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[infowar.de] TELEPOLIS: Echelon-Ausschuss verabschiedet Empfehlungen



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 Echelon-Ausschuss verabschiedet Empfehlungen
 
 Christiane Schulzki-Haddouti   05.07.2001 
 
 Keine Sanktionen gegen Großbritannien; unzufriedene Abgeordnete 
monieren "Heuchelei" und sehen Gefahr der vorsorglichen Legitimation 
eines europäischen Geheimdienstes 
 
 
 
  Ein Jahr lang arbeitete der Echelon-Untersuchungsausschuss des 
europäischen Parlaments. Am 3. Juli verabschiedete er seinen 
Abschlussbericht. Drei Wochen hatten die Abgeordneten über den Bericht 
von Gerhard Schmid (SPD) diskutiert. Dessen Empfehlungen wurden zwar 
etwas verschärft, dennoch sahen mehrere Abgeordnete, die für ihr 
Engagement für Bürgerrechte bekannt sind, ihre Positionen nicht 
berücksichtigt und gaben Minderheitenvoten ab.  
 
 
 
 "Keine Zweifel" 
 
 
 
 Über die Existenz eines globalen Abhörsystems gäbe es "keine Zweifel" 
mehr. Sprach Schmid noch in der Frage der Wirtschaftsspionage von 
Wahrscheinlichkeiten, entschloss sich der Gesamtausschuss zu 
deutlicheren Formulierungen: Es könne "kein Zweifel" daran bestehen, 
dass der Zweck des Systems das Abhören der privaten und kommerziellen 
Kommunikation sei - obgleich die technischen Fähigkeiten des Systems 
nicht so umfassend seien, wie es teilweise in den Medien dargestellt 
wurde. Zudem sei es "überraschend", dass viele höher gestellte Personen 
der Europäischen Gemeinschaft vor dem Ausschuss behauptet hatten, 
dieses Phänomen nicht zu kennen. 
 
 Maurizio Turco, Präsident der Radikalen der Liste Emma Bonino, 
kritisierte überdies in einem Minderheitenvotum, dass der Bericht nicht 
erwähne, dass auch Deutschland, die Niederlande und vermutlich auch 
Frankreich über die technologie Fähigkeit verfügten "über eine 
Suchmaschine systematisch und per Zufall abgehörte Kommunikation zu 
filtern." Auch diese Mitgliedsstaaten würden die Aktivitäten von 
Behörden, Unternehmen und Bürgern anderer Mitgliedstaaten 
ausspionieren. 
 
 Die rechtlichen Erwägungen der Abgeordneten sind deutlich: Falls 
Echelon zur Konkurrenzspionage benutzt werden würde, würde ein daran 
beteiligter Staat gegen EU-Recht verstoßen. Dies hatte auch schon der 
Europäische Rat Ende März 2000 festgestellt. Würde das System hingegen 
nur für Aufklärungszwecke eingesetzt, wäre der Betrieb legal. 
Allerdings würde das Abhören der Kommunikation auf jeden Fall gegen das 
Recht auf Privatsphäre verstoßen. (siehe Deutschland und Vereinigtes 
Königreich verstoßen mit NSA-Spionageverbindungen gegen Menschenrechte 
[0] und Untersuchung des Echelons-Systems richtet den Blick auch auf 
Misstände in der EU [1]) 
 
 Spionieren die USA nun europäische Firmen aus oder sammeln sie nur 
allgemeine wirtschaftliche Daten? Dies war die Gretchenfrage des 
Ausschusses, der darüber in den letzten Tagen und Wochen noch einmal 
stritt. Tatsächlich zeigte sich der Ausschuss in der Frage der 
Konkurrenzspionage außerordentlich skeptisch: 
 
 
 
            
    "US-Geheimdienste untersuchen nicht nur allgemeine ökonomische 
Sachverhalte, sondern hören auch detailliert die Kommunikation zwischen 
den Unternehmen ab, besonders wo Verträge vergeben werden; und sie 
rechtfertigen dies damit, sie würden versuchte Bestechung bekämpfen. 
Durch detaillierte Überwachung entsteht jedoch das Risiko, dass die 
Informationen eher zum Zwecke der Konkurrenzspionage, denn zur 
Bekämpfung von Korruption eingesetzt werden, auch wenn die USA und 
Großbritannien anderes behaupten. Zudem ist die Rolle des Advocacy 
Center der US-Handelsministeriums immer noch nicht ganz klar und 
anberaumte Gespräche mit dem Zentrum, um diese Angelegenheit zu klären, 
wurden abgesagt."      
          
  
 
 
 
 (Zur Frage der Konkurrenzspionage und der Rolle des Advocacy Centers 
siehe COMINT Impact on International Trade [2], Financial and 
geographical analysis of U.S. Advocacy Center "Success stories" [3] 
sowie den einleitenden Artikel [4] von Duncan Campbell) 
 
 Der Ausschuss verweist zudem auf ein OECD-Abkommen zur Bekämpfung von 
Bestechung aus dem Jahre 1997, das Bestechung auf internationaler Ebene 
kriminalisiert. Einzelne Fälle von Bestechung könnten deshalb nicht das 
Abhören der Kommunikation rechtfertigen. Nichtsdestotrotz sollten die 
Mitgliedstaaten sich dafür einsetzen, dass Bestechung geahndet wird. So 
könnte die Welthandelsorganisation (WTO) eine Regel verabschieden, 
wonach Verträge, die durch Bestechung zustande gekommen sind, für null 
und nichtig erklärt werden müssen. 
 
 Obwohl kein einziger Fall von Konkurrenzspionage bewiesen wurde, seien 
die Hinweise darauf doch sehr stark. Seriöse Quellen hätten den 
Brown-Bericht des US-Kongresses bestätigt, wonach fünf Prozent des 
Aufklärungsmaterials aus nicht-offenen Quellen für Wirtschaftsspionage 
benutzt wird. Dieselben Quellen schätzen, dass diese Aufklärungsarbeit 
die US-Industrie in die Lage versetze bis zu 7 Milliarden US-Dollar 
über Verträge einzuspielen. 
 
 Für die Bundesregierung dürfte das ein Schlag ins Gesicht sein: Erst 
Mitte Juni hatte Regierungssprecher Lingenthal die neutrale Haltung der 
Bundesregierung noch einmal bekräftigt. Demnach habe nicht nur die 
Bundesregierung, sondern auch der EU-Untersuchungsausschuss keine 
Erkenntnisse, wonach deutsche Unternehmen Opfer von Konkurrenzspionage 
durch Echelon seien. 
 
 
 
 Menschenrechte 
 
 
 
 Ein Abhörsystem, das per Zufallsprinzip und ständig jede Kommunikation 
abhört, würde das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzen und wäre 
nicht im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtscharta. Dies wäre 
aber auch dann der Fall, falls das Abhören ohne ausreichende 
gesetzliche Grundlage stattfände oder falls die gesetzlichen Regeln 
nicht für jeden Bürger transparent wären. Da nun die meisten Regeln der 
US-Geheimdienste geheim gehalten werden, sei es "zumindest 
zweifelhaft", ob das Prinzip der Verhältnismäßigkeit eingehalten werde. 
 
 Die durch die Menschenrechtscharta auferlegten Regeln dürfen die 
Mitgliedstaaten nicht dadurch umgehen, indem sie anderen Ländern das 
Abhören einfach erlauben. Dies würde das Legalitätsprinzip aushöhlen. 
Dritte Länder müssten ebenfalls den durch den Europäischen Gerichtshof 
für Menschenrechte festgelegten Regeln gehorchen und eine Überwachung 
ihrer Aktivitäten zulassen. Zunächst sollen aber alle Mitgliedsstaaten 
erst einmal die Menschenrechtscharta als rechtlich bindend anerkennen. 
 
 Namentlich Deutschland und Großbritannien fordert der Ausschuss auf, 
weitere Überwachungsaktivitäten von ihrem Territorium durch 
US-Geheimdienste davon abhängig zu machen, ob sie in Übereinstimmung 
mit der europäischen Menschenrechtscharta stattfinden. In Deutschland 
zumindest dürfte sich diese Forderung bald erübrigen - im Herbst soll 
die Station in Bad Aibling ihren Betrieb einstellen. 
 
 
 
 Schutz der EU-Bürger 
 
 
 
 Der Schutz der EU-Bürger hängt natürlich von der Rechtslage in ihren 
Staaten ab - die sehr unterschiedlich aussehen kann. Dass zudem einige 
Mitgliedstaaten wie beispielsweise Frankreich keine parlamentarische 
Kontrolle ihrer Geheimdienste kennen, sei "besorgniserregend". In 
diesen Fällen gäbe es keinen ausreichenden Rechtsschutz. Aber auch wenn 
es Kontrollorgane gebe, seien diese jedoch versucht sich mehr auf die 
eigenen Geheimdienste zu konzentrieren und weniger auf die 
ausländischen. 
 
 Der Ausschuss fordert den Generalsekretär des Europäischen Rates auf, 
einen Vorschlag zum Schutz der Privatsphäre vorzulegen, der auch die 
modernen Kommunikations- und Abhörmethoden berücksichtigt und sich an 
den europäischen Menschenrechten orientiert. Maurizio Turco kritisiert, 
dass jedoch "vergessen" worden sei, Sanktionen gegen Großbritannien 
"wegen seines Doppelspiels mit seinen europäischen Partnern" zu 
verlangen. 
 
 
 
 Europäischer Geheimdienst 
 
 
 
 Gerade im Hinblick auf eine Zusammenarbeit der Geheimdienste unter dem 
Primat der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" der Union oder 
der Rechtshilfe im Justiz- und Innenbereich geht der Ausschuss recht 
offensiv vor: Zum einen sollen die Mitgliedstaaten ihre Quellen in 
einen Topf werfen, um ihre gemeinsame Politik zu "effektivieren". Dabei 
müssten die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um die europäischen 
Bürger zu schützen. Dabei sollten sie sich an dem Staat orientieren, 
der das höchste Schutzniveau hat. Der Ausschuss schlägt vor, Bürger 
beispielsweise nach fünf Jahren über eine Abhöranordnung zu 
unterrichten. Dadurch würden die Geheimdienste dazu erzogen, nur 
angemessene Maßnahmen einzuleiten. Auch dürften ausländische EU-Bürger 
rechtlich nicht benachteiligt sein. Falls es zu einer Kooperation der 
Geheimdienste kommt, müsste aber auch das Europäische Parlament 
Überwachungs- und Kontrollfunktionen übernehmen. 
 
 Zunächst sollten, so die Empfehlung des Ausschusses, die 
Mitgliedstaaten jedoch eine Plattform einrichten, auf der sich die 
Vertreter der nationalen Kontrollorgane treffen und austauschen können. 
Sie soll dafür sorgen, dass die Geheimdienste sich an die europäische 
Menschenrechtscharta halten und dafür sorgen, dass die Gesetze in den 
Mitgliedstaaten gegebenenfalls angepasst werden. Dafür sollen sie einen 
Code of Conduct entwickeln, der sich an dem höchsten bestehenden 
Schutzniveau orientieren soll. 
 
 
 
 Doppeltes Spiel? 
 
 
 
 Genau diese Vorschläge bezeichneten die grünen Abgeordneten Ilka 
Schröder, Alima Boumediene-Thiery und Patrica McKenna als 
"heuchlerisch". Es gebe weltweit kein Beispiel für eine funktionierende 
Kontrolle von Geheimdiensten und ihren undemokratischen Praktiken: "Es 
liegt in der Natur der Geheimdienste, dass sie nicht kontrollierbar 
sind." Deshalb müssten sie abgeschafft werden. Der Ausschuss-Bericht 
hingegen trage dazu bei, einen europäischen Geheimdienst zu 
legitimieren. Zu den Enfopol-Abhörplänen der EU schweige der Bericht 
jedoch. 
 
 Zuletzt wurden Dokumente der Ratsarbeitsgruppe Enfopol bekannt, wonach 
aus den im Datenschutzrecht vorgesehenen Maximalspeicherfristen für 
Telekommunikationsverkehrsdaten Mindestspeicherfristen zum Zwecke der 
Strafverfolgung gemacht werden sollen. Dies stellt jedoch die Absicht 
des Datenschutzes auf den Kopf. (siehe Enfopol gedeiht [5] und 
Widerstand gegen die neuen Enfopol-Überwachungspläne [6]) 
 
 Maurizio Turco kritisiert in diesem Zusammenhang, dass 
Regulierungsmechanismen wie Schengen, Europol und auch das Zollabkommen 
exportiert werden und außerhalb jeder demokratischen und rechtlichen 
Kontrolle arbeiten. Damit müsse Schluss gemacht werden, indem solche 
Behörden sich nicht nur den Regeln der europäischen 
Menschenrechtscharta unterwerfen, sondern auch einer rechtlichen und 
parlamentarischen Kontrolle. 
 
 
 
 Verhandeln mit den USA 
 
 
 
 Der Ausschuss verlangt, dass die Europäische Union mit den USA ein 
Abkommen oder einen Code of Conduct aushandeln, wonach beide Parteien 
bestimmte Regeln hinsichtlich der Privatsphäre und der Vertraulichkeit 
von Geschäftskommunikation einhalten. 
 
 Die USA sollten zudem aufgefordert werden, das zusätzliche Protokoll 
des Internationalen Abkommens über zivile und politische Rechte zu 
unterzeichnen. Bürger könnten dann bei Verstößen das durch das Abkommen 
eingerichtete Menschenrechtskomitee anrufen. Ähnliche Abkommen sollten 
die Mitgliedstaaten auch mit anderen Drittstaaten anpeilen. 
 
 
 
 Selbstschutz ist der beste Schutz  
 
 
 
 Auf den Rechtsschutz scheint der Ausschuss sich allerdings nicht 
verlassen zu wollen. Selbstschutzmaßnahmen wie Email-Verschlüsselung 
sollen nicht nur die Bürger, sondern auch europäische Einrichtungen 
ergreifen. Dazu gehört unter anderem auch die Kommission: Sie soll ihr 
Verschlüsselungssystem schnell auf den neuesten Stand bringen. Alle 
Angestellten sollten mit den neuen Verschlüsselungstechnologien 
vertraut gemacht werden. 
 
 Der Ausschuss fordert zudem die Kommission, den Rat und die 
Mitgliedstaaten auf, eine effektive und aktive IT-Sicherheitspolitik zu 
betreiben. Dies betrifft natürlich auch die Entwicklung effektiver 
Sicherheitsprodukte: Europäische Kryptotechnologie solle gefördert 
werden und vor allem Projekte unterstützt werden, die nutzerfreundliche 
Open-Source-Verschlüsselungssoftware entwickeln. Die Kommission und die 
Mitgliedstaaten sollten Softwareprojekte fördern, die ihren Quelltext 
offenlegen, da dies der einzige Weg sei, versteckte Hintertüren zu 
verhindern. Softwareprodukte, die ihren Quelltext nicht offen legen, 
sollten in einem europäischen Sicherheitsstandard in die am wenigsten 
verlässliche Kategorie herabgestuft werden. 
 
 
 
  
 
 Links 
 
 [0] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7754/1.html
 [1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7813/1.html
 [2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7752/1.html
 [3] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7796/1.html
 [4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7754/1.html
 [5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/7968/1.html
 [6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/7709/1.html
 
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