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[infowar.de] Der YouTube-Channel des Pentagon



http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25198/1.html

Der YouTube-Channel des Pentagon
Florian Rötzer 03.05.2007

Das Pentagon versucht, mit Videos im Medienkrieg gegen die Gegner im
Irak anzutreten, während "friendly information" wie Blogs und E-Mails
der US-Soldaten stärker kontrolliert werden

Seit einiger Zeit schlägt das Pentagon zurück. Nicht direkt mit Waffen,
sondern mit Videos, die zeigen, was amerikanische und andere
Koalitionssoldaten im Irak machen. Der ehemalige Verteidigungsminister
Rumsfeld hatte oft und ausführlich dargelegt, dass das US-Militär den
Medienkrieg verliert, während die Gegner über das Internet und mit den
selbst fabrizierten Videos die öffentliche Meinung manipulieren
könnten, was das Pentagon nicht darf. Ansätze wie die Einrichtung der
Abteilung für strategische Kommunikation gab es natürlich ebenso wie
andere Mittel, die richtigen Nachrichten beispielsweise über
Honorierung von Journalisten und Medien zu lancieren.

Seit kurzem hat das Pentagon, das sich allerdings hinter den
Koalitionstruppen im Irak und der Operation Iraq Freedom versteckt, das
Videoportal YouTube für sich entdeckt und versucht dort, gewissermaßen
unter der Hand und irgendwie viral,  Videos zu verbreiten (1), die man
wohl angemessen findet und die der eigenen Sache dienen sollen
(gegenwärtig ist der Channel von MNF IRAQ nicht zugänglich, wohl aber
noch einzelne Videos wie  dieses (2)). So eben, wie das die Gegner auch
machen, wenn sie Videos von ihren Aktionen zeigen.

Den Blogs hatte sich das Pentagon schon länger gewidmet, aber irgendwie
keinen rechten Fuß in die Szene setzen können. Während man YouTube für
sich nutzen will,  versucht (3) man aber gleichzeitig, die Blogger und
Poster in den eigenen Reihen noch besser unter Kontrolle zu bringen,
als dies bisher geschehen ist. Alles natürlich nur, um die Sicherheit
zu wahren, damit der Feind nicht die falschen Informationen erhält. Die
neue Anordnung zur  Operation Security (4) richtet sich vornehmlich
gegen Informationen, die über Blogs, Websites und E-Mails von
Militärangehörigen verbreitet werden.

Daher geht es auch um die Limitierung von "friendly information", wie
es so schön heißt. Und natürlich sollen auch Bilder und Videos nicht
unkontrolliert verbreitet werden, die irgendwie für den Feind wichtig
sein könnten:

--Do not publicly disseminate, or publish photographs displaying
critical or sensitive information. Examples include but are not limited
to Improvised Explosive Device (IED) strikes, battle scenes,
casualties, destroyed or damaged equipment, personnel killed in action
(KIA), both friendly and adversary, and the protective measures of
military facilities.--

Befohlen wird, dem Vorgesetzten zu zeigen, was man verschicken oder
posten will:

--This includes, but is not limited to letters, resumes, articles for
publication, electronic mail (e-mail), Web site postings, web log
(blog) postings, discussion in Internet information forums, discussion
in Internet message boards or other forms of dissemination or
documentation.--

Was dem gemeinen Army-Soldaten verboten ist, kann aber die
Medienabteilung durchaus in YouTube stellen. Man will zwar Niederlagen
und Opfer auf der eigenen Seite nicht zeigen, wohl aber unterhaltsame
Einsätze, bei denen der Gegner unterliegt. Vielversprechend heißt es
denn auch auf YouTube, dass der geneigte Zuschauer in den kommenden
Monaten Folgendes zu sehen bekommt:

Kampfszenen

Interessante, die Aufmerksamkeit erregende Aufnahmen

Interaktion zwischen Koalitionstruppen und der irakischen Bevölkerung

Teamarbeit zwischen Koalitionstruppen und irakischen Soldaten im Kampf
gegen den Terror

Spannend soll es schon sein, aber eben auch - eigentlich schon sehr
bescheiden zu nennen -, dass es auch Begegnungen gibt, die nicht in
Gewalt ausarten, oder Zusammenarbeit. Klar wird aber auch gesagt, was
das Pentagon als moralische Instanz nicht auf seinem YouTube-Kanal
zeigen will: "Vulgäres, Sexuelles, übermäßig grafisch verstörende oder
anstößige Bilder, Videos, die sich über die Koalitionstruppen, die
irakischen Sicherheitskräfte oder die irakischen Bürger lustig machen".

Kurz und gut, es gibt also Propaganda für die gute Sache, gemixt mit
einem Schuss an Action, weil man weiß, dass die Aktionen der
Gutmenschen bei der Völkerverständigung den möglichen Zuschauern, die
sich durch die Medien zappen und das Internet durchsurfen, einfach zu
langweilig wäre. So also gibt es gegen das gegnerische Reality TV
Videos zu sehen,  wie der Feind angegriffen wird, wie man Razzien
durchführt, auf mögliche Gegner schießt, eine Stellung ausbombt oder
eine Geisel befreit. Deutlich aber wird auch hier, wie sehr sich die
Soldaten, oft junge, kaum erwachsene Männer, mit ihren Helmen und
Schutzpanzern wie moderne Ritter wirkend, als Fremdkörper im
Feindesland bewegen, wie jeder Iraker prinzipiell als Gegner
wahrgenommen wird, wie surreal die Operation Iraqi Freedom geworden ist
und wie verzweifelt eine Regierung sein muss, gegen den wachsenden
Widerstand im eigenen Land die Soldaten permanent zu filmen, um
eventuell Bilder zu erhalten, die beweisen sollen, wie mutig und
heldenhaft in dieser feindlichen Region die amerikanischen Soldaten
kämpfen, um eben jene zu befreien, in deren Häuser man gleichzeitig
höchst unfreundlich eindringt und gegen die man ein Ego-Shooter-Spiel
spielt.

--"I think these clips humanize the war for a lot of people who only
see statistics. You see troops talking to each other. You hear the foot
crunches. You see they are ordinary, everyday Americans.-- Brent
Walker, ein ehemaliger Marine, der den YouTube-Channel für das Pentagon
betreibt

Die Asymmetrie des Konflikts findet nicht nur auf der Ebene der
militärischen Mittel statt, sondern auch auf der der Medien. Hier sind
die Aufständischen und Terroristen, die sich als Befreier und
Unterlegene ausgeben können, im Vorteil. Sie können auch die eigene
Gewalt und Grausamkeit zeigen, die sich gegen die überlegenen und
unrechtmäßigen Besatzer richtet, weil sie einen Bonus reklamieren
können. Die Besatzer oder Befreier müssen hingegen möglichst vermeiden,
dass Gewalt, vor allem die selbst ausgeübte, in die Öffentlichkeit
dringt. Brauchen die einen blutigen Krieg, so muss er für die anderen
sauber sein.

--A beautiful video with a happy ending. I love it!!!

GREAT JOB MEN -- KEEP UP THE GOOD WORK!!!!!!!!!!!!!!

GOD BLESS AMERICA!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!-- Wie dieser
Kommentar zeigt, gibt es auch Erfolge an der Heimatfront zu melden

Mit dem Internet funktioniert die bislang von der asymmetrisch
überlegenen Macht vollzogene Säuberung der Medien nicht mehr so gut wie
früher. Aber in den Medienkrieg mit denselben Mitteln einzusteigen und
dieselben Ausblendungen vorzunehmen, kann auch nicht funktionieren. Das
beweist die YouTube-Seite des Pentagon. Was die politisch und vor allem
moralisch überlegene Macht demonstrieren müsste, wäre eine ehrliche
Aufklärung und vor allem ein deutliches und klares Eingeständnis, wenn
Fehler begangen wurden und unschuldige Menschen leiden mussten. Davon
ist das Pentagon noch weit entfernt, das immer noch altmodisch auf
Propaganda, statt auf Transparenz setzt. Die Strategie, nur den Kampf
gegen das Böse darzustellen, und reflexhaft zu verleugnen, dass - wie
jetzt gerade in Afghanistan - immer wieder Zivilisten zum Opfer werden,
wird auch durch einen YouTube-Channel nicht für eine bessere Akzeptanz
sorgen.

LINKS

(1) http://www.youtube.com/user/MNFIRAQ
(2) http://www.youtube.com/watch?v=23fKOK6w4Qw
(3)
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/05/02/AR200705
0202253_pf.html
(4) http://www.fas.org/irp/doddir/army/ar530-1.pdf




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