Suche innerhalb des Archivs / Search the Archive All words Any words

[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

[infowar.de] CNN und die "War Rooms"



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
-------------------------------------------------------------

http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/16303/1.html 

"Be the first to know"

Krystian Woznicki   14.12.2003 

Mythos und Transparenz in den CNN-Darstellungen von War Rooms 

Der "War Room" ist eine Bezeichnung für Schaltzentralen, die in so 
disparaten Kontexten wie Militär ("Dr. Strangelove", Stanely Kubrick, 
1964) und Politik ("The War Room", Hegedus und Pennebaker, 1993) 
Verwendung findet. CNN bildet in diesem Zusammenhang einen Sonderfall: 
In den mystifizierten War Rooms des Medienkonzerns entstehen unter dem 
Transparenzgebot Repräsentationen und Dokumentationen von den War Rooms 
des Militärs. Eine Transparenz, die wohlgemerkt rückwirkend hergestellt 
wird. So wurden erst neulich Bilder, die während des 3. Golfkrieges in 
einer US-Kommandozentrale in Kuwait entstanden, via CNN öffentlich 
gemacht. 

Bei der Datenbeschaffung scheinen die Massenmedien keinen Zentimeter 
dieses Erdballs auszulassen: CNN-Zweigstellen in allen relevanten 
Metropolen, Hotels in peripheren Konfliktzonen als mediale 
Schnittstellen, mobile Medienlabore, weltweit verstreute 
Korrespondenten, freischaffende Journalisten, die mit ihren Kameras und 
Mikrofonen das abgelegenste Krisengebiet abtasten, Satelliten, die alle 
Akteure miteinander kurzschließen. Alles wird erfasst, präzise, 
objektiv, im real time-Modus. Zumindest vermitteln Sender wie CNN gerne 
diesen Eindruck. Ihr Credo lautet schließlich: 
Informationsüberlegenheit. 

Sie sehen nicht nur alles, sie können auch alles entschlüsseln, 
klassifizieren und analysieren. In den War Rooms der Sendestationen 
nehmen diese Vorgänge ihren Lauf. Heere von Mitarbeitern sind damit 
beschäftigt das aquirierte Material zu sichten und es mit den 
Informationen aus ihren Datenbanken abzugleichen. Stellvertretend für 
diese Prozesse wäre das ikonenhafte Ensemble von Wanduhren, die die 
Zeit in allen relevanten Großstädten anzeigen. Sie markieren die 
"global condition" eines Zimmers, in dem Informationen aus der ganzen 
Welt gebündelt werden, oder, anders gesagt: in dem die Welt als Bündel 
von Informationen Gestalt annimmt. Diese "global condition" wird des 
weiteren in Parallelschaltungen und den immer wieder im Hintergrund 
eingeblendeten Monitorinstallationen zur Schau gestellt. 

Das Q&A-Spiel als Inszenierung von Globalität (CNN)   

In letzter Instanz wird die Welt im War Room der Medienkonzerne - und 
hier schließt sich der Kreis, der im Grunde ein Kreislauf ist - 
beeinflusst, manipuliert und gesteuert. Viele behaupten, dass 
Massenmedien sogar im Stande sind Kriege auszulösen. Das Stichwort 
lautet: "media-dicated foreign policy". Eine Debatte entbrannte unter 
dieser Losung anlässlich der Interventionen im Irak (1991) und in 
Somalia (1992/93). Denn viele Beobachter glaubten, dass diese 
militärischen Einsätze durch CNN hervorgerufen wurden. Andere wiederum 
konstatierten, dass die Außenpolitik in diesen Fällen bestenfalls durch 
via CNN verbreitete Bilder legitimiert wurde, also im Windschatten der 
Massenmedien stattgefunden habe. 

Piers Robinson von der University of Liverpool hält in diesem 
Zusammenhang fest: 

 Unfortunately influence cannot be observed in any obvious or 
straightforward fashion. We cannot see inside the minds of 
policy-makers and directly observe news media influence at work.   

S.L. Carruthers, Autorin des Buches "The Media at War" (Macmillan, 
2000) bringt das Phänomen hingegen wie folgt auf den Punkt: 

 Debate about the impact of television during humanitarian disasters 
eludes empirical verification.   

"Who Else Needs to Know?" 

Während der Mythos um den CNN-Effekt gedeiht, liefert der 
Nachrichtensender Berichte und Bilder aus militärischen War Rooms. Aus 
Schaltzentralen also, die strukturell genauso funktionieren wie die 
zivilen War Rooms der Medienkonzerne: Ein Kreislauf aus Datenaquise, 
-analyse und -emission bestimmt die Funktionslogik dieser 
Nervenzentren, auch im militärischen War Room wird Macht gebündelt, 
potenziert, kanalisiert und entladen. Bei den durch Massenmedien 
verbreiteten Bildern wird dabei am meisten Wert auf Transparenz gelegt. 
Ein Beispiel wäre der CNN-Beitrag  Inside the Afghan war room [1]. Dort 
wird detailverliebt ein Raum beschrieben, in dem der Kampf gegen die 
Taliban geleitet, Truppen, Kampfflieger sowie Hubschrauber koordiniert 
und last but not least Befehle zum Angriff erteilt würden. 

Im War Room: Interface der "operational-strategischen Ebene" während 
des 3. Golfkrieges (CNN)   

"Who Else Needs to Know?" stünde auf der Eingangstür dieses Raumes 
geschrieben der offiziell bekannt sei als 82nd JOC (the 82nd Airborne 
Division's Joint Operation Control) und laut CNN nur selten 
Journalisten gezeigt werde. Beschrieben wird dieser War Room wie folgt: 

 The room itself is a mix of old and new technology. Clunky old phones 
with secure lines look like World War II relics next to snazzy laptops. 
Up-to-date intelligence reports continually pop up in e-mail windows. 
The big video monitor usually displays a digital map of Afghanistan, 
any section of which can be highlighted with a mouse click. Officers 
can zoom in so tight that a cluster of red blobs appears, pinpointing 
troop locations.[...] The room's second layer is composed of an air 
defense artillery watch officer and a fire support officer - desks that 
can lob Patriot missiles against incoming aircraft and mobilize 
artillery. Nearby staffers maintain contact with the area aircraft.   
CNN   

In diesem War Room, der inmitten eines alten Flugzeughangars auf der 
Bagram Air Base liege, arbeiteten die unterschiedlichsten Experten 
zusammen. Darunter sind Meterologen, Armee-Juristen, Aufsichtspersonal 
aus dem nuklearen, biologischen sowie chemischen Sektor und eine Reihe 
von Managern, die das Team zusammenhielten, das vor jeder Entscheidung 
konsultiert werde. 

Im War Room 

Über die Soldaten im Coalition Forces Land Component Command im Camp 
Doha (CFLCC) ist mittlerweile ebenfalls einiges bekannt geworden. Die 
Kommandozentrale, die von Leutnant General David McKiernan während des 
3. Golfkrieges geleitet wurde, ist erst neulich von CNN durchleuchtet 
worden - Aufnahmen, die zu diesem Zeitpunkt bereits einige Monate alt 
waren, wurden vertragsgemäß erst nach dem offiziellen Ende des Krieges 
öffentlich gemacht. 

Im War Room: Während des 3. Golfkrieges kommt es zu einer irakischen 
Attacke auf das CFLCC (CNN)   

Auffällig ist, das neben den Detailinformationen zu Qualifikation, 
Rang, Dienstgrad und Erfahrung vor allem die informellen Beziehungen 
unter den Soldaten in den Vordergrund gerückt worden sind. Die 
"handverlesenen" Generäle, so heißt es in dem Bericht "Inside the War 
Room", der auch als  interaktives Infotainment-Paket [2] Verbreitung 
findet, verbrachten etliche Stunden gemeinsam im CFLCC und sollen nach 
einer gewissen Weile damit angefangen haben, sich "The tribe" zu 
nennen. Für jeden Einzelnen wurde im Zuge dessen ein Spitzname 
ersonnen, wie es in jedem anständigen Buddy-Team üblich ist: "Fuzzy", 
"Rusty", "Spider" und "J.D." sollen sie sich gegenseitig genannt haben, 
während McKiernan, der Chef dieses War Rooms, angeblich nur "old man" 
gerufen wurde. 

Passend zu dieser Vermenschlichung, die gleichermaßen eine 
Mystifizierung ist, sind Bilder zu sehen, die das Team in Momenten 
voller Humor und schwelgerischem Wir-Gefühl am Arbeitsplatz zeigen. All 
dies sind Bilder, mit denen der Medienkonzern an seinem Image arbeitet. 
Bilder, die belegen sollen, wo und auf welcher Grundlage Entscheidungen 
tatsächlich getroffen werden. Bilder schließlich, in denen CNN sich 
spiegelt. So lässt der Sender "J.D." immerhin sagen: 

 The thing about this war is I mean we're getting things live right off 
our own TV that forces us to take a serious look at what's going on 
that drives future operations.   

So sieht man sich gerne. 

Links 

[1] 
http://edition.cnn.com/2003/WORLD/asiapcf/central/02/13/afghan.warroom.a
p
[2] http://www.cnn.com/CNN/Programs/presents/index.war.room.html

---------------------------------------------------------------
Liste verlassen: 
Mail an infowar -
 de-request -!
- infopeace -
 de mit "unsubscribe" im Text.