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[infowar.de] Geheimdienste bekommen Zugriff auf das Schenken-Informationssystem
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/12290/1.html
Die Europäische Union baut das Schengen-Informationssystem aus
Christiane Schulzki-Haddouti 11.04.2002
Auch Geheimdienste dürfen das größte europäische Fahndungssystem
nutzen
Nicht das Europol-Computersystem ist das größte polizeiliche
IT-System in Europa, sondern das SIS, das Computersystem der ehemaligen
Schengen-Staaten: Es reicht von Island bis zum Mittelmeer, vom Atlantik
bis an die polnische Grenze. Ende 2001 speicherte es knapp 11 Millionen
Falldaten. Die Überwachung durch das SIS sollte die Öffnung der
Binnengrenzen kompensieren. Nun will die europäische Union unter dem
Eindruck der Terroranschläge vom 11. September das SIS wesentlich
erweitern - und auch Inlandgeheimdienste den Zugang öffnen.
1985 hatten Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten in Stadt
Schengen in Luxemburg eine Vereinbarung getroffen: Die Länder
akzeptierten gegenseitig Visa und vereinbarten eine engere polizeiliche
Zusammenarbeit. Außerdem bauten sie die nationalen Grenzkontrollen
zwischen den Ländern ab, während die Kontrollen entlang der
Außengrenzen verstärkt wurden. 1990 unterzeichneten sie das so genannte
Schengen-Abkommen. Italien, Spanien, Portugal, Griechenland und
Österreich folgten. 1999 wurde mit dem Amsterdamer Vertrag das
Schengen-System in die EU-Strukturen intgriert. Großbritannien und
Irland behielten ihre nationalen Grenzkontrollen, nehmen jedoch am SIS
teil.
Nun will die EU das Informationssystem ausbauen. Nach Informationen
der britischen Bürgerrechtsorganisation [1]Statewatch sind vier neue
Funktionen vorgesehen: Zum einen soll eine Datebank für gewalttätige
Unruhestifter eingerichtet werden, die zu bestimmten Zeiten von Reisen
in bestimmte Gegenden abgehalten werden sollen. Eine andere so
genannten Demonstranten-Datenbank soll alle ausgegebenen und
verweigerten Visa führen. Desweiteren soll das SIS eine
Terroristen-Datenbank führen und eine neue Kategorie für "Leute, die
daran gehindert werden, den Schengen-Raum zu verlassen" einrichten.
Dazu zählen Leute, die Teil einer strafrechtlichen Untersuchung sind,
Gefangene, die auf Bewährung entlassen wurden, sowie Kinder, denen eine
Entführung droht.
SIS II - das Fahndungssystem
Zu den Vorschlägen für ein SIS II gehört auch der Vorschlag,
zusätzliche Identifikationsdaten zu verwenden - wie Fotografien,
Fingerabdrücke und "möglicherweise andere Materialien" - womit wohl
DNA-Profile gemeint sind. Die EU möchte auch biometrische Daten SIS II
zuführen, so dass nationale Datenbanken auf Daten zur Gesichts- und
Iriserkennung, der Erkennung von Autokennzeichen oder Fingerabdrücken
zurückgreifen können.
Auch sollen Personen mit "Aufklärungskennzeichen" versehen werden,
wenn sie im Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben, oder eine
"psychologische Gefahr" darstellen oder bestimmte Gegenstände
"besitzen, mit sich führen oder gebrauchen". Zusätzlich sollen neue
Objektkategorien eingeführt werden, um Beschlagnahmungen oder
Überwachungen zu unterstützen, aber auch um jede SIS-Suche zu
dokumentieren. Auf diese Weise können Behörden anderen Staaten
nachvollziehen, was ihre Kollegen interessiert.
Was Datenschützer irritieren dürfte, ist folgender Vorschlag: Daten
sollen miteinander verbunden werden können: So könnten die Daten
unterschiedlicher Personen miteinander verknüpft werden, um eine
Überwachung für eine bestimmte Gruppe zu initiieren. Ebenfalls könnten
Personen mit Objekten verknüpft werden. Der Schritt zu einer
[2]Rasterfahndung auf europäischer Ebene ist hier nicht mehr weit.
Breite Zugriffsbefugnisse
Die SIS II-Daten sollen künftig auch Europol und Eurojust zur
Verfügung stehen. Die Staatsanwälte von Eurojust werden über SIS II
Zugriff auf den Europäischen Haftbefehl erhalten, der dort gespeichert
ist und der an die Polizei entweder über ein Sirene-Büro oder Interpol
übermittelt werden soll. Sirene (Supplément d'Information Requis a
l'Entrée Nationale) ist das andere IT-System im Schengen-System, das
den bilateralen und multilateralen Austausch erleichtern soll. Es
liefert zudem ergänzende Informationen über Personen und Objekte, die
im SIS registriert sind. Über das Sirene-System kann die Polizei
länderübergreifend über bestimmte Personen Ergänzungsinformationen
beziehungsweise "weiche Daten" anfordern. Das SIS hingegen speichert
ziemlich begrenzte und standardisierte Informationen. Sirene gilt als
wesentlich effizienter als das Interpol-System.
Europol seinerseits soll sogar Daten hinzufügen, abändern oder löschen
können (siehe [3]Statewatch News). Ein entsprechender Vorschlag liegt
mit dem Papier "Crimorg 80" bereits seit Juni 1999 auf dem
Verhandlungstisch. Der Vorschlag ging auf Deutschland zurück, wurde
jedoch von Frankreich kritisiert. Doch offenbar sind jetzt alle
Streitigkeiten ausgeräumt. Hintergrund ist, dass Europol nicht von
allen Ländern gleichermaßen mit Informationen versorgt wurde. Mehrere
Analysen wurden so blockiert. Mit dem vollen SIS-Zugriff würde Europol
aber auch über operationelle Befugnisse verfügen, die ihm nach dem
Europol-Abkommen bislang nicht zustehen. Artikel 6 verbietet
ausdrücklich die Verbindung der Europol-Datenbank mit den Datenbanken
anderer Strafverfolgungsbehörden.
Auch Behörden, die für Asylbewerber zuständig sind, sowie
Einwohnemelderämter, die für die Ausgabe von Identitätsausweisen
zuständig sind, sollen auf SIS II zugreifen können - genauso wie auch
Kraftfahrzeugämter und Kreditanstalten im Zuge der
grenzüberschreitenden Betrugsbekämpfung.
Inlandgeheimdienste
Auch Inlandgeheimdiensten soll der Zugriff zur geplanten
Terroristen-Datenbank möglich sein. Sie sollen so besser in der Lage
sein, Bedrohungsszenarien sowie Notfall- und Eingriffspläne zu
entwickeln. Statewatch erinnert hier mahnend darn, dass Artikel 99.3
des Schengen-Abkommens den Diensten keinen umfassenden Zugriff auf SIS
gewährt, sondern nur auf die entsprechende Terroristen-Datenbank.
Daten, die Flüchtlinge und Ausländer betreffen, dürfen nur von den
zuständigen nationalen Einwanderungsbehörden abgerufen werden. Alles
andere wäre "ungesetzlich".
Statewatch kritisiert, dass zwar vorgesehen ist, dass die Behörden
Zugriff auf alle SIS-Daten bekommen sollen, doch dass zwei wesentliche
Fragen dabei nicht beantwortet würden: "Zu welchem Zweck dürfen sie die
Information nutzen?" und "Welche Garantien für einen Datenschutz werden
gegeben?" Fraglich ist deshalb, welche Art von Informationen unter
welchen Bedingungen in die Terroristen-Datenbank einfließen werden, zu
welchem Zweck sie benutzt werden und welche Datenschutz-Garantien es
gibt.
Fazit
Die Frage des Datenschutzes, der Kontrolle ist bislang unbefriedigend
ungelöst. Zumindest ist in den Arbeitspapieren davon nichts zu lesen.
Erschwerend kommt hinzu, dass mit der Integration des Schengen-Systems
in die EU auch die jährliche Berichte der "Schengen Joint Supervisory
Authority" eingestellt wurden. Die internationale Datenschutzbehörde
existiert zwar noch, ist jedoch nicht mehr für den gesamten
Schengen-Komplex verantwortlich. Auch ist eine Überarbeitung des
Schengen-Abkommens oder gar des Europol-Abkommens nicht in Sicht.
Links
[1] http://www.statewatch.org/news/2002/apr/01sis.htm
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/12275/1.html
[3] http://www.statewatch.org/news/2002/mar/15europol.htm
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