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[infowar.de] SZ: Militär und Entertainment: Terrorabwehr auf dem Gameboy



Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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Ein Artikel über einen Menschen, der in den USA u.a. die "Psychotronik"
der Russen etablieren will und der gleichzeitig das Pentagon berät und
Präsident der ?Internationalen Vereinigung für Studien in Todesnähe?
ist. 
Kennt jemand diesen John B. Alexander näher? Etwas mehr Infos gibt es
z.B. unter http://home.earthlink.net/~alanyu76/nonlethal.htm. Er scheint
sowas wie der Winn Schwartau der Non-Lethal Weapons zu sein. Das
Listenarchiv gibt jedenfalls nichts her.
RB


Süddeutsche Zeitung
29.07.2003

Militär und Entertainment

Einkreisung der Kampfzone

Ein ruheloser US-Oberst arbeitet daran, schon Kindern das Bewusstsein
einer weltweiten Bedrohung zu vermitteln. Hierzu entwickelt er Plots für
Comics und Featurefilme. Doch Spielekonsolen scheinen die am besten
geeigneten Medien zu sein. 

OLAF ARNDT
	 
Wenn Barry Friedman von den FOG Studios Las Vegas über sein jüngstes
Vorhaben spricht, klingt das ein wenig befremdlich: ?Wir reden hier von
der coolsten aller coolen Militärtechnologien und von den
angsteinflößendsten Gefahren, die überhaupt denkbar sind?. Die FOG
Studios sind eine Lizensierungsagentur für interaktive Spielekonsolen,
ein ökonomisches Gelenk zwischen spannenden Stoffen und einem Produkt,
das wie kein zweites den Spielzeugmarkt dominiert: dem Gameboy.
Friedmans Projekt ist ein Joint Venture zwischen den Platinum Studios
Hollywood, die auf Comic-Charaktere spezialisiert sind, und den
Gameboy-Firmen ?Handheld? und ?Blueshift?. Der Clou der Liaison jedoch
besteht darin, dass sie Ende Juni den US?Militärberater John B.
Alexander unter Vertrag genommen hat, der derzeit für die US Special
Operations Command (Socom) tätig ist, und das Ziel der ungewöhnlichen
Verbindung könnte weitreichender nicht sein: Es geht um den Versuch, die
neuesten Technologien für den Kampf gegen Terroristen und gewaltbereite
Zivilisten, so genannte nicht-letale Waffen (SZ vom 2.Juni), über Filme,
Fernsehen und Spiele ins Bewusstsein der Bevölkerung zu heben. Und der
Gameboy ist dafür das am besten geeignete Medium.

» Nach dem zweiten Knöchel spricht jeder. «

John B. Alexander, der Mann, dessen Wissen hinter dem wohl größten
Gemeinschaftprojekt von Militär und Entertainment steht, ist der
Leitstern einer neuen militärischen Kultur. Seine Interessen klingen wie
ein Alptraum jedes Bürgerrechtlers: Der 66-jährige ehemalige
Hilfssheriff aus Dade County, Florida, und Oberst im Ruhestand ist der
Botschafter einer Hightech-Ausrüstung für Polizei und Bodentruppen, die
Aufrührer durch Schlaf, Schmerz, Blindheit, Lähmung, Erbrechen oder
spontane Defäkation außer Gefecht setzt. Zudem träumt er von der
politischen Durchsetzung der ?Psychotronik?, einer ?Gehirnkontrolle? zur
Überwachung und Manipulation von Gedanken.

Dieser Mann wird künftig Szenarien für die Entwicklung ?nicht-tödlicher
Waffen? liefern, die als Plot für Comics, Featurefilme und die
Entwicklung von Spielhandlungen in tragbaren Konsolen, PDAs und
Mobiltelefonen genutzt werden können. Scott Mitchell Rosenberg von
Platinum beschreibt die künftigen Vergnügen so: ?Wir reden von
elektromagnetischen Impulsen, mit denen wir ein Land verkrüppeln können,
indem wir seine gesamte Elektronik ausradieren. Oder von Insekten, die
wir mit Pheromonen fernlenken, um ganze Städte unbewohnbar zu machen.?
Die Grenze zwischen Realität und Fiktion, so Platinum, wird sich
auflösen: Hulk und Supermario wüten im virtuellen Afghanistan und
stählen den Nachwuchs mit digitalem Survivaltraining. Das Lernziel ist
eine Art Bewusstsein weltweiter Bedrohung, in dem schon Kinder als
Sonderermittler auftreten. Brutale Web-Strips wie ?Joes Cartoon? helfen
seit dem Angriff auf das World Trade Center, diese Mentalität
einzustudieren. Alexander, dessen Buch ?Den Krieg gewinnen.
Fortschrittliche Waffen für eine Welt nach dem 11. 9.? gerade auf
Englisch erschienen ist, lässt an der Realitätsnähe seiner Visionen
keinen Zweifel: ?Das Zeug ist echt: Die genetischen und biologischen
Möglichkeiten existieren, und ich biete die Insiderperspektive an, um
aufregende Geschichten für eine weltweite Zuhörerschaft zu entwickeln.?

» Wie zur Illustration der schlimmsten Befürchtungen erzählt Alexander
gern von einem Experiment, bei dem eine Frau zu medizinischen Zwecken
komplett dehydriert, von Blut und Wasser trockengelegt und mit einer
komplizierten Maschinerie tagelang im Zustand eines künstlichen Komas
gehalten wurde. «

Doch Alexanders Bemühen um die Etablierung ?untödlicher Waffensysteme?
ist nur eine Facette seines schillernden Lebens. Auf den ersten Blick
wirkt er, als inkarniere sich in ihm die Doktrin vom ?US Globocop?, die
Staatsräson des weltpolizeilichen Eingriffs. Zugleich begeistert er sich
für Grenzwissenschaften. Was zunächst überraschend klingt, hat seine
Logik und Geschichte. Alexander hat an der Walden University über
Todesforschung promoviert, schreibt Sachbücher und begeistert sich für
UFOlogie. Er hat an über zwanzig Forschungsprojekten des US-Militärs in
Los Alamos mitgewirkt und berät den Think-Tank ?Rand Corporation?.

In jüngster Zeit ist er seinem Fernziel erheblich näher gekommen. Über
Freunde in Politik und Kultur hat er Zugang zu den höchsten Kreisen
zwischen Pentagon und Hollywood. Mit Al Gore verbindet ihn seit den
Achtzigern eine enge Freundschaft. Alexanders berät das ?Joint
Non-Lethal Weapons Directorate? des Verteidigungsministeriums und das
Weiße Haus. Der Ex-Sheriff ist ebenso Exot wie Vertreter einer neuen
Generation von Machtmenschen, die in den USA die Führungsspitzen
besetzen.

Eine Begegnung mit ihm ist ebenso beeindruckend wie beunruhigend:
hagelweisse Haare, Cowboystiefel zum Anzug und eine dezente
Rangers-Anstecknadel am Revers. Auf die Frage, ob die ?nicht-tödlichen
Waffen? mit ?soft kill?-Optionen nicht Folterwerkzeuge einer neuen
Klasse seien, entgegnet er: ?Lächerlich: Zu teuer, zu uneffektiv. Sie
vergessen, dass die Koreaner schon lange wirksamere Methoden erfunden
haben. Ein Hammer hat immer noch durchschlagenderen Erfolg. Nach dem
zweiten Knöchel spricht jeder.? Als Einsatzleiter der
?A-Team?-Spezialeinsatzkräfte in Thailand und Vietnam und als Kommandeur
der ?Green Berets? hat der neue Entertainment-Experte früher an
Geheimdienstoperationen mitgewirkt. Seitdem reißen die Gerüchte nicht
ab. Einige Friedensforscher werfen ihm Kriegsverbrechen in Vietnam vor.
Beweise stehen aus. Schon 1971, als Kapitän der Infanterie in Honolulu,
fiel Alexander durch sein Interesse für ?Randgebiete der militärischen
Forschung? auf: Er tauchte nach Atlantis. Nach seiner Entlassung aus dem
Militärdienst entwickelt er in Los Alamos unter dem Eindruck des
Somalia-Einsatzes sein Konzept der Nonletalität. Der
?Kollateral-Schaden? unter Zivilisten, die von somalischen
Widerstandkämpfern als menschliche Schutzschilde missbraucht wurden,
habe ihn auf die Idee gebracht, effektivere Mittel zu ersinnen, um die
Scharfschützen zu treffen. so Alexander. 1991 teilte Paul D. Wolfowitz
dem Sekretär im Verteidigungsministerium, Dick Cheney, mit: ?Wenn wir
die USA überzeugen, in nicht-tödliche Waffen zu investieren, wird das
unsere Möglichkeiten erweitern. Forschung und Entwicklung müssen
dementsprechend verstärkt werden.? Ein General sagte damals: ?Wenn diese
Sache sich eines Tages als Perle erweist, ist Alexander der Sand in der
Austernschale gewesen.? Doch keine Armee wird nur mit solcher Munition
ins Feld ziehen. Für das neue Konzept nationaler Sicherheit stellen
diese Waffen nur eine neue Option dar.

Wie kein zweiter versteht es der ruhelose Oberst, zwischen den Sphären
von Entertainment und Verteidigungspolitik zu vermitteln. Zu seinen
engsten Mitstreitern gehören die Phantasy-Romanautoren Janet und Chris
Morris, die Kontakte zur CIA besitzen und in eigenen Waffenschmieden
Geräte zum Ausräuchern von Fundamentalistennestern produzieren. Ohnehin
erinnern etwa Alexanders Visionen von hochenergetischen Mikrowellen oder
Nanopartikeln zum Zwecke des Personenschutzes an das Universum Michael
Crichtons, mit dem der Ex-Militär ebenfalls kooperiert. Crichtons
jüngster Roman ?Die Beute? handelt von entfesselten
Nano-Robot-Schwärmen. Schon für ?The lost world? ließ Crichton sich in
langen Gesprächen von Alexanders Phantasien inspirieren. Auch der
Bestseller-Autor Tom Clancy (?Debt of Honor?) hat Nektar gesogen beim
Meister der untödlichen Kampfkünste. Sein elegisches Vorwort zu
Alexanders Buch ?Future War? legt Zeugnis davon ab undsteigerte die
Auflage. Die Kreativität der Künstler hat für Alexander vor allem
strategische Bedeutung. Ihm gehe es darum, seine Ideen in die Köpfe
möglichst vieler Leute zu bringen, sagt er. Und dies funktioniert am
besten mit der Hilfe eines Romanciers, dessen Bücher Zeile für Zeile
verfilmt werden. Längst haben seine Ideen Hollywood erreicht. Die
Schockwellenwaffen und tödlichen Gedankenstrahler in Filmen wie
?Minority Report? haben die Taser und Phaser aus der Steinzeit der
?Starwars? längst abgelöst.

Dass Alexander ? neben vielen anderen Posten ? Präsident der
?Internationalen Vereinigung für Studien in Todesnähe?, und Berater der
ominösen Firma ?Psi-Tech? ist, stört offenbar weder Crichton noch
Clancy. ?Psi-Tech? wurde von ehemaligen Geheimdienstoffizieren gegründet
und bietet ?remote viewing?, eine spezielle Technik außersinnlicher
Wahrnehmung, kommerziell an. Mit dieser Methode sollten im ersten
Golfkrieg Saddam Husseins Raketenbasen ausfindig gemacht werden. Dabei
reichen die Kontinuitäten der Pseudo-Futurologen bis zu den berüchtigten
?Mind Control?-Experimenten der CIA in die fünfziger Jahre zurück. In
den Achtzigern diskutierte Alexander die Gefechtstauglichkeit
psychologischer Kriegsführung in Artikeln und Büchern und erlangte in
der Armee Berühmtheit für seine Beteiligung an Programmen, die
?menschliche Fähigkeiten in bislang unbekannter Dimension? ausforschten.

Der Ex-Sheriff gilt als Spezialist für die Erlangung von Informationen
auf ?extra-sensuellen Wegen?, eine Art Telepathie, die laut Alexander
auch dazu befähigt, kinetische Kräfte durch den Luftraum zu übertragen.
Solche Experimente aber zeigen, dass es eine Beziehung zwischen dem
Studium bei Elisabeth Kübler-Ross (?Übergänge zwischen Leben und Tod?)
und der Forschungsarbeit für das Militär gibt. Im Gespräch betont
Alexander oft, dass es keinen Zusammenhang zwischen seinen privaten
Obsessionen und den staatlichen Aufträgen gibt: ?Ich bin Eklektiker.?
Doch sind sich die öffentlichen Einrichtungen des Beigeschmacks der
Untersuchungen offenbar bewusst. Die Zuständigkeit dafür schieben CIA
und DIA (Defense Intelligence) untereinander hin und her.

Wie zur Illustration der schlimmsten Befürchtungen erzählt Alexander
gern von einem Experiment, bei dem eine Frau zu medizinischen Zwecken
komplett dehydriert, von Blut und Wasser trockengelegt und mit einer
komplizierten Maschinerie tagelang im Zustand eines künstlichen Komas
gehalten wurde. Ihre Gehirnaktivität wurde minutiös aufgezeichnet, sie
selbst hinterher befragt. Angeblich konnte sie detaillierte Angaben über
ihren ?Weg? machen. Jetzt fehle es nur noch an der Dechiffrierung,
schließt Alexander verschmitzt, dann wäre jeder Gedanke, der unser
Gehirn kreuzt, technisch rekonstruierbar.

Vielleicht sollten wir lernen, Hollywood-Produktionen wie die
?Matrix?-Triologie nicht nur als schauerliche, aber unwahrscheinliche
Utopie zu sehen. Wenn es erst einmal Kindern gelingt, uns mit dem
Gameboy lahm zu legen, bleibt uns kaum noch Zeit zu begreifen, welches
Programm sie geladen haben.

Der Autor ist Künstler und lebt in Berlin. Er arbeitet als ?Beobachter
der Bediener von Maschinen? an dem Projekt Troia, einer Ausstellung über
die ?Technologien politischer Kontrolle?.

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