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[infowar.de] Schwierigkeiten mit der Pressefreiheit im Irak
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/irak/16169/1.html
Schwierigkeiten mit der Pressefreiheit im Irak
Florian Rötzer 25.11.2003
Der von der US-Regierung eingesetzte Regierungsrat hat den arabischen
Sender al-Arabiya wegen Anstiftung zur Gewalt im Irak geschlossen, kurz
zuvor hatte Rumsfeld den baldigen Start eines mit den arabischen
Sendern konkurrierenden Fernsehsenders angekündigt
Wie erwartet hat der Regierungsrat wohl auf Druck der amerikanischen
Zivilverwaltung [1] die Redaktion des arabischen Fernsehsenders
al-Arabiya in Bagdad geschlossen und verboten, weiter aus dem Land zu
berichten. Vorgeworfen wird ihm, zum Mord aufgerufen zu haben, weil er
eine Tonbandbotschaft gesendet hat, die angeblich von Saddam Hussein
stammt.
Neben al-Dschasira ist al-Arabiya der populärste Fernsehsender im Irak,
wie kürzlich aus einer Umfrage hervorgegangen ist. Die Iraker vertrauen
eher den arabischen Satellitensendern als dem von den Amerikanern
kontrollierten Iraqi Media Network (IMN). Wer über Satellitenschüsseln
verfügt, scheint nur noch dann dem von Hussein übernommenen IMN zu
sehen, wenn es um lokale Nachrichten geht. Der IMN wird derzeit von der
US-Rüstungsfirma Scientific Applications International Corporation
(SAIC) betrieben und sendet lediglich offizielle Verlautbarungen und
Pressekonferenzen. Mit 100 Millionen US-Dollar, die vom Kongress
bewilligt wurden, soll der Sender modernisiert und konkurrenzfähig
gemacht werden ( Bush-Regierung will den "Filter" der Medien
überspringen [2]).
Am Freitag noch hatte US-Verteidigungsminister Rumsfeld die neue
Pressefreiheit im Irak angepriesen [3], auch wenn die freie Presse
hier missbraucht werden. Jetzt könnten die Iraker erstmals frei sagen,
was sie sagen möchten. Er kündigte an, dass ein neuer Sender der
Zivilverwaltung nächsten Monat starten werde, um gegen die arabischen
Sender zu konkurrieren, die er als "violently anti-coalition"
bezeichnete. Das aber werde Zeit brauchen. Im Rückblick war die
Schließung des Senders möglicherweise ein Schritt zur Ausschaltung der
Konkurrenz:
Gegenwärtig sind zwei der beliebtesten Sender, al-Arabiya und
al-Dschasira, gewaltsam gegen die Koalition eingestellt, und waren ganz
offensichtlich Pro-Hussein, im Fall von al Dschasira. Sie haben ihre
Zuschauer, und es wird Zeit brauchen, die Menschen dazu zu bringen,
andere Sendungen anzusehen.
Schon seit dem Afghanistan-Krieg versuchen die Amerikaner Druck auf die
neuen arabischen Sender, allen voran al-Dschasira, auszuüben, weil sie
angeblich antiamerikanische Propaganda machen und immer wieder Videos
und Tonbandaufzeichnungen von Bin Laden oder neuerdings Saddam Hussein
gesendet haben. Sowohl in Afghanistan als auch im Irak wurden
Redaktionsbüros von al-Dschasira vom US-Militär bombardiert,
Journalisten wurden beschuldigt, mit al-Qaida zusammen zu arbeiten. Mit
der Meinungs- und Pressefreiheit in der arabischen Öffentlichkeit
scheinen die Amerikaner nicht zurecht zu kommen ( USA vs. Demokratie
"Arab Style" [4]), was den Verdacht keimen lässt, dass hier mit einem
doppelten Maßstab hantiert wird.
Seit dem Irak-Krieg hat al-Dschasira vor allem mit al-Arabiya
Konkurrenz [5] erhalten. Im Juni hatte die Zivilverwaltung Sendungen
verboten, die zur "Gewalt und Unordnung" aufrufen. Im September wurde
bereits eine Zwei-Wochen-Sperre für Journalisten der beiden Sender
ausgesprochen ( Verantwortlich für Chaos und Auflehnung [6]).
Nachdem al-Arabiya am 16. November eine angeblich von Saddam Hussein
stammende Tonbandaufzeichnung gesendet hatte, in dem auch zu Angriffen
auf die Koalitionstruppen und deren Mitarbeiter aufgerufen wurde, wurde
die Redaktion des Senders durchsucht, Ausrüstung beschlagnahmt und dem
Sender verboten, weiterhin aus dem Irak zu berichten. Ebenfalls
durchsucht wurden die Räume des Middle East Broadcasting Center [7],
das zum selben Medienunternehmen gehört.
"Wir haben beschlossen", so Jalal Talabani, derzeit der Vorsitzende des
Regierungsrates, "al-Arabiya für eine bestimmte Zeit im Irak zu
verbieten, weil er durch die Stimme von Saddam Hussein eine Einladung
zum Mord, eine Aufforderung zum Mord gesendet hat." Er kündigte auch
an, dass man gegen den Sender aus Dubai auch rechtlich vorgehen wolle.
Talabani erklärte, dass vom Regierungsrat ein umfassender
Antiterrorplan beschlossen wurde, zu dem auch militärische Maßnahmen
gehören. Zudem werde man ab Dezember eine nationale Medienkampagne
starten. Ratsmitglied Mowaffak al-Rubaie beschuldigte al-Arabiya, "zur
Gewalt aufzurufen, religiöse Spannungen zu verstärken und den
Terrorismus zu fördern". Die Sendung der angeblichen Hussein-Rede sei
nicht der einzige Grund für das Verbot gewesen.
Die US-Regierung verteidigt die Schließung, die von
Journalistenorganisationen kritisiert wird
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Richard Boucher, stellte sich
hinter das Verbot. Man wolle damit vermeiden, "dass diese Medien als
Kanal für einen Aufruhr, für aufhetzende Äußerungen und für Äußerungen
und Aktionen gebraucht werden, die die Sicherheit der Menschen
gefährden, die in Bagdad leben und arbeiten, was auch die irakischen
Bürger einschließt".
Der Sender hatte vor der Schließung der Redaktion und der Entfernung
der Satellitenverbindung die Anschuldigung zurück gewiesen und jetzt
schriftlich versichert, das Verbot einzuhalten, bis der Vorgang
rechtlich geklärt ist. Man werde aber weiterhin über den Irak
berichten, wenn auch nicht vom Büro in Bagdad aus. Angeblich wurde den
Redakteuren das Angebot gemacht, dass weiter gesendet werden dürfe,
wenn sie schriftlich versichern, keine Inhalte mehr zu senden, die zu
Gewalt anstiften. Das aber kann sehr willkürlich ausgelegt werden und
eine freie Berichterstattung verhindern.
Salah Negm, Chefredakteur von al-Arabiya, hat die Entscheidung des
Regierungsrats als "unfair" kritisiert [8]: "Als Saddam Hussein an der
Macht war, sendeten die BBC und CNN seine Reden, die zur Gewalt gegen
andere arabische Politiker aufriefen, aber niemand schritt damals
dagegen ein." Negm meinte weiter, dass al-Arabiya über die Ereignisse
berichtet, die geschehen:
Wir machen die Ereignisse nicht. Wenn man die Gründe für die Gewalt
beseitigen will, dann muss man die Ursachen behandeln. Aber man kann
nicht die Medien bestrafen, die darüber berichten, was sich ereignet.
Auch das Committee to Protect Journalists (CPJ) hat die Schließung der
Redaktion verurteilt [9]. Die Organisation Reporter ohne Grenzen
fordert [10] eine Rücknahme des Verbots, da Medien, wenn sie
Äußerungen veröffentlichen, die zur Gewalt aufrufen, nicht für den
Aufruf zur Gewalt verantwortlich gemacht werden dürfen:
Die Behandlung der Nachrichten ist die alleinige Verantwortung der
Nachrichtenredakteure. Iraks neue Behörden sollten nicht versuchen,
eine Nachrichtenorgansiation durch Anwendung von Gewalt zur Veränderung
ihrer Redaktionsrichtlinien zu bringen. Solche Methoden gehören der
Vergangenheit an und laufen dem Versprechen auf Demokratie zuwider, das
dem irakischen Volk gegeben wurde.
Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen
Kontrolle des Nachrichtenflusses
Das US-Militär versucht auch weiterhin, den Nachrichtenfluss im und aus
dem Irak möglichst zu kontrollieren. Nach Anschlägen wird verhindert,
dass Bilder von toten und verletzten Soldaten gemacht werden können.
Daher können Medien im Regelfall nur die zerstörten Fahrzeuge zeigen,
wenn die Absperrung aufgehoben wird. Die Probleme mit der
Berichterstattung wurden gerade wieder deutlich, als am Montag die
Nachricht [11] zirkulierte, dass nach einem Anschlag auf ein
Militärfahrzeug in Mosul Jugendliche die dabei getöteten oder
verletzten amerikanischen Soldaten mit Steinen traktiert, geschlagen
und ihre Kehlen durchgeschnitten hätten.
Eine der Quellen dieser Nachricht, die Amerikaner natürlich sofort an
Somalia erinnert, als 1993 getötete US-Soldaten auf demütigende Weise
durch die Straßen geschleift wurden, war wiederum al-Arabiya,
allerdings nach der New York Times [12] auch ein Mitarbeiter des
US-Militärs. Nach den Bildern aus Somalia hatten die Amerikaner das
Land schnell verlassen. Offiziell hatte General Kimmitt jedoch erklärt,
dass man prinzipiell keine Einzelheiten über den Tod von Soldaten der
Öffentlichkeit mitteile. Ein Sprecher des US-Militärs leugnete [13]
jetzt, dass die beiden Soldaten misshandelt wurden:
Ihre Kehlen sind nicht durchschnitten wurden. Die Ursache ihres Todes
waren Gewehrschusswunden am Kopf.
Man habe an den Körpern keine Messerverletzungen gefunden, sie seien
auch nicht durch die Straßen geschleppt worden. Allerdings seien die
Leichen aus dem Fahrzeug herausgeholt und aus diesem auch Dinge
gestohlen worden. Man habe keine Erklärung dafür, wie es zu den
widersprüchlichen Informationen gekommen sei. Erste Berichte seien
normalerweise nicht richtig, diese Informationen wären aus irakischen
Quellen gekommen und niemals von offiziellen Stellen bestätigt worden.
Egal, ob diese Pentagon-Version zutrifft oder nicht, so würde das
US-Militär auf jeden Fall versuchen zu vermeiden, dass ein solcher
Vorfall bekannt würde, der die Stimmung in den USA und die Moral der
eigenen Truppen beeinträchtigen und den Widerstand bekräftigen könnte.
Links
[1] http://www.cpa-iraq.org/
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/16101/1.html
[3]
http://www.defenselink.mil/transcripts/2003/tr20031121-secdef0901.html
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/auf/15666/1.html
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/14227/1.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/15702/1.html
[7] http://www.mbc1.tv/indexi.asp
[8]
http://english.aljazeera.net/NR/exeres/DEAA1AC4-1E6C-4390-AB37-8162012BA
C3C.htm
[9] http://www.cpj.org/news/2003/Iraq24nov03na.html
[10] http://www.rsf.org/article.php3?id_article=8601
[11]
http://seattletimes.nwsource.com/html/nationworld/2001799601_iraq24.html
[12]
http://www.nytimes.com/2003/11/24/international/middleeast/24IRAQ.html
[13]
http://www.nytimes.com/2003/11/25/international/middleeast/25IRAQ.html
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