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[infowar.de] Irak-Krieg: Die Digitalkameras sind immer dabei
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/special/auf/17524/1.html
Die Digitalkameras sind immer dabei
Florian Rötzer 28.05.2004
Das Pentagon hat die Verwendung von Digitalkameras nicht verboten, aber
trotz der Veröffentlichung einiger Bilder aus Abu Ghraib ist der "fog
of war" nicht sehr viel transparenter geworden
Vor kurzem ging die Meldung um, das Pentagon habe eine besondere Art
der Bekämpfung der Folter gefunden: das Verbot von digitalen Kameras
für US-Soldaten im Irak. Wenn man zusieht, wie das Pentagon und die
Bush-Regierung die Aufklärung über die offensichtlich doch systematisch
ausgeübten Demütigungen zur Erzwingung von Geständnissen oder einfach
zur Brechung des Willens von Gefangenen betreibt, dann würde diese Art
der Folterbekämpfung auch glaubhaft erscheinen können. Die Meldung
beruhte aber auf einen Irrtum, allerdings gibt es eine neue Anordnung
für Handys und andere Geräte, mit denen sich funken lässt.
Selbst die in Abu Ghraib tätige 205th US Military Intelligence Brigade,
die "Folterbrigade" [1], hat Aufnahmen auf ihre Website gestellt, die
allerdings nur vom Einmarsch in den Irak bis Juli 2003 reichen. Hier
ist man noch als Befreier auf dem Weg nach Bagdad.
Zwei hohe amerikanische Offiziere liegen gerade im Streit, wer für die
Folter und sadistischen Misshandlungen der Gefangenen mit
verantwortlich ist. Der Brigadekommandeur Thomas M. Pappas,
Befehlshaber der 205th US Military Intelligence Brigade, die für die
Verhöre in Abu Ghraib zuständig war ( Die Folterbrigade [2]),
erklärte, dass Generalmajor Geoffrey Miller, der nach dem Folterskandal
Abu Ghraib leitet und zuvor für das Lager Guantanamo zuständig war, im
letzten Herbst empfohlen habe, Militärhunde einzusetzen, um die
Gefangenen bei Verhören zu ängstigen. Umgesetzt worden sei die
Empfehlung durch Befehl von General Ricardo Sanchez, der gerade als
Oberbefehlshaber der Armee abgelöst wurde.
Persönlich habe Pappas dies mit Miller während dessen Aufenthalt im
Irak Anfang September 2003 diskutiert. Die Misshandlungen, zumindest
diejenigen, von denen nun die Bilder aufgetaucht sind, erfolgten nach
dem Besuch Millers. Pappas, der unter Druck geraten ist, nachdem die
Bilder auftauchten, auf denen US-Soldaten Hunde auf Gefangene hetzten,
berichtete Generalmajor Antonio Taguba in einer vereidigten Aussage:
Er sagte, dass sie in Gitmo militärisch dressierte Hunde verwendet
haben und dass sie wirksam für die Schaffung einer Atmosphäre waren, in
der man Informationen bekam.
Miller leugnet vorerst einmal ab, mit Pappas über eine derartige
Gestaltung einer verhörfreundlichen "Atmosphäre" gesprochen zu haben.
Seltsam ist freilich auch, dass der Senatsauschuss bislang nur Teile
des Taguba-Berichts erhalten hat. Von 6.000 Seiten fehlen 2.000 Seiten,
darunter offenbar auch ein "draft update for the Secretary of Defense"
über die Vorschriften für Verhöre. Das könnte für Rumsfeld unangenehm
sein, falls er über die harten Verhörmethoden informiert wurde. Es
fehlen überdies, so das Wall Street Journal [3], drei Dokumente über
den Besuch von Miller in Abu Ghraib.
Die digitalen Fotografien aus Abu Ghraib ( Sadistische KZ-Spiele [4]),
die nicht unter dem Zweifel stehen, gefälscht worden zu sein, haben
mittlerweile der Weltöffentlichkeit einen schrecklichen Blick in die
Welt der Gefängnisse und dem dort praktizierten Krieg gegen den
Terrorismus werfen lassen. Aber auch ihren sonstigen Alltag im
besetzten Land halten die Soldaten in zahlreichen Bildern fest, die sie
mit Handy-Kameras oder Digitalkameras machen, auf Laptops und CD-ROMs
speichern, sich gegenseitig oder der Familien bzw. Freunden in der
Heimat zuschicken. Soldaten haben schon immer Bilder gemacht, seit es
Fotoapparate gibt, aber die digitalen Kameras erlauben es, nicht nur
unendlich viele Bilder zu machen, sondern sie auch blitzschnell zu
versenden. Und viele Soldaten haben sie überall mit dabei, um
Schnappschüsse vom Krieg [5] zu machen. Auch auf den Websites der
Einheiten werden gerne von den Soldaten gemachte Fotos veröffentlicht.
Das bietet Möglichkeiten der Identifizierung, aber auch der
Selbstdarstellung.
Die Soldaten und die Bilder
US-Soldaten beim Einkauf im Februar 2004
War der erste Krieg gegen den Irak noch dominiert von der
Live-Berichterstattung durch den Fernsehsender CNN, so war der letzte
Krieg bereits teilweise ein Ereignis, das mit den zahlreichen
"eingebetteten" Reportern in Echtzeit oder kurz zeitversetzt aus vielen
Orten dem Publikum in der ganzen Welt zugeführt wurde. Der Zuschauer
saß in der ersten Reihe und war fast mit dabei. Aber das waren
kontrollierte Bilder, auch wenn der gewünschte Bilderstrom gestört
wurde durch Bilder von anderen Journalisten, die unabhängig vom
amerikanischen Militär und vom Hussein-Regime genehmigt aus dem
Kriegsgebiet sendeten.
Problematisch war zwar stets, dass Reporter oder Soldaten über Bilder,
die sie versenden, Hinweise auf den Ort der Truppen und deren Pläne
auch dem Feind verraten konnten. Die Soldaten wurden denn auch davor
gewarnt [6], Bilder weiter zu geben, die das Militär gefährden können.
Die Marines etwa erhielten vor ihrem Einsatz im Irak strenge Regeln für
den Umgang mit Fotografien, wie die Los Angeles Times berichtete.
Keine Bilder von toten oder verletzten Irakern, keine Bilder von
amerikanischen Opfern, keine Bilder von Gefangenen und keine Bilder,
die Schutzeinrichtungen wie Sperren oder Stellungen von Scharfschützen
zeigen.
Orte, an denen fotografieren streng verboten ist, sind mit Schildern
gekennzeichnet. Das sei auch der Fall in Gefängnissen und
Gefangenenlagern gewesen. Eigentlich sei nur eine Aufnahme der
Häftlinge erlaubt, wenn sie eingeliefert werden. Selbst wenn die der
Öffentlichkeit mittlerweile bekannten Bilder aus Abu Ghraib als
perverse Souvenirs des Wachpersonals gedient haben mögen, scheint das
Fotografieren der Gefangenen in demütigenden Situationen ein normaler
Vorgang gewesen zu sein (möglicherweise, um etwas gegen die Häftlinge
in der Hand zu haben, wenn sie wieder frei gekommen sind, oder
vielleicht auch, weil es noch demütigender ist, wenn die
Erniedrigungen, die das Ego brechen sollen, dokumentiert werden).
Sollte dies so sein, so dürften im Bilder-Giftschrank des Pentagon noch
viele Fotos zu finden sein.
Gruppenausflug
Ein allgemeines Verbot von Kameras und Handys wollte man bislang aber
nicht einführen, schließlich ist im Pentagon bekannt, dass viele ihren
Kampf zur Befreiung des Irak und ihren Aufenthalt im befreiten Land
dokumentieren wollen - wie dies das Pentagon auch unter Umgehung der
Bilder macht, die die dunkle Seite des sauberen Kriegs und der
glücklichen Befreiung zeigen. Oft sind es junge Soldaten, für die
dieser Krieg ein großes Abenteuer ist, von dem sie noch lange zehren
und ihren Freunden und Bekannten zeigen wollen, wie es dort war, wo
alles ganz anders ist. Zwar wird in aller Regel in den Lagern die
Möglichkeit verhindert, dass Soldaten Emails versenden oder
telefonieren, wenn ein Soldat getötet wurde, um zuerst offiziell die
Angehörigen zu benachrichtigen. Das Versenden von Bildern sei aber
davon nicht betroffen gewesen, heißt es. Kontrolliert oder gefiltert
worden seien Bilder bislang nicht, wohl aber Emails und Telefonanrufe.
Ein Drittel der Marines, die um Falludschah stationiert sind, soll im
Besitz einer kleinen digitalen Kamera sein.
Man kann den Geist nicht wieder in die Flasche zurückstecken. Soldaten
haben ihre Kameras mit auf dem Schlachtfeld. Sie haben Telefone auf dem
Schlachtfeld. Sie haben auf den Stützpunkten Zugang zu Internetcafes.
Ab einem gewissen Punkt muss man ihnen einfach vertrauen, das Richtige
zu tun - und sie bestrafen, wenn sie dies nicht machen.
US-Brigadegeneral und Militärsprecher für den Irak Mark Kimmitt
Die Anordnung 8100.2
Die von der Business Times aufgebrachte Meldung [7], dass das Pentagon
digitale Kameras verboten habe, stimmt nach Auskunft von Ken McClellan,
einem Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, nicht. Die
Befehlshaber der Truppen wurden aber aufgefordert, die Verwendung von
diesen schärfer zu überwachen. Tatsächlich trat im letzten Monat - und
damit unabhängig vom Folterskandal - die neue Anordnung 8100.2 [8] in
Kraft, die seit Jahren in Vorbereitung war: "Use of Commercial Wireless
Devices, Services, and Technologies in the Department of Defense (DoD)
Global Information Grid (GIG)."
Alle Geräte, die mit Netzwerken des Verteidigungsministeriums verbunden
sind, müssen danach bestimmte Sicherheitsauflagen wie Identitäts- und
Authentifizierungsnachweis oder Verschlüsselung einhalten. Auf
militärischem Gelände verwendete Geräte müssen ebenfalls verschlüsselt
Daten übertragen, um Hackern einen Zugriff zu verwehren.
Mobilfunkgeräte dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung zum Speichern,
Verarbeiten oder Übermitteln geheimer Informationen verwendet werden.
Auch dort, wo geheime Informationen "diskutiert oder verarbeitet"
werden, dürfen sie nur mit Genehmigung und nach Prüfung durch Cognizant
Security Authority (CSA) Certified TEMPEST Technical Authority (CTTA)
mitgenommen werden. In allen Einrichtungen des Pentagon soll "aktiv"
nach Mobilfunkgeräten gesucht werden, um unerlaubten Gebrauch zu
verhindern. Die Anordnung betrifft im Allgemeinen die Einrichtung von
Maßnahmen zum Schutz, zur Verfügbarkeit und zur Interoperabilität von
Mobilfunkgeräten und Verbindungen.
Ken McClellan erklärt [9], dass mittlerweile jeder Soldat "ein Handy,
BlackBerry oder ein anderes Mobilfunkgerät benutzt, dass Stimme, Bilder
oder Texte sendet". Das müsse aus der Sicht den Pentagon entweder stark
verschlüsselt oder nur dann geschehen, wenn dies unabhängig von allen
Netzwerken des Pentagon ist: "Wir wollen nicht in die Situation kommen,
wo jeder mit einem Scanner herauskriegen kann, was wir vorhaben."
Vermutlich könnte die Anordnung aber doch ein erster Schritt dazu sein,
die Informationen, die aus Krisengebieten gesendet werden können, in
den Griff zu bekommen.
Verteidigungsminister Rumsfeld hatte sich beispielsweise nach der
ersten Veröffentlichung der Abu Ghraib-Fotos, obgleich die Vorwürfe
schon lange bekannt waren und zudem das Pentagon den Sender CBS
gedrängt hatte, zumindest die Ausstrahlung zu verschieben, während der
Anhörung vor einem Senatsausschuss weniger entsetzt über die
Misshandlung gezeigt [10]) (und damit demonstriert, dass dies in
Konflikten nicht zu vermeiden oder gar notwendig ist), als über die
nicht mehr vom Pentagon kontrollierbare Verbreitung der Bilder im
Zeitalter der digitalen Medien. Das lief allerdings nicht ohne ein
gewisses Stottern ab:
Wir funktionieren ... im Informationszeitalter, in dem die Menschen
mit Digitalkameras herumlaufen und diese unglaublichen Fotografien
machen und diese dann gegen das Gesetz an die Medien zu unserer
Überraschung weiter reichen, wenn sie noch nicht einmal im Pentagon
angekommen sind.
Die Identität der Verhörenden sollte verborgen werden
Zynisch mag sein, dass die durch die Anwendung von Folter und
Demütigung "weich" gemachten Gefangenen offenbar kaum brauchbare
Informationen geliefert haben, wie die New York Times berichtet [11].
Die Gefangenen hätten meist nichts mit dem Widerstand zu tun gehabt.
Selbst wenn die Gefangenen nicht misshandelt wurden, so ist das
willkürliche Festnehmen und monatelange Wegschließen von Menschen, die
nichts verbrochen haben, ebenfalls eine Verletzung von Menschenrechten,
wie dies auch Praxis in Diktaturen ist, nicht aber in einem
Rechtsstaat. So sollen [12] Soldaten des öfteren bei Razzien, wenn sie
die gesuchten Personen nicht gefunden haben, auch Familienangehörige
oder am Ort Anwesende mitgenommen haben, um sie zu verhören oder als
Geisel zu verwenden. Auch das ist eine schwere Verletzung der Genfer
Konventionen.
Interessant ist auch eine Anweisung für das Personal in dem Teil des
Abu Ghraib-Gefängnisses, in dem die zu verhörenden Gefangenen
eingesperrt waren, das sich so kleiden sollte, dass die Gefangenen
nicht wissen, wen sie wirklich vor sich haben.
Additionally it is recommended that all military personnel in the
segregation area reduce knowledge of their true identities to those
specialized detainees. The use of sterilized uniforms is highly
suggested and personnel should NOT address each other by true name and
rank in the segregation area.
sich haben:
"thermal vision monitor in the drivers hole of a Stryker"
Die jetzt als Sündenböcke herausgegriffenen Soldaten haben mit ihren
Bildern solche Empfehlungen nicht beachtet und sich "unprofessionell"
selbst abgebildet. Sie wurden kenntlich. Wer nicht auf den Bildern, die
die Öffentlichkeit kennt, zu finden sein wird, dürfte wahrscheinlich
wesentlich glimpflicher davon kommen, vor allem je höher die
Verantwortung in der Befehlskette reicht ( Die intellektuellen
Wegbereiter von Folter und Willkürjustiz [13]). Die Bilder wurden zudem
auch nicht von den Soldaten verschickt, sondern waren offensichtlich
auf CD-ROMs gespeichert. Wie sie in die Hände zunächst von CBS und die
weiteren in die der Washington Post geraten sind, ist unbekannt.
Eine neue Transparenz?
This is as far as I know the first instance where digitally generated
images made by an amateur photographer have erupted onto the scene of
current events and had an impact. But it won't be the last.
A. D. Coleman, Fotografiekritiker
Von einer neuen Transparenz, die mit Mobilfunkgeräten, Internet und
digitalen Kameras in das Militär eingezogen ist, kann man mithin noch
nicht wirklich sprechen. Die meisten Bilder, die in der Öffentlichkeit
zirkulieren, sind relativ harmlose Erinnerungsfotos vom Einsatz und vom
Alltag im Irak. Die hatte es auch schon früher gegeben, auch wenn sie
nun schneller an eine breitere Öffentlichkeit gelangen können, die
allerdings mit dem Internet sehr viel größer ist.
Möglicherweise wären die Praktiken im amerikanischen Gulag auch ohne
Bilder bekannt geworden, aber die Fotos, die erst ein halbes Jahr nach
den abgebildeten Misshandlungen in die Öffentlichkeit gelangten, haben
sicherlich die Menschen stärker aufgewühlt und den Druck auf das
Pentagon und die US-Regierung verstärkt. Ob sie allerdings auch zu
einer besseren Aufklärung und Verfolgung wirklich beitragen, muss erst
noch abgewartet werden.
Wohl als erstes hatte die Website The Daily Farce sich einen Witz
erlaubt und das angebliche Verbot von digitalen Kameras Anfang Mai
gemeldet [14]. Nachdem nun ein Video aufgetaucht ist, das vermuten
lässt, dass in dem von den US-Truppen zerstörten Dorf doch eine
Hochzeitsfeier stattgefunden hat, berichteten [15] die Macher der
Satire-Website, dass Rumsfeld auch noch verboten habe, Feiern wie
Hochzeiten oder Taufen mit Camcorders aufzunehmen.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17443/1.html
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17443/1.html
[3] http://forums.rawstory.com/viewtopic.php?t=606
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/17327/1.html
[5]
http://www.capeargus.co.za/index.php?fSectionId=49&fArticleId=2083631
[6]
http://:www.latimes.com/technology/la-et-mcdonnell19may19,1,7356313.stor
y
[7]
http://www.smh.com.au/articles/2004/05/23/1085250873479.html?from=top5
[8] http://www.dtic.mil/whs/directives/corres/text/d81002p.txt
[9]
http://www.wired.com/news/politics/0,1283,63604,00.html?tw=wn_tophead_1
[10] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/irak/17386/1.html
[11] http://www.nytimes.com/2004/05/27/politics/27ABUS.html
[12]
http://www.newsday.com/news/nationworld/world/ny-woabus0526,0,2008882.st
ory?coll=ny-top-span-headlines
[13] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/17488/1.html
[14]
http://www.thedailyfarce.com/world.cfm?story=2004%5C05%5Cworld_moreabuse
pictures_05200400006
[15]
http://www.thedailyfarce.com/world.cfm?story=2004\05\world_camcorderspro
hibitediniraq_05200400026
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