[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]
[infowar.de] TELEPOLIS: Echelon-Ausschuss verabschiedet Empfehlungen
Infowar.de - http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
--------------------------- ListBot Sponsor --------------------------
Have you visited eBayTM lately? The Worlds Marketplace where you can
buy and sell practically anything keeps getting better. From
consumer electronics to movies, find it all on eBay. What are you
waiting for? Try eBay today.
http://www.bcentral.com/listbot/ebay
----------------------------------------------------------------------
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Ralf Bendrath <bendrath -!
- zedat -
fu-berlin -
de> gesandt.
----------------------------------------------------------------------
Echelon-Ausschuss verabschiedet Empfehlungen
Christiane Schulzki-Haddouti 05.07.2001
Keine Sanktionen gegen Großbritannien; unzufriedene Abgeordnete
monieren "Heuchelei" und sehen Gefahr der vorsorglichen Legitimation
eines europäischen Geheimdienstes
Ein Jahr lang arbeitete der Echelon-Untersuchungsausschuss des
europäischen Parlaments. Am 3. Juli verabschiedete er seinen
Abschlussbericht. Drei Wochen hatten die Abgeordneten über den Bericht
von Gerhard Schmid (SPD) diskutiert. Dessen Empfehlungen wurden zwar
etwas verschärft, dennoch sahen mehrere Abgeordnete, die für ihr
Engagement für Bürgerrechte bekannt sind, ihre Positionen nicht
berücksichtigt und gaben Minderheitenvoten ab.
"Keine Zweifel"
Über die Existenz eines globalen Abhörsystems gäbe es "keine Zweifel"
mehr. Sprach Schmid noch in der Frage der Wirtschaftsspionage von
Wahrscheinlichkeiten, entschloss sich der Gesamtausschuss zu
deutlicheren Formulierungen: Es könne "kein Zweifel" daran bestehen,
dass der Zweck des Systems das Abhören der privaten und kommerziellen
Kommunikation sei - obgleich die technischen Fähigkeiten des Systems
nicht so umfassend seien, wie es teilweise in den Medien dargestellt
wurde. Zudem sei es "überraschend", dass viele höher gestellte Personen
der Europäischen Gemeinschaft vor dem Ausschuss behauptet hatten,
dieses Phänomen nicht zu kennen.
Maurizio Turco, Präsident der Radikalen der Liste Emma Bonino,
kritisierte überdies in einem Minderheitenvotum, dass der Bericht nicht
erwähne, dass auch Deutschland, die Niederlande und vermutlich auch
Frankreich über die technologie Fähigkeit verfügten "über eine
Suchmaschine systematisch und per Zufall abgehörte Kommunikation zu
filtern." Auch diese Mitgliedsstaaten würden die Aktivitäten von
Behörden, Unternehmen und Bürgern anderer Mitgliedstaaten
ausspionieren.
Die rechtlichen Erwägungen der Abgeordneten sind deutlich: Falls
Echelon zur Konkurrenzspionage benutzt werden würde, würde ein daran
beteiligter Staat gegen EU-Recht verstoßen. Dies hatte auch schon der
Europäische Rat Ende März 2000 festgestellt. Würde das System hingegen
nur für Aufklärungszwecke eingesetzt, wäre der Betrieb legal.
Allerdings würde das Abhören der Kommunikation auf jeden Fall gegen das
Recht auf Privatsphäre verstoßen. (siehe Deutschland und Vereinigtes
Königreich verstoßen mit NSA-Spionageverbindungen gegen Menschenrechte
[0] und Untersuchung des Echelons-Systems richtet den Blick auch auf
Misstände in der EU [1])
Spionieren die USA nun europäische Firmen aus oder sammeln sie nur
allgemeine wirtschaftliche Daten? Dies war die Gretchenfrage des
Ausschusses, der darüber in den letzten Tagen und Wochen noch einmal
stritt. Tatsächlich zeigte sich der Ausschuss in der Frage der
Konkurrenzspionage außerordentlich skeptisch:
"US-Geheimdienste untersuchen nicht nur allgemeine ökonomische
Sachverhalte, sondern hören auch detailliert die Kommunikation zwischen
den Unternehmen ab, besonders wo Verträge vergeben werden; und sie
rechtfertigen dies damit, sie würden versuchte Bestechung bekämpfen.
Durch detaillierte Überwachung entsteht jedoch das Risiko, dass die
Informationen eher zum Zwecke der Konkurrenzspionage, denn zur
Bekämpfung von Korruption eingesetzt werden, auch wenn die USA und
Großbritannien anderes behaupten. Zudem ist die Rolle des Advocacy
Center der US-Handelsministeriums immer noch nicht ganz klar und
anberaumte Gespräche mit dem Zentrum, um diese Angelegenheit zu klären,
wurden abgesagt."
(Zur Frage der Konkurrenzspionage und der Rolle des Advocacy Centers
siehe COMINT Impact on International Trade [2], Financial and
geographical analysis of U.S. Advocacy Center "Success stories" [3]
sowie den einleitenden Artikel [4] von Duncan Campbell)
Der Ausschuss verweist zudem auf ein OECD-Abkommen zur Bekämpfung von
Bestechung aus dem Jahre 1997, das Bestechung auf internationaler Ebene
kriminalisiert. Einzelne Fälle von Bestechung könnten deshalb nicht das
Abhören der Kommunikation rechtfertigen. Nichtsdestotrotz sollten die
Mitgliedstaaten sich dafür einsetzen, dass Bestechung geahndet wird. So
könnte die Welthandelsorganisation (WTO) eine Regel verabschieden,
wonach Verträge, die durch Bestechung zustande gekommen sind, für null
und nichtig erklärt werden müssen.
Obwohl kein einziger Fall von Konkurrenzspionage bewiesen wurde, seien
die Hinweise darauf doch sehr stark. Seriöse Quellen hätten den
Brown-Bericht des US-Kongresses bestätigt, wonach fünf Prozent des
Aufklärungsmaterials aus nicht-offenen Quellen für Wirtschaftsspionage
benutzt wird. Dieselben Quellen schätzen, dass diese Aufklärungsarbeit
die US-Industrie in die Lage versetze bis zu 7 Milliarden US-Dollar
über Verträge einzuspielen.
Für die Bundesregierung dürfte das ein Schlag ins Gesicht sein: Erst
Mitte Juni hatte Regierungssprecher Lingenthal die neutrale Haltung der
Bundesregierung noch einmal bekräftigt. Demnach habe nicht nur die
Bundesregierung, sondern auch der EU-Untersuchungsausschuss keine
Erkenntnisse, wonach deutsche Unternehmen Opfer von Konkurrenzspionage
durch Echelon seien.
Menschenrechte
Ein Abhörsystem, das per Zufallsprinzip und ständig jede Kommunikation
abhört, würde das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzen und wäre
nicht im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtscharta. Dies wäre
aber auch dann der Fall, falls das Abhören ohne ausreichende
gesetzliche Grundlage stattfände oder falls die gesetzlichen Regeln
nicht für jeden Bürger transparent wären. Da nun die meisten Regeln der
US-Geheimdienste geheim gehalten werden, sei es "zumindest
zweifelhaft", ob das Prinzip der Verhältnismäßigkeit eingehalten werde.
Die durch die Menschenrechtscharta auferlegten Regeln dürfen die
Mitgliedstaaten nicht dadurch umgehen, indem sie anderen Ländern das
Abhören einfach erlauben. Dies würde das Legalitätsprinzip aushöhlen.
Dritte Länder müssten ebenfalls den durch den Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte festgelegten Regeln gehorchen und eine Überwachung
ihrer Aktivitäten zulassen. Zunächst sollen aber alle Mitgliedsstaaten
erst einmal die Menschenrechtscharta als rechtlich bindend anerkennen.
Namentlich Deutschland und Großbritannien fordert der Ausschuss auf,
weitere Überwachungsaktivitäten von ihrem Territorium durch
US-Geheimdienste davon abhängig zu machen, ob sie in Übereinstimmung
mit der europäischen Menschenrechtscharta stattfinden. In Deutschland
zumindest dürfte sich diese Forderung bald erübrigen - im Herbst soll
die Station in Bad Aibling ihren Betrieb einstellen.
Schutz der EU-Bürger
Der Schutz der EU-Bürger hängt natürlich von der Rechtslage in ihren
Staaten ab - die sehr unterschiedlich aussehen kann. Dass zudem einige
Mitgliedstaaten wie beispielsweise Frankreich keine parlamentarische
Kontrolle ihrer Geheimdienste kennen, sei "besorgniserregend". In
diesen Fällen gäbe es keinen ausreichenden Rechtsschutz. Aber auch wenn
es Kontrollorgane gebe, seien diese jedoch versucht sich mehr auf die
eigenen Geheimdienste zu konzentrieren und weniger auf die
ausländischen.
Der Ausschuss fordert den Generalsekretär des Europäischen Rates auf,
einen Vorschlag zum Schutz der Privatsphäre vorzulegen, der auch die
modernen Kommunikations- und Abhörmethoden berücksichtigt und sich an
den europäischen Menschenrechten orientiert. Maurizio Turco kritisiert,
dass jedoch "vergessen" worden sei, Sanktionen gegen Großbritannien
"wegen seines Doppelspiels mit seinen europäischen Partnern" zu
verlangen.
Europäischer Geheimdienst
Gerade im Hinblick auf eine Zusammenarbeit der Geheimdienste unter dem
Primat der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" der Union oder
der Rechtshilfe im Justiz- und Innenbereich geht der Ausschuss recht
offensiv vor: Zum einen sollen die Mitgliedstaaten ihre Quellen in
einen Topf werfen, um ihre gemeinsame Politik zu "effektivieren". Dabei
müssten die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, um die europäischen
Bürger zu schützen. Dabei sollten sie sich an dem Staat orientieren,
der das höchste Schutzniveau hat. Der Ausschuss schlägt vor, Bürger
beispielsweise nach fünf Jahren über eine Abhöranordnung zu
unterrichten. Dadurch würden die Geheimdienste dazu erzogen, nur
angemessene Maßnahmen einzuleiten. Auch dürften ausländische EU-Bürger
rechtlich nicht benachteiligt sein. Falls es zu einer Kooperation der
Geheimdienste kommt, müsste aber auch das Europäische Parlament
Überwachungs- und Kontrollfunktionen übernehmen.
Zunächst sollten, so die Empfehlung des Ausschusses, die
Mitgliedstaaten jedoch eine Plattform einrichten, auf der sich die
Vertreter der nationalen Kontrollorgane treffen und austauschen können.
Sie soll dafür sorgen, dass die Geheimdienste sich an die europäische
Menschenrechtscharta halten und dafür sorgen, dass die Gesetze in den
Mitgliedstaaten gegebenenfalls angepasst werden. Dafür sollen sie einen
Code of Conduct entwickeln, der sich an dem höchsten bestehenden
Schutzniveau orientieren soll.
Doppeltes Spiel?
Genau diese Vorschläge bezeichneten die grünen Abgeordneten Ilka
Schröder, Alima Boumediene-Thiery und Patrica McKenna als
"heuchlerisch". Es gebe weltweit kein Beispiel für eine funktionierende
Kontrolle von Geheimdiensten und ihren undemokratischen Praktiken: "Es
liegt in der Natur der Geheimdienste, dass sie nicht kontrollierbar
sind." Deshalb müssten sie abgeschafft werden. Der Ausschuss-Bericht
hingegen trage dazu bei, einen europäischen Geheimdienst zu
legitimieren. Zu den Enfopol-Abhörplänen der EU schweige der Bericht
jedoch.
Zuletzt wurden Dokumente der Ratsarbeitsgruppe Enfopol bekannt, wonach
aus den im Datenschutzrecht vorgesehenen Maximalspeicherfristen für
Telekommunikationsverkehrsdaten Mindestspeicherfristen zum Zwecke der
Strafverfolgung gemacht werden sollen. Dies stellt jedoch die Absicht
des Datenschutzes auf den Kopf. (siehe Enfopol gedeiht [5] und
Widerstand gegen die neuen Enfopol-Überwachungspläne [6])
Maurizio Turco kritisiert in diesem Zusammenhang, dass
Regulierungsmechanismen wie Schengen, Europol und auch das Zollabkommen
exportiert werden und außerhalb jeder demokratischen und rechtlichen
Kontrolle arbeiten. Damit müsse Schluss gemacht werden, indem solche
Behörden sich nicht nur den Regeln der europäischen
Menschenrechtscharta unterwerfen, sondern auch einer rechtlichen und
parlamentarischen Kontrolle.
Verhandeln mit den USA
Der Ausschuss verlangt, dass die Europäische Union mit den USA ein
Abkommen oder einen Code of Conduct aushandeln, wonach beide Parteien
bestimmte Regeln hinsichtlich der Privatsphäre und der Vertraulichkeit
von Geschäftskommunikation einhalten.
Die USA sollten zudem aufgefordert werden, das zusätzliche Protokoll
des Internationalen Abkommens über zivile und politische Rechte zu
unterzeichnen. Bürger könnten dann bei Verstößen das durch das Abkommen
eingerichtete Menschenrechtskomitee anrufen. Ähnliche Abkommen sollten
die Mitgliedstaaten auch mit anderen Drittstaaten anpeilen.
Selbstschutz ist der beste Schutz
Auf den Rechtsschutz scheint der Ausschuss sich allerdings nicht
verlassen zu wollen. Selbstschutzmaßnahmen wie Email-Verschlüsselung
sollen nicht nur die Bürger, sondern auch europäische Einrichtungen
ergreifen. Dazu gehört unter anderem auch die Kommission: Sie soll ihr
Verschlüsselungssystem schnell auf den neuesten Stand bringen. Alle
Angestellten sollten mit den neuen Verschlüsselungstechnologien
vertraut gemacht werden.
Der Ausschuss fordert zudem die Kommission, den Rat und die
Mitgliedstaaten auf, eine effektive und aktive IT-Sicherheitspolitik zu
betreiben. Dies betrifft natürlich auch die Entwicklung effektiver
Sicherheitsprodukte: Europäische Kryptotechnologie solle gefördert
werden und vor allem Projekte unterstützt werden, die nutzerfreundliche
Open-Source-Verschlüsselungssoftware entwickeln. Die Kommission und die
Mitgliedstaaten sollten Softwareprojekte fördern, die ihren Quelltext
offenlegen, da dies der einzige Weg sei, versteckte Hintertüren zu
verhindern. Softwareprodukte, die ihren Quelltext nicht offen legen,
sollten in einem europäischen Sicherheitsstandard in die am wenigsten
verlässliche Kategorie herabgestuft werden.
Links
[0] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7754/1.html
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7813/1.html
[2] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7752/1.html
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7796/1.html
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/7754/1.html
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/7968/1.html
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/enfo/7709/1.html
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/special/ech/9014/1.html
----------------------------------------------------------------------
Copyright © 1996-2001 All Rights Reserved. Alle Rechte vorbehalten
Verlag Heinz Heise, Hannover
______________________________________________________________________
To unsubscribe, write to infowar -
de-unsubscribe -!
- listbot -
com