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[infowar.de] Neues BMBF IT-Forschungsprogramm: Kein Hinweis auf SKI-Maßnahmen
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Bulmahn stellt zusammen mit BITKOM-Vize Harms am 26.2. das
Forschungsprogramm IT 2006 vor. IT-Sicherheit und Schutz kritischer
Infrastrukturen sind keine explizit angeführten Themen. Heise fasst das
Programm ganz unten zusammen. Vom Staatssekretär dazu auch keine Aussage.
In den USA werden bekanntlich in jedem Papier aus dem Themenfeld
Cyberwar/-terror/-crime umfassende F&E-Maßnahmen zum Schutz kritischer
Infrastrukturen gefordert. Diese sicherheitspolitische Debatte schlägt
sich, zumindest rhetorisch, auch in der Forschungspolitik der USA nieder.
Die "Networking and Information Technology R&D (NITRD) Initiative" des Office
of Science and Technology Policy (Executive Office des Weißen Hauses)
stellt für 2003 1,3 Mrd US$ bereit. Einer der vier Schwerpunkte: "network
security, reliability, and privacy; high assurance software and systems".
(Vgl. http://www.ostp.gov/html/NetworkingITR&D.pdf)
MfG,
Andreas Schmidt
Frage am Rande: Hast Du einen belastbaren Zeitplan für die Freischaltung
des infowar-Archivs, Ralf?
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http://www.heise.de/ct/02/05/098/
Richard Sietmann
?Neues Spiel, neues Glück?
Staatssekretär Uwe Thomas über IT-Förderung in Deutschland
Mit dem Programm IT 2006 will das Bundesforschungsministerium neue Wege in
der Forschungsförderung beschreiten. c't sprach mit BMBF-Staatssekretär
Uwe Thomas über Erfolge und Misserfolge der staatlichen IT-Förderung.
c't: Herr Thomas, auf einer Veranstaltung zogen Sie neulich eine Bilanz
von mehr als drei Jahrzehnten Förderung der Informationstechnik durch das
Bundesforschungsministerium: ?Am Ende des ersten von drei
Datenverarbeitungs-Programmen war Zuse pleite, als das zweite zu Ende
ging, die AEG; zum Glück wurde das dritte Programm vorzeitig abgebrochen,
deshalb lebt Siemens immer noch?. Was berechtigt zu der Hoffnung, dass mit
?IT-Forschung 2006? diesmal alles anders wird?
Thomas: Man predigt mir immer: Mach keine Witze über deine Arbeit! Aber
ernsthaft: Wenn sie vor 20 Jahren behauptet hätten, dass deutsche
Unternehmen es schaffen würden, in der Mikroelektronik technologisch an
die Spitze zu kommen, hätte man sich über sie lustig gemacht. Jetzt steht
die modernste Produktionsanlage für hochinte-grierte Schaltungen in
Dresden. Vom digitalen Mobilfunk bis zur optischen Nachrichtentechnik gibt
es viele weitere Beispiele. Es braucht einen langen Atem und hängt davon
ab, wie solche Programme angelegt sind. Und man muss die Unternehmen auch
fordern.
c't: Worin besteht denn die Neuausrichtung der Forschungsförderung, von
der in dem Programm die Rede ist?
Thomas: Erstens in der relativ kurzen Laufzeit. Zweitens sind die Roadmaps
und die Auffächerung der verschiedenen Themen ein Angebot und keine
Festlegung. Wir haben nicht den Ehrgeiz, auf Jahre hinaus genau zu sagen,
was gefördert werden soll.
Nehmen Sie zum Beispiel die Konvergenz von Sprach- und Datendiensten zu
einem einheitlichen, IP-basierten Netz. Es bedeutet eine gigantische
Veränderung, synchrone Sprach- und Videodienste in das paketvermittelnde
Internet zu integrieren. Niemand kann heute sagen, ob sich das wirklich
durchsetzt, weil die Fragen des Quality of Service, des Billing und vieles
andere mehr sehr komplex sind. Wir wollen hier also nicht die Richtung
vorgeben, werden aber Projekte fördern, die das überzeugend darstellen.
Oder denken Sie an die Chip-Technologie. Die stößt mit den vielen Beinchen
in der Aufbau- und Verbindungstechnik an ihre Grenzen, weil die Daten nach
wie vor über galvanisch-elektrische Verbindungen vom Chip zum System
laufen. Wenn jemand eine Lösung findet, wie man die Datenströme optisch
abgreifen kann, entsteht auf einmal ein völlig neues Feld. Darauf muss man
sich dann stürzen und die Schwerpunkte verschieben können.
c't: Sie haben es in der Informationstechnik überall mit extrem kurzen
Innovationszyklen zu tun; überfordert das nicht die Mechanismen der
staatlichen Programmförderung?
Thomas: Deshalb konzentrieren wir uns in ?IT-Forschung 2006? auf
Grundlagenthemen. In der Software-Technik für Embedded Systems
beispielsweise werden wir daher nicht einzelne Design-Tools fördern,
sondern die Methoden, die für die Zukunft bestimmend sind, also eher die
mathematische Durchdringung und Formalisierung als die Umsetzung.
c't: Wäre es nicht sinnvoller, die Institute so auszustatten, dass sie die
Mittel selbst disponieren können?
Thomas: Wir wollen ja keine reinen Institutsprojekte, sondern in der Regel
die Industrie dabei haben. Das darf kein in sich geschlossener Kreislauf
werden; das muss in die Universitäten und vor allem in die Industrie
hineinwirken.
c't: Die Experten, die die Projekte evaluieren, sollen ?nicht allein
Gutachter, sondern auch Mentoren der Projekte? sein. Wird dabei nicht der
Bock zum Gärtner?
Thomas: Nein, nein, das wäre die falsche Interpretation. Aber Projekte,
wenn sie risikoreich sind - und das sollten sie sein - können halt auch
schief laufen. Die Idee ist, dass man ein Vorhaben nicht einmal
begutachten und dann irgendwie laufen lässt, sondern versucht, über die
Mentoren eine fortlaufende Qualitätskontrolle zu etablieren.
c't: Die Gutachter sind dann nicht mehr unabhängig, sondern stecken mit
drin.
Thomas: Das ist ein grundlegendes Problem, das wir nie lösen können:
Entweder wir haben es mit völlig unabhängigen Experten zu tun, dann fehlt
ihnen das Verständnis für das, was in der Realität geht und was nicht;
oder aber sie haben enge Verbindungen zur Wirtschaft, dann sind sie nicht
völlig unabhängig. Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die
Qualitätsstandards stimmen.
c't: Nur ein geringer Teil der von der deutschen Industrie benötigten
elektronischen Bauelemente und Komponenten wird hierzulande produziert -
in der Mikroelektronik ist die Bundesrepublik ein Importland. Wie wollen
Sie die Wettbewerbsfähigkeit voranbringen?
Thomas: Indem wir die Technologieführerschaft, die im DRAM-Bereich
inzwischen erreicht wurde, auf komplexe Bausteine übertragen. Das
bedeutet, auf 300-mm-Scheiben nicht nur regelmäßige Strukturen
aufzubringen, sondern auch Systeme. Dass sich damit die Wertschöpfung
erhöht, liegt auf der Hand. Dabei setzen wir besonders auf die Embedded
Systems, die Funktionsintegration von Microcontrollern und Speicherzellen
auf einem Chip für spezielle Systemanwendungen, etwa für Motorsteuerungen.
Die Idee, frontal gegen Intel einen neuen Mikroprozessor zu entwickeln und
durchzusetzen, ist unrealistisch. Aber es gibt einen großen und weiter
steigenden Bedarf an Systembausteinen. Man denke nur an die Anforderungen
der Automobilindustrie und des Maschinenbaus.
c't: An dem Programm fällt die starke Fixierung auf die
Automobilelektronik auf ...
Thomas: Finden Sie?
c't: ... Ja, neben den Embedded Systems zum Beispiel in der
Software-Technik und bei den Displays. Aber die Automobilindustrie nutzt
doch meist nur die technologischen Spin-offs von Entwicklungen, die
woanders vorangetrieben wurden. Embedded Systems liegen in der Technologie
stets ein, zwei Generationen zurück.
Thomas: Sie haben völlig Recht, die Mikroelektronik der
Automobilzulieferer war aus Kostengründen immer von gestern. Der Trick
liegt in dem Brückenschlag zwischen den Systemleuten und denen, die in der
führenden Technologie produzieren können. Nehmen Sie das Beispiel der
Mobilkommunikation: Dort kommt es bei der Höchstintegration nicht auf die
Zahl der Transistoren pro Chip an, dort braucht man die extreme
Dimensionsreduzierung, damit die Schaltungen möglichst schnell werden. Wir
setzen auf die Wertschöpfung mit Embedded Systems in der modernsten
Technologie.
c't: Bislang sind noch Prozessoren, Speicher, Rechner, Software, Netze,
Endgeräte die Technologietreiber.
Thomas: Das ist ein interessanter Punkt. Wie weit dringen die Embedded
Systems vor, und wie weit dominiert der klassische Computer mit immer
größerer Leistung? Wir reden hier übrigens nicht nur über den
Automobilsektor, sondern über alle möglichen Industrie- und
Dienstleistungszweige - Automaten, Maschinensteuerungen, Medizintechnik,
Mobilfunk und so weiter. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich die
Vielfalt von Funktionen auch mit universellen Bausteinen abdecken lässt,
von leistungsfähigen Computern-on-Chip, und dann die Wertschöpfung immer
weniger in der Hardware, sondern in den Applikationen und der Software
stattfindet.
c't: Dann hätten Intel & Co. wieder einen Wettbewerbsvorteil, weil sie auf
ihren Bauteilbibliotheken aufbauen können. Gegen diesen Vorsprung würde
man mit Embedded Systems nie ankommen.
Thomas: Damit aus Modulen Chips mit Milliarden von Transistorfunktionen
entstehen, die vom Design her noch beherrschbar sind, brauche ich erstens
sehr mächtige Designwerkzeuge; zweitens muss ich den ganzen Designvorgang
so formalisieren und mathematisieren, dass ich überhaupt noch in einer
vernünftigen Zeit testbare Lösungen bekomme. Sind diese Voraussetzungen
gegeben, ist die Vervielfältigung billig.
Das ist doch der Grund, weshalb die DRAM-Leute so den Wechselbädern des
Marktes ausgesetzt sind: Dort findet die Wertschöpfung kaum im Design
statt. Deshalb müssen wir die Technologiebasis, die wir uns erarbeitet
haben, und die ungeheure Systemfähigkeit, die in Deutschland existiert,
zusammenbringen. Das sollte doch wohl möglich sein!
Deshalb fördern wir zum Beispiel das jetzt in Hannover aufgebaute
?edacentrum? zur Automatisierung des Schaltungsentwurfs. Nicht, weil wir
bei den Designwerkzeugen jetzt autark werden wollten, das wäre Unsinn,
aber wir wollen ein ernst zu nehmender Mitspieler werden. Die
Voraussetzungen dafür sind gar nicht schlecht. Was die Formalisierung mit
den Mitteln der diskreten Mathematik angeht, haben die Mathematiker in
Deutschland - etwa die Gruppen um Bernhard Korte an der Uni Bonn oder am
Max-Planck-Institut von Kurt Mehlhorn in Saarbrücken - wirklich etwas zu
bieten.
c't: In der Internet-Technologie spielt Europa nur eine untergeordnete
Rolle, die USA dominieren Standards und Infrastruktur. In Deutschland gibt
es nur wenige Forschergruppen, die international Beachtung finden. Lässt
sich das Terrain noch gutmachen?
Thomas: Es gibt in Europa und auch in Deutschland, nicht zuletzt durch den
Wettbewerbsdruck, eine sehr klare Modernisierungsstrategie. Ob das nun die
Aufrüstung des Kupfernetzes zum Teilnehmer mit DSL ist oder das optische
Kernnetz oder die Strategien zur Konvergenz der Netze - das sollte man
nicht unterschätzen. Wir haben hier meines Erachtens eine Chance. Aber
nur, wenn es genauso läuft, wie es bei GSM funktionierte, nämlich dass
vorausschauende Forschung, eine clevere Industrie und vernünftige Carrier
kooperieren. Aus dieser Kooperation entstand der GSM-Standard, und dank
dieses Standards hat die Mobilfunkindustrie ihre führende
Wettbewerbsposition erlangt.
Wir stehen jetzt vor dem Übergang vom Kupfer auf die Optik bis zum
Teilnehmeranschluss. Das verändert die Netzstrukturen, und wie die
optischen Router der Zukunft aussehen, ist noch nicht entschieden. Da
bieten sich gute Chancen, gemeinsam mit der Industrie und dem Know-how in
Forschungseinrichtungen wie FOKUS und dem Heinrich-Hertz-Institut
voranzukommen. Und mit KomNet und dem Nachfolgeprojekt MultiTeraNet sind
wir auf dem besten Weg.
c't: Welche Rolle spielen die Forschungs- und Wissenschaftsnetze in diesem
Zusammenhang?
Thomas: Das Deutsche Forschungsnetz mit dem Gigabit-Netz leistet einen
ganz entscheidenden Beitrag in der Ausbildung; wenn es das nicht gäbe,
fehlten uns Tausende von Leuten mit Erfahrung im Netzwerkbereich.
c't: Ist das ein klares Bekenntnis zum Fortbestand des DFN-Vereins?
Thomas: Es ist etwas ärgerlich, dass wir Baden-Württemberg nicht
überzeugen konnten. Ich mag auch die persönlichen Querelen nicht, die da
zum Teil dahinter stehen, denn ich halte den DFN gerade wegen seines
ungeheuren Beitrags zur Ausbildung für eine verdienstvolle Einrichtung.
Bei der Entwicklung neuer Standards hat er aus meiner Sicht sicherlich zu
wenig geleistet. Woran immer das gelegen haben mag, ich werfe es niemandem
persönlich vor.
c't: Die Evaluierung des DFN-Vereins durch den Wissenschaftsrat steht kurz
vor dem Abschluss - ist denn die Option ?Privatisierung? jetzt vom Tisch?
Thomas: Der DFN-Verein ist privat organisiert; der Bund und die Länder
sind nicht Mitglied des DFN. Mitglieder und Entscheider sind im
Wesentlichen die Hochschulen und außeruniversitären
Forschungseinrichtungen. Eine ganz andere Frage ist die Finanzierung. Ein
international führendes Forschungsnetz gibt es nicht zum Nulltarif; hier
wird der Staat weiter gefordert bleiben.
c't: Der Vorwurf lautet, dass die Dienste des DFN-Vereins für die
akademischen Einrichtungen von privaten Netzbetreibern billiger erbracht
werden könnten.
Thomas: Dieser Vorwurf geht von falschen Voraussetzungen aus. Zunächst
einmal ist der DFN eine gemeinnützige Einkaufsgemeinschaft. Der DFN ist
selbst Kunde der privaten Netzbetreiber; ihm geht es darum,
standardisierte Leistungen zu einem guten Preis einzukaufen und der
Community zur Verfügung zu stellen. Aber ich erwarte vom DFN auch neue
Dienste, das heißt der DFN-Verein sollte neue Netzanwendungen, die er für
die Hochschulen realisiert und die ein paar Jahre vor den am Markt
erhältlichen Dienstleistungen liegen, möglichst gemeinsam mit privaten
Service Providern einer wirtschaftlichen Nutzung zuführen.
c't: Das Thema Displaytechnik taucht in ?IT-Forschung 2006? nur als
Unterpunkt der Kommunikationstechnik auf - hat es für einen eigenständigen
Schwerpunkt nicht gereicht?
Thomas: Displaytechnik trägt heute aufgrund der wirtschaftlichen
Ausgangslage noch keinen eigenen Programmbereich. Das heißt aber nicht,
dass wir dieses Thema als eine chancenlose Geschichte ansehen. Wir haben
bei Flachdisplays zwar eine lange Leidensgeschichte hinter uns, aber wir
befinden uns jetzt beispielsweise mit den Polymer-Displays in einer völlig
neuen Situation.
Bei den Displays gibt es ja die U-Kurven-Theorie: Wenn man den Gewinn über
der Stückzahl aufträgt, ergibt sich eine U-förmige Kurve. Sie besagt, dass
man mit einer Spezialität auch bei geringen Stückzahlen schon Geld
verdienen kann; mit einem Massenprodukt ist das erst bei großen
Stückzahlen der Fall. Und dazwischen gibt es einen kritischen Bereich, aus
dem man durch Mengenwachstum schnell herauskommen muss, sonst hat man
keine Chance. Die Schwierigkeit liegt darin, dieses Verlusttal zu
durchschreiten. Der Automobilsektor ist ein Bereich, hinter dem
Stückzahlen stehen. Da macht das Programm eine klare Aussage: ?Die größten
Chancen für den deutschen Standort werden in Zukunft insbesondere bei
Displays für die Automobil- und Kommunikationstechnik gesehen?.
c't: Die praktisch einzige Firma auf diesem Sektor in Deutschland, Optrex
Europe, ist eine japanische Tochter.
Thomas: Wenn sich Technologien ändern, gibt es immer wieder neue
Einstiegsmöglichkeiten. Ich muss noch einmal auf das Beispiel
zurückkommen: Vor 15 Jahren hat Siemens von Toshiba die DRAM-Technologie
übernommen; vor ein paar Wochen ist Toshiba völlig ausgestiegen und hat
die letzte DRAM-Fabrik verkauft. Und ausgerechnet der Nachhilfeschüler
Siemens beziehungsweise Infineon hat gute Chancen, beim Aufschwung
nächstes Jahr wieder einen Milliardengewinn zu machen. Neues Spiel, neues
Glück. Das müssen wir auch bei der Displaytechnik nutzen.
c't: Das klingt sehr nach Industriepolitik. Ist das nicht ein Unwort?
Thomas: Das war eines, als das Wirtschaftsministerium noch von
Neoliberalen und nicht von Praktikern geführt wurde. Natürlich ist die
Forschungsförderung industriepolitisch motiviert.
c't: Wirtschaftswissenschaftler vergleichen Forschung und Entwicklung gern
mit einem Lotteriespiel: Auf das richtige Pferd gesetzt, winkt mit etwas
Glück ein saftiger Gewinn. Muss sich der Staat eigentlich an diesem Spiel
beteiligen? Das könnte doch den Kapitalanlegern und
Venture-Capital-Gesellschaften überlassen bleiben.
Thomas: Darauf gebe ich Ihnen eine seriöse und eine unseriöse Antwort.
Hier ist erst mal die unseriöse: Mit dem Lottoeinsatz finanzieren sie
immer auch den Anteil, den die Gesellschaften abzocken - es werden ja
nicht alle Einnahmen voll ausgeschüttet. Das heißt, es gewinnen immer auch
diejenigen, die sich daran nicht beteiligen, nämlich ihre
Opportunitätskosten. Bei der FuE ist es umgekehrt: Nur wer mitspielt, hat
eine Chance.
Aber jetzt die seriöse Antwort: In diesem Jahr - das hat sich Gott sei
Dank in den letzten zwei Jahren kräftig erhöht - geben öffentliche Hand
und Wirtschaft in Deutschland etwa 50 Mrd. Euro für FuE aus, rund zwei
Drittel davon die Industrie. Daraus ziehen einige kluge Leute den Schluss,
dass die Industrie sowieso alles dominiert. Diese Helden, die
Nationalökonomie und nicht Technik studiert haben, haben nie hinter die
Statistik geschaut: Ein Drittel der FuE-Ausgaben der Industrie geht in die
Entwicklung neuer Autos. Von den rund 33 Mrd. Euro der Industrie entfallen
bei großzügiger Rechnung 2,5 Mrd. Euro auf die Forschung; alles andere ist
Produktentwicklung. Von den 17 Mrd. Euro dagegen, die der Staat ausgibt,
ist fast alles Forschung und nur ein verschwindender Bruchteil
Entwicklung.
Mit anderen Worten, die langfristige Zukunftssicherung erfolgt durch die
Forschung der öffentlichen Hand. Firmen können keine Entwicklung treiben,
wenn es keine Forschungsbasis gibt. Dort wo die öffentliche Hand massiv
eintritt - in den USA, Frankreich, Deutschland - entstehen wirklich die
Grundlagen für die Zukunft. Das Problem ist nur, man muss die richtigen
Gebiete erwischen und es so anpacken, dass daraus Innovationen werden.
Diese beiden Leistungen kann der Staat nicht isoliert erbringen, das
können nur Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam leisten. So ist das ganze
Programm ?IT-Forschung 2006? angelegt.
c't: Die USA wenden in diesem Bereich pro Kopf rund zwei Euro mehr auf.
Thomas: Wobei ein nicht unerheblicher Teil der Mittel aus dem
Militärhaushalt stammt. Das für mich Verblüffende ist, dass wir überall,
wo wir uns strategisch aufstellen und konzentrieren, für einen Bruchteil
des Geldes mit der amerikanischen Forschung mithalten können. Nehmen sie
das Beispiel Galliumarsenid, vor dem Aufschwung des Mobilfunks ein
typisches Halbleitermaterial der Militärelektronik: Da kommt heute ein
Viertel der gesamten Weltmarktproduktion aus Freiberg in Sachsen.
Wir müssen uns also keineswegs immer vor den Amerikanern verstecken. Ich
würde sogar behaupten, dass bei den Misserfolgen, die wir gelegentlich
hatten, die Projekte weniger an mangelnden Ressourcen scheiterten, sondern
weil die Industrie zu wenig Mut aufbrachte, den letzten Schritt zu tun und
mit den Ergebnissen in den Markt zu gehen.
Bei dem Projekt SUPRENUM, einem Vorläufer der heutigen numerischen
Höchstleistungsrechner, hätte sich ein Unternehmen, so wie Cray seinerzeit
in den USA, der Geschichte annehmen und wir mindestens 20 solcher
Maschinen für unsere Forschungszentren kaufen müssen. Das einzige
Unternehmen - Krupp-Atlas damals - war zu klein, und aus Ängstlichkeit
wurde das Projekt zu früh abgebrochen. Das lag nicht an fehlenden
technischen Fähigkeiten oder zu knappen Ressourcen. Wir brauchen halt ein
bisschen mehr Selbstbewusstsein.
c't: Woran werden Sie den Erfolg von ?IT-Forschung 2006? messen?
Thomas: An Marktanteilen im Jahr 2010.
c't: Also nicht unbedingt in Veröffentlichungen oder Patenterteilungen?
Thomas: Auf dem Weg dahin, sicher. Aber das ist nicht das letztlich
entscheidende Kriterium. Wir machen Industriepolitik. Wobei man das nicht
zu eng eingrenzen sollte, Dienstleistungen gehören dazu.
c't: Die deutsche Software-Szene hat bei Linux und Open Source Software
eine relativ starke Position. Dieser ganze Bereich steht aber in dem Ruch,
eine fragile Angelegenheit von Freizeitprogrammierern zu sein. Was kann
das BMBF tun, um die Stabilität der OSS-Entwicklung zu sichern?
Thomas: Ich bin ein Fan von Open Source Software, da sie in vielen Fällen
innovativ wirkt und insbesondere neue Geschäftsmodelle zulässt. Die Tür
für OSS machen wir in ?IT-Forschung 2006? explizit auf. Aber ich wünschte
mir, dass OSS von den Unternehmen - aber auch von der öffentlichen Hand -
stärker noch als Chance gesehen wird.
c't: Woran scheitert es?
Thomas: An den Marktgegebenheiten und dem Mut der Akteure. Viele
vergessen, wie leicht sich die Verhältnisse ändern können. Denken Sie an
IBM. Früher dachte man, IBM ist unschlagbar, bis sie in ein tiefes Tal
hineinfielen ...
c't: Jetzt setzt IBM unter anderem auf Linux.
Thomas: ... das kann Microsoft irgendwann einmal genauso gehen. (anm)
Seitenanfang
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Dr. Uwe Thomas (63) war von 1973 bis 1988 im Forschungsministerium für die
Informationstechnik zuständig. Als verantwortlicher Unterabteilungsleiter
initiierte der Physiker Anfang der achtziger Jahre unter anderem das
Sonderprogramm ?Anwendungen der Mikroelektronik?. Von 1988 bis 1993 war er
Staatssekretär und Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr in
Schleswig-Holstein. Seit Oktober 1998 ist er Staatssekretär im
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).
Seitenanfang
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IT-Forschung 2006
Rund 1,5 Milliarden Euro an Projektfördermitteln will das
Bundesforschungsministerium in den Jahren 2002 bis 2006 in die Forschung
und Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) stecken,
zusammen mit den Projektmitteln im Anwendungsbereich ?IT in der Bildung?
und der anteiligen institutionellen Förderung der außeruniversitären
Forschungseinrichtungen (FhG, HGF, WGL, DFG, MPG) in Höhe von 1,5 Mrd.
Euro umfasst das Programm ?IT 2006? insgesamt ein Volumen von 3,6 Mrd.
Euro. Im laufenden Haushaltsjahr sind 593 Millionen Euro veranschlagt, das
sind mit umgerechnet 6,52 Dollar pro Kopf der Bevölkerung zwei Dollar
weniger als die USA aufwenden (8,47 Dollar) und ist in etwa vergleichbar
den japani-schen Investitionen in die IT-Forschung (6,33 Dollar).
Mehr als 300 Fachleute wirkten in 30 Workshops, Expertenrunden und
Konsensgesprächen an der Ausarbeitung der vier Schwerpunktbereiche mit:
Nanoelektronik und -systeme (395,5 Mio. Euro 2002-2006)
Die staatliche Förderung der auf Silizium basierenden Elektronik mit
Strukturbreiten von unter 100 nm orientiert sich an den von der
International Technology Roadmap for Semiconductors (ITRS-Roadmap)
vorgegebenen Entwicklungszielen und konzentriert sich auf Technologien und
Geräte für die Fertigung (z. B. next-generation Lithography), neuartige
Schaltungen und Bauelemente sowie Chipsysteme und Entwurfsmethodik.
Softwaresysteme (272,8 Mio. Euro 2002-2006)
Schwerpunkte sind Software Engineering als ?Produktionstechnik des 21.
Jahrhunderts?, Höchstleistungsrechnen und Grid Computing,
Mensch-Technik-Interaktion, Intelligente Systeme/Wissensverarbeitung und
bioanaloge Informationsverarbeitung.
Basistechnologien für die Kommunikationstechnik (282,5 Mio. Euro
2002-2006)
Hierunter fallen photonische Kommunikationsnetze mit optischer
Übertragungstechnik (MultiTeraNet), Mobile Breitband-Kommunikatonssysteme
(HyperNet), daneben Displaytechnik (OLEDs und Projektionssysteme) und
?neue Komponenten und Materialien? (Polymerelektronik, Photonische
Kristalle, Quantenstrukturen).
Internet - Grundlagen und Dienste (150,5 Mio. Euro 2002-2006)
Dieser Programmbereich umfasst Middleware, Protokolle und mobiles
Internet; die Erschließung von Wissen im Netz (Semantic Web, mobiles
Streaming, intelligente Suchmaschinen, Directory Dienste) sowie
Internet-gestützte Prozesse (IT-Service-Management) und Dienste für die
Wissenschaft.
Als ?Megatrends?, an denen sich die Förderung ausrichtet, nennt
?IT-Forschung 2006? die Konvergenz (der Informations-, Kommunikations- und
Medientechnologien in Netzen, Endgeräten und Anwendungen) und die
Komplexität (die vor allem bei softwaredefinierten Prozessen eine
Herausforderung an die Systemsicherheit und für die Entwicklung neuer
kognitiver Systeme an der Mensch-Maschine-Schnittstelle darstellt). In den
Bereich der eher langfristig orientierten Forschungsvorhaben fallen
Quantum Computing, die rein-optische Datenverarbeitung, Magnetoelektronik
und Spintronik, DNA-Computer und Biohybrid-Systeme.
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