Suche innerhalb des Archivs / Search the Archive All words Any words

[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[infowar.de] TELEPOLIS zu unserer Konferenz in Berlin



Infowar.de - http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html

--------------------------- ListBot Sponsor --------------------------
Have you visited eBayTM lately?  The Worlds Marketplace where you can
buy and sell practically anything keeps getting better.  From
consumer electronics to movies, find it all on eBay.  What are you
waiting for?  Try eBay today.
http://www.bcentral.com/listbot/ebay
----------------------------------------------------------------------

Ein recht guter Bericht, der aber leider nur den ersten Teil der
Konferenz wiedergibt. Die spannendste Diskussion hatten wir (zumindest
im Sinne des Konferenztitels) am Samstag Nachmittag, als Stefan zuhause
sass und den Artikel geschrieben hat. Nur soviel: Es gab viele neue
Ideen zum Weiterdenken in Richtung Friedenspolitik und Rüstungskontrolle
im Cyberspace, und am Rande der Veranstaltung wurden bereits einige
Nachfolgeprojekte angestossen. RB

http://www.telepolis.de/deutsch/special/info/3610/1.html 

Entspannung an der Cyberwar-Front?
 
 Stefan Krempl   30.06.2001 
 
 Die Böll-Stiftung predigt Cyberpeace und fordert die Abrüstung im 
Wettlauf um die Informationsüberlegenheit 
 
 Keine Panik, versuchen Wissenschaftler auf einer Internationalen 
Konferenz in Berlin zur Rüstungskontrolle im Cyberspace den Hype rund 
um den drohenden Cyberwar zu durchkreuzen. Nur die USA kommen demnach 
als Akteur mit entsprechendem Arsenal an Cyberwaffen in Frage - und 
selbst jenseits des Atlantiks werden die Feindbilder rar. Dass die 
Vereinigten Staaten trotzdem ihre Bestrebungen zur Erreichung der 
absoluten Informationsdominanz verstärken, gibt aber dennoch Anlass zur 
Sorge. 
 
 
 
 Das "Borstenvieh Information Warfare", wusste Konteradmiral a.D. Willi 
Krauss bereits 1998, wird wohl noch eine ganze Weile durchs (globale) 
Dorf getrieben werden. Heute heißt Information Warfare in der Regel der 
Einfachheit halber Cyberwar, dient Militärs und Geheimdiensten aber 
nach wie vor als großes Bedrohungsszenario. So vergeht zumindest in den 
USA kaum ein Tag, an dem Regierungsberater nicht vor den 
geheimnisvollen Cyberwaffen-Arsenalen warnen, die vor allem Russland 
und China entwickeln sollen. "Die Instrumente sind da", wusste Frank 
Lesniak vom Bundesnachrichtendienst (  BND [0]) denn auch bei einer von 
der  Burda-Stiftung [1] und der Ludwig-Maximilian-Universität 
veranstalteten Cyberwar-Konferenz in München zu berichten. 
 
 Man sollte trotzdem nicht gleich "in Panik verfallen", stellte der 
Geheimdienstler dann aber klar. Das ist auch die Devise der am Freitag 
in Berlin gestarteten Konferenz  Rüstungskontrolle im Cyberspace [2], 
die von der "grünen" Heinrich-Böll-Stiftung organisiert wird. Dort geht 
es darum, "Perspektiven der Friedenspolitik im Zeitalter von 
Computerattacken" zu finden. Entspannung angesichts der militärischen 
und "medialen Panikmache", die Olivier Minkwitz von der 
Forschungsgruppe Informationsgesellschaft und Sicherheitspolitik ( 
 FoG:IS [3]) ausgemacht hat, soll dort verbreitet werden, ohne die 
Gefahren jedoch herunterzuspielen. Handlungsweisungen an die Politik 
und Grundsätze für eine Cyber-Rüstungskontrolle sollen folgen. 
 
 
 
 Der Infowar ist ein alter Hut 
 
 
 
 Ziemlich entspannt ging es denn auch zur Sache in der Galerie der 
Böll-Stiftung hoch über dem Hackeschen Markt in Berlins Mitte. Ingo 
Ruhmann vom Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche 
Verantwortung (  FIfF [4] etwa stellte klar, dass die meisten Waffen 
der potenziellen Cyberkrieger "alt und herkömmlich" sind. Tarnen und 
Täuschen, auf die Sicherheit der eigenen Systeme zu schauen und die 
physische Destruktion feindlicher Kommunikationszentralen zu planen - 
diese Formen der "Information Operations" gehörten spätestens seit dem 
Zweiten Weltkrieg zum militärischen Standard. Neu seien allein die so 
genannten Computer Network Attacks, also Angriffe auf Computersysteme, 
die im Volksmund gern als "Hacking" bezeichnet werden. 
 
 Die rein virtuelle Auseinandersetzung zwischen amerikanischen und 
chinesischen Crackern (den "bösen" Hackern), die im April nach der 
Notlandung eines US-Spionageflugzeugs in Fernost "tobte" und in den 
Medien häufig als eine Art "Cyberweltkrieg Nummer Eins" dargestellt 
wurde ( Der World Cyber War I entpuppt sich als heiße Luft [5]), war 
für Ruhmann nichts weiter als "eine Phase alltäglicher Hackereien". Der 
hochgespielte Konflikt habe sich trotz anders lautender Androhungen 
beider Seiten auf einige "Netzschmierereien mit Graffiti-Charakter" 
beschränkt. Ähnlich habe es sich bei den Cyber-Wargames zwischen 
Palästinensern und Israelis im vergangenen Herbst verhalten ( 
Israelische Hacker wollen Websites vor pro-palästinensischen Angriffen 
schützen [6]). 
 
 Sensible militärische Computersysteme bleiben laut Ruhmann bei solchen 
Cracker-Gefechten außen vor. Im Internet seien höchstens Homepages zum 
Imageaufbau zu finden. Und wer Webserver ohne Firewall ins Internet 
stellt, sei selber schuld, wenn sie gehackt würden. Wer dagegen 
kritische Applikationen auf Netzrechnern laufen lasse, "handelt 
fahrlässig". Aber selbst die Firewall-Software, die auf Militär-Servern 
zum Einsatz komme, werde trotz des Trends zum Einsatz kommerzieller 
Programme "nicht von der Stange gekauft". So lasse die Bundeswehr ihre 
virtuellen Brandschutzmauern etwa beim Deutschen Forschungszentrum für 
Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken entwickeln, das nach 
eigenen Angaben "mathematisch korrekte" und daher nur schwer knackbare 
Software entwickle. 
 
 
 
 Kleine Mückenstiche statt Schlangenbiss 
 
 
 
 Rund zehn Jahre, nachdem in den USA erstmals das dunkle, an Urängste 
der Amis rührende Szenario eines "elektronischen Pearl Harbor" an die 
Wand gemalt wurde, hat Ralf Bendrath, einer der Initiatoren von FoG:IS 
und Betreiber der Mailingliste  Infowar.de [7], angesichts der 
ständigen Aufschiebung des prophezeiten heimtückischen Cyberangriffs 
inzwischen selbst jenseits des Atlantiks eine leichte Entspannung 
festgestellt. Politiker und Militärs in Washington hätten anerkannt, 
dass eine Gefahr höchstens von einzelnen Staaten, aber nicht von 
Einzelcrackern oder Hackergruppen ausgehe. Erwartet würden nun "kleine 
Mückenstiche", aber nicht mehr ein "großer Schlangenbiss" ( Homeland 
Defense, virtuelle Raketenabwehr - und das schnöde Ende einer 
Medienhysterie [8]). 
 
 Eine wirkliche Bedrohung für die nationale Sicherheit durch 
Cyberangriffe bestehe einfach nicht, sind sich die 
FoG:IS-Wissenschaftler einig. Dazu bräuchte man Akteure mit einer 
gewissen Intention und den Kapazitäten für die Durchführung eines 
Cyberkriegs - und die seien nirgends auf dem Netzradar auszumachen. 
 
 
 
 Russland ohne Doktrin für die Information Superiority 
 
 
 
 Alexander Nikitin, Direktor des Center for Political and International 
Studies in Moskau, gab ganz in diesem Sinne Entwarnung, was die von den 
USA befürchtete Entwicklung Russlands zur Cybermacht anbelangt. Das 
Mitglied der Russischen Akademie für Militärstudien kann in seiner 
Heimat nirgends die Haltung erkennen, dass ein großes Arsenal an Waffen 
für die Kriegsführung mit dem Computer aufgebaut werden soll. Im 
Gegensatz zu den USA gebe es keine militärische Doktrin für die 
Erreichung der "Informationsüberlegenheit". Auch in der russischen 
"Computer-Community" sei keine entsprechende Mentalität auszumachen. 
 
 Im "Business" rund um Information-Warfare wolle Russland, so Nikitin, 
zwar eine strategische Rolle spielen. Als "regionale Macht mit sehr 
limitierten Ressourcen" könne man aber keine großen Sprünge machen. In 
einem Land, in dem erst 12 bis 15 Prozent der Telefonleitungen 
digitalisiert seien und weite Flächen von keinem Fernsehsender erreicht 
würden, gebe es oft andere Probleme als die Selbstpositionierung als 
"Cyberland". 
 
 Auch China, der zweite von offizieller US-Seite aus oft als 
Angstgegner für einen potenziellen Cyberkrieg porträtierte Staat, gilt 
bislang nicht wirklich als ernst zu nehmende Macht im virtuellen Raum. 
So hatte sich der amerikanische Cyberwar-Experte John Arquilla im 
Telepolis-Interview Anfang des Jahres dahingehend geäußert, dass China 
zwar Konzepte für den Infowar entwickle, seine Fähigkeiten zur 
Umsetzung der Theorien in die Praxis allerdings noch sehr beschränkt 
seien ( Be Prepared: Cyberwar is Coming. Or Maybe Not [9]) 
 
 
 
 Alarmglocken schrillen trotzdem 
 
 
 
 Dass USA-Militärs trotz der Entwarnung auf der Cyberfront emsig weiter 
neue Doktrinen zum Ausbau ihrer Überlegenheit im Bereich der 
Informations-Operationen schmieden und ihren asymmetrischen Vorteil bei 
der E-Kriegsführung jetzt erst recht noch weiter vergrößern wollen, wie 
Martin Kahl, Politikwissenschaftler an der Uni Saarbrücken, ausführte, 
lässt bei den Befürwortern einer Abrüstung im Cyberspace die 
Alarmglocken schrillen. 
 
 Die Vereinigten Staaten gelten den FoG:IS-Forschern als die einzige 
Nation, die schon heute aufgrund der von ihren Geheimdiensten 
zusammengetragenen Informationen und ihrer militärischen Aufrüstung 
einen Cyberkrieg im großen Maßstab führen könnten und kleine Tests 
bereits in Kriegen wie mit dem Irak oder während des Kosovokonflikts 
gegen Serbien vorexerziert haben. Ausgelöst werde dadurch, so Minkwitz, 
wenn nicht direkt eine Rüstungsspirale, so doch zumindest eine 
"Rüstungsdynamik" bei anderen Nationen, die nicht allzu weit hinter die 
USA zurückfallen wollen ( Krieger in den Datennetzen [10]). 
 
 Konkrete Möglichkeiten zur Durchbrechung dieses Zirkels sollen im 
weiteren Verlauf der Konferenz diskutiert werden. Offene Fragen, die 
sich bereits abzeichneten, betreffen vor allem die Schwierigkeit, 
zivile Nutzungen und Fortentwicklungen der Informationstechnik von 
militärischen zu unterscheiden und nur gezielt die letzteren zu 
untersagen. Frank Rieger, Cyberwar-Experte des Chaos Computer Clubs, 
gab zudem zu Bedenken, dass der eigentliche Krieg im Netz längst nicht 
mehr zwischen Staaten, sondern zwischen Firmen geführt werde, die sich 
gegenseitig ihre Unternehmensgeheimnisse abluchsen wollen. 
 
 
 
 Unsicherheit des Internet lädt zu Attacken ein 
 
 
 
 Schnell ist man damit vom eigentlichen Infowar beim Komplex 
"Sicherheit im Internet", um den es dem Hamburger Informatikprofessor 
Klaus Brunnstein zufolge prinzipiell schlecht bestellt ist. Der eifrige 
Warner in der Informationswüste widersprach den auch auf der Konferenz 
häufig geäußerten Auffassungen, dass ein paar Firewalls hier und ein 
bisschen Krypto dort das Netz wirklich sicher machen könnten und der 
Markt schon alles selber regeln würde. 
 
 Für Brunnstein sind sowohl unsere heutigen Computersysteme mit ihren 
Windows-Systemen wie auch das Internet mit seinen Möglichkeiten zum 
Domain-Spoofing oder zum Durchführen von Denial-of-Service-Attacken von 
ihrer Grundarchitektur her "unsicher, undurchsichtig und nicht 
kontrolliert zu steuern". Setze man darauf nun weitere Software wie 
Firewalls, erhöhe man die prinzipiell vorhandenen Sicherheitsrisiken 
letztlich nur. Trojanische Pferde, Würmer und Viren würden daher immer 
Wege finden, sich in den Rechnerwelten einzunisten und dort 
"Landminen-Attacken" vorzubereiten. 
 
 Brunnsteins Vorschlag ist daher, das Internet weiter als freies 
Kommunikationsmedium aufrecht zu halten und gleichzeitig ein 
"Secure-Net" zu entwickeln, das für wirtschaftliche sowie militärische 
Zwecke genutzt wird und ganz anders aufgebaut ist als die heutigen 
Systeme. 
 
  
 
 Links 
 
 [0] http://www.bundesnachrichtendienst.de/
 [1] http://burdacenter.bgu.ac.il/
 [2] http://www.boell.de/cyberpeace/
 [3] http://www.fogis.de/
 [4] http://www.fiff.de/
 [5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/7551/1.html
 [6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/4267/1.html
 [7] http://infowar.de.listbot.com/
 [8] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/7234/1.html
 [9] http://www.heise.de/tp/english/inhalt/te/7122/1.html
 [10] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/info/7892/1.html


______________________________________________________________________
To unsubscribe, write to infowar -
 de-unsubscribe -!
- listbot -
 com