht, denn Compound Security entwickelt bereits die zweite Generation,
die eine Wirkung über 50 m entfalten soll, um etwa Friedhöfe und
Baustellen jugendfrei zu halten. Überdies soll eine Handgranate mit
schmerzhafteren Tönen zum Einsatz in Gefängnissen gebaut werden, um
damit Unruhen zu bekämpfen. Das zeigt schon, dass Mosquito auch als
nichttödliche Waffe gelten kann. So wurde das Gerät in Merseyside von
der Polizei auf dem Dach des Einsatzwagens angebracht, um es bei
kritischen Situationen anzuschalten.

Die Firma behauptet, dass ihr Gerät "das wirksamste Mittel für den
Kampf gegen antisoziales Verhalten" geworden sei und "Ansammlungen von
Teenagern und antisozialen Jugendlichen" auflöse.

-- The Mosquito ultrasonic teenage deterrent is the solution to the
eternal problem of unwanted gatherings of youths and teenagers in
shopping malls, around shops and anywhere else they are causing
problems. The presence of these teenagers discourages genuine shoppers
and customers' from coming into your shop, affecting your turnover and
profits. Anti social behavior has become the biggest threat to private
property over the last decade and there has been no effective deterrent
until now. --

Kritik gegen die Antijugend-Waffe  kommt (4) beispielsweise von der
Bürgerrechtsorganisation  Liberty (5). Nach dem Direktor Shami
Chakrabarti ist das Mosquito-Gerät "schlimmstensfalls eine schwache
akustische Waffe oder bestenfalls eine Hundepfeife für Kinder". In
einer zivilisierten Gesellschaft, die ihre Kinder achtet, habe dieses
Gerät nichts zu suchen, das sich gegen alle Jugendlichen richtet, nicht
nur gegen die Störenfriede. Die Ungerichtetheit und die Beschränkung
auf eine Altergruppe könnten den Einsatz des Geräts gegen die
Menschenrechte verstoßen lassen, vermutet Liberty. So könnte es gegen
den Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und
vor allem gegen den Artikel 14 (Diskriminierungsverbot) der
Europäischen Menschenrechtskonvention (6) verstoßen:

--Diskriminierungsverbot Der Genuss der in dieser Konvention
anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere
wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der
Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen
oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen
Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu
gewährleisten.--

Die britische Regierung hat zu dem Gerät nicht wirklich Stellung
genommen. Innenminister John Reid hatte lediglich auf eine Anfrage
letztes Jahr  gesagt (7), dass die lokalen Behörden alle Innovationen
verwenden dürfen, um "die Kriminalität, die Angst vor der Kriminalität
und antisoziales Verhalten einzudämmen". Man müsse sie nur mit Vorsitz
einsetzen.

In einem Gutachten, das die Firma bei der Kanzlei Hewitsons Solicitors
eingeholt hat, wird bestätigt, dass es bislang keine medizinischen
Hinweise auf die Schädlichkeit des Geräts gebe. Verwiesen wird auf die
Tests, die das National Physical Laboratory durchgeführt hat. Das Gerät
würde auch nicht die Lärmschutzverordnung am Arbeitsplatz verletzen
und, weil die hohen Frequenzen nicht durch Mauern dringen können, auch
keine Nachbarn belästigen. Was die Menschenrechte betrifft, so würde
das Gerät nur die Jugendlichen in nächster Nähe betreffen - und die
könnten ja gehen, wohin sie wollen. Es liege keine unmenschliche oder
entwürdigende Behandlung (Art. 3) vor. Das Recht auf Versammlung (Art.
11) werde auch nicht beeinträchtigt, da es nicht das Recht umfasse,
dass Jugendliche sich ohne Zweck versammeln. Das Gerät hindere
niemanden daran, sich zu versammeln, sondern verhindere lediglich, dies
an einem bestimmten Platz zu machen. Und weil man ja woanders gehen
könne, wird dies offenbar nicht als Einschränkung betrachtet, auch wenn
es sich um den öffentlichen Raum handelt. Gruppen von Jugendlichen
hätten überdies keine Merkmale, die für eine Diskriminierung in Frage
kämen. Alter werde von der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht
explizit als Diskriminierung aufgeführt, sagen die Rechtsexperten.

LINKS

(1) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20992/1.html
(2) http://www.mozzyworld.com/
(3) http://www.improb.com/ig/ig-pastwinners.html#ig2006
(4) http://www.guardian.co.uk/humanrights/story/0,,2036139,00.html
(5) http://www.liberty-human-rights.org.uk/
(6) http://conventions.coe.int/Treaty/GER/Treaties/Html/005.htm
(7) http://www.theyworkforyou.com/wrans/?id=2006-11-02a.97088.h




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