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[infowar.de] neues TIA-Projekt: Future-Börse fuer Terroranschlaege
Infowar.de, http://userpage.fu-berlin.de/~bendrath/liste.html
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http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/15327/1.html
Future-Börse für Terroranschläge
Florian Rötzer 29.07.2003
Ein weiteres, etwas makabres Programm des umstrittenen Terrorist
Information Awareness Projekts gerät in die Schusslinie der Kritik
Ob das Terrorist Information Awareness Programm des Pentagon unter der
Leitung des ehemaligen Admirals Poindexter, der unter Reagan am
Iran-Contra-Skandal beteiligt war, überhaupt weiter verfolgt werden
kann, ist fraglich. Der Senat will alle Gelder dafür streichen, aber
das Repräsentantenhaus müsste hier auch mitziehen. Mit dem TIA soll ein
Programm entwickelt werden, das möglichst viele unterschiedliche Daten
in möglichst vielen Datenbanken durchsuchen und "verdächtige" Muster
identifizieren soll ( Weltweites Schnüffelsystem [1]). Mit einem neuen
Projekt innerhalb des TIA-Programms wird das Pentagon aber vermutlich
noch stärker als bisher die Kritiker auf den Plan rufen.
Die Kritik am TIA-Projekt in den USA ist, dass das Programm auch die
Daten amerikanischer Bürger erfassen, verknüpfen und durchsuchen
könnte. Dabei soll alles, was irgendwie digital gespeichert ist, von
biometrischen Daten, Einkäufen, Überweisungen, Reisebewegungen,
Telefonanrufen, Emails, Daten von Behörden und Geheimdiensten etc.,
zusammengeführt werden. Dass ein solches doch recht monströses Projekt,
das Echelon weit in den Schatten stellen würde, auch die Privatsphäre
von Ausländern und damit deren Menschenrechte verletzten würde, ist für
die heimischen Kritiker sekundär.
Teile des TIA sind schon funktionsfähig und angeblich werden bereits
künstliche Daten eingefüttert, um das System, zu erproben. TIA aber
soll auch beim Information Dominance Center, einem Geheimdienst der
Army installiert sein. Dort werden Daten mit anderen Geheimdiensten,
auch mit ausländischen, über ein von der Defense Intelligence Agency
betriebenes Netzwerk ausgetauscht.
Im Rahmen des TIA wird auch das FutureMAP-Programm [2] (Future Markets
Applied to Prediction) entwickelt, das mit marktbasierten Methoden
Möglichkeiten der Vorhersage erlauben soll. Zwar ist das Programm schon
länger bekannt ( Terrorist-Information-Awareness [3]), ist aber erst
jetzt wirklich von den Kritikern bemerkt worden. Im Prinzip geht es um
ein Programm, das zunächst Märkte simulieren soll, auf den geheime und
öffentlich zugängliche verteidigungs- und sicherheitspolitisch
relevante Informationen gehandelt werden. Zur Steuerung dieser Märkte
will man Informationssysteme entwickeln und die Leistungsfähigkeit
dieser Märkte für bestimmte Aufgaben testen. Offenbar ist aber auch
daran gedacht, diese Märkte nicht nur in der Simulation, sondern auch
in Wirklichkeit auszutesten, da DARPA bei der Beschreibung angibt, dass
es auch darum geht, "nützliche Informationen aus Märkten ohne
Kompromittierung der nationalen Sicherheit" zu ziehen und
Kompensationen anzubieten, die "ethischen und legalen" Bedingungen
gehorchen, aber weiterhin "attraktiv" bleiben. Irgendwie dürfte es also
darum gehen, dem weltweiten Informationsmarkt durch Bestechung oder
"Kompensation" wichtige Informationen zu entlocken, an die man
anderweitig nicht kommen würde.
Zunächst aber steht die Simulation im Vordergrund. Ab Freitag können
sich die ersten Investoren, die anonym bleiben, bei der ersten Stufe
der Pentagon-Börse, "Policy Analysis Market" ( PAM [4]), anmelden, um
hier auf Vorhersagen von Terroranschlägen setzen und damit Geld machen
(oder verlieren) zu können. Bewerben können sich Interessierte
weltweit. Nach welchen Kriterien ausgewählt wird, ist jedoch auf der
Website nicht angegeben. Betrieben wird die Börse von der Darpa, der
Economist Intelligence Unit [5] der Economist Group, die die
Zeitschrift The Economist [6] herausgibt, und Net Exchange [7].
PAM ist ein Schritt, um für das Pentagon "marktbasierte Techniken zur
Vermeidung von Überraschungen und Vorhersage von künftigen Ereignissen"
zu entwickeln. Der Online-Handel beginnt am 1. Oktober, wenn alles nach
Plan geht, und ab 1. Januar rechnet man, wie die Washington Times
berichtet [8], bereits mit 10.000 Händlern in Sachen Terrorismus.
Händler können beispielsweise auf die Wahrscheinlichkeit eines
Anschlags auf Arafat, eines Angriffs mit biologischen Waffen auf Israel
oder eines Raketenangriffs Nordkoreas setzen. Wenn die Vorhersagen
eintreffen, klingelt die Kasse. Die Gewinne sollen aus den Einsätzen
ausgezahlt werden.
Die Börse mit dem Thema "A Market in the Future of the Middle East"
wird vor allem die wirtschaftlichen, zivilen und militärischen
Zukunftsaussichten der Länder im Nahen Osten behandeln. Aber auch die
Folgen der US-Aktivitäten in Ägypten, Jordanien, Israel, Saudi-Arabien,
Syrien, in der Türkei oder im Irak oder Iran sollen damit abgeschätzt
werden, vielleicht auch, weil man bislang Schwierigkeiten mit solchen
etwas komplexeren Wechselwirkungen hatte. Als Beispiel wird der Sturz
des jordanischen Königs während des Kriegs im Irak behandelt. Möglich
sind zunächst vierteljährliche Verträge auf Entwicklungen im Nahen
Osten, aber auch auf Indikatoren der globalen Wirtschaft und Sicherheit
sowie auf bestimmte Ereignisse wie die mögliche Anerkennung eines
palästinensischen Staates durch die USA im Jahr 2005.
Aber, so beruhigt man bei Darpa, das sei eigentlich ja nur ein kleines
Forschungsprogramm, das unter anderem erkunden will, ob eine solche
Börse überleben kann und Menschen weiterhin an ihr teilnehmen werden,
wenn es Ernst wird und die US-Behörden sie benutzen, um Terroranschläge
zu verhindern. Eine Frage sei auch, ob solche Future-Märkte von Gegnern
manipuliert werden könnten.
Der demokratische Senator Ron Wyden, der bereits im Senat den Stopp von
Geldern für TIA durchgesetzt hat ( Datamining und Gerüchte-Sammeln
gegen den Terror [9]), und andere Kritiker haben in einem Brief an
Poindexter verlangt [10], die Kriegs- und Terrorbörsen sofort
einzustellen. Letztlich könnten, da die Händler anonym bleiben sollen,
auch Terroristen selbst teilnehmen. Wyden bezeichnete diesen Markt als
"grotesk" und "bizarr". Es sei moralisch falsch, auf Terrorismus Wetten
abzuschließen: "Die Regierung unterstützt Menschen, Wetten auf Untaten
und Terroranschläge abzuschließen und daran zu verdienen." Senator
Byron Dorgan, auch ein Demokrat, meinte hingegen, FutureMAP sei ein
"unglaublich blödes Programm", das keinen Wert habe, aber dafür für
jeden anstößig sei. Die Entwicklung der Börse hat bereits 800.000
US-Dollar gekostet. 8 Millionen Dollar werden für die weitere
Entwicklung vom Pentagon gefordert.
Die Darpa selbst verteidigt das Programm. Man versuche, mit möglichst
vielen neuen Möglichkeiten Terroranschläge zu verhindern. FutureMAP
helfe "Analysten, Terroranschläge durch die Verwendung von
Future-Marktmechanismen vorherzusagen und so zu verhindern." Die
Wissenschaft habe gezeigt, dass solche Märkte sehr effizient und
schnell sein können, verstreute und auch verborgene Informationen zu
sammeln: "Future-Märkte haben demonstriert, dass sie gut bei
Vorhersagen wie Wahlergebnissen sind; sie sind oft besser als
Expertenmeinungen."
Allerdings könnte man auch zu der Schlussfolgerung kommen, dass die
US-Regierung, nachdem die Geheimdienste beim 11.9. versagt und die
Nahost-Politik vor allem im Irak nicht unbedingt die gewünschten
Erfolge bietet, nun auf ein Börsenorakel zurückgreift, weil ihr und
ihren Experten sonst nichts mehr einfällt. Die Geheimdienste hat man
bei der Lieferung der Beweise für Massenvernichtungswaffen noch einmal
öffentlich in ihrer Glaubwürdigkeit demontiert. Makaber ist die Börse
auf jeden Fall, auch wenn Terrorismus und Antiterror-Maßnahmen
natürlich einen Markt darstellen, an dem gut verdient werden kann.
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/13647/1.html
[2] http://www.darpa.mil/iao/FutureMap.htm
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/14849/1.html
[4] http://www.policyanalysismarket.org
[5] http://www.eiu.com
[6] http://www.economist.com/
[7] http://www.nex.com/
[8] http://www.washingtontimes.com/national/20030728-113518-8229r.htm
[9] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/15078/1.html
[10] http://wyden.senate.gov/media/2003/07282003_terrormarket.html
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